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Stephan Jersch
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Frage von Claus S. •

Frage an Stephan Jersch von Claus S. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Jersch,

derzeit liegt der Bebauungsplanentwurf HafenCity 16 (Elbtower) öffentlich aus. Dazu gehört auch eine Begründung, die einen „Umweltbericht“ einschließt:

https://www.hamburg.de/contentblob/14492370/0f7a1d7fdf7f69de9efca4ed33bbbdeb/data/begruendung-auslegefassung-2020.pdf

Der „Umweltbericht“ geht mit keinem Wort auf die Frage der CO2-Emissionen ein, die beim Bau des Elbtowers entstehen werden. Es ist bekannt, dass allein die Zementherstellung für rund acht Prozent der menschengemachten CO2-Emissionen verantwortlich ist (siehe Artikel in der FAZ vom 19. November 2020). Bei einem Bau dieser Größenordnung dürften die CO2-Emissionen also ganz erheblich sein.

Man fragt sich, wie ein solches Bauprojekt in den Hamburger Klimaplan passt, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um 55 Prozent zu senken. Angesichts des unzulänglichen Niveaus der gegenwärtigen Anstrengungen ist es unwahrscheinlich, dass dieses Ziel erreicht werden kann. Mit Großprojekten wie dem Elbtower wird das Erreichen des Klimazieles doch noch ein Stück unwahrscheinlicher.

Wie mir scheint, besteht auch eine rechtliche Verpflichtung zur Erstellung einer CO2-Bilanz gemäß Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. Hier ist auf Artikel 3 der Richtlinie zu verweisen und auf deren Anhang IV, in dem die Anforderungen an einen UVP-Bericht beschrieben sind. Ziffer 4 nimmt ausdrücklich auf Treibhausgasemissionen Bezug.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02011L0092-20140515&from=DE

Stimmen Sie mir zu, dass eine CO2-Bilanz erstellt und diskutiert werden sollte, bevor eine Entscheidung über die Genehmigung des Bebauungsplans getroffen wird?

Danke im Voraus für Ihre Antwort und

mit freundlichen Grüßen

Claus Suttor

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Suttor,

herzlichen Dank für Ihre Frage mit der Sie mehrere Konfliktbereicheansprechen. Grundsätzlich ist die Frage der 'grauen Energie' erst in letzter Zeit stärker in den Fokus gerückt, ist aber heutzutage ein oft thematisierter Aspekt. Die 8 Prozent Klimabeitrag des Zements entsprechen dabei auch meinen Informationen. Derzeit ist nach meinem Kenntnisstand weder bei Neubau- noch bei Abrissmaßnahmen eine entsprechende Ökobilanz vorgesehen. Insbesondere bei der Frage von Sanierung vs. Abriss und Neubau wäre dies regelhaft einzuplanen. Dies hat DIE LINKE in ihrem Wahlprogramm zur letzten Bürgerschaftswahl so gefordert: "Vor dem Abriss von Gebäuden soll eine Ökobilanz erstellt und eine Baugenehmigung gegebenenfalls abgelehnt werden, wenn der Neubau mehr Energie verschlingt als eine Entwicklung im Bestand.".

Ich kann Ihnen bei der Forderung nach der Erstellung einer solchen Bilanz zustimmen, auch schon aus rein informativen Gründen, denn die Klima-Emissionen eines Baus des Elbtowers fließen nicht in die Klimabilanz der Stadt ein, solange der Werkstoff nicht in Hamburg produziert wird. In der gesamten Bilanzierung von CO2 (äquivalenten) Emissionen gibt es einige Löcher. Die Emissionen des Kraftwerks Moorburg tauchen dort genauso wenig auf wie Teile der Luftverkehrsemissionen oder der Einsatz von Sulfuryfluorid im Hafen, das mehr Treibhauswirkung hat als das Kohleheizkraftwerk Tiefstack. Aber der Verantwortung Hamburgs gegenüber dem Pariser Abkommen würde es gebieten über den Tellerrand der Stadtgrenze zu schauen und auch solche Klimakosten zu berücksichtigen, die in der Sadt verbrauchte Güter über deren vollständige Prozesskette hinweg verursachen.

Die EU-Richtlinie habe ich mir angesehen, bin aber der Meinung, dass die Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) einen Bau wie den des Elbtowers nicht mit einschließt. Im Abschnitt 18 werden dort die UVP-pflichtigen Bauprojekte aufgezählt bei den ich rein legalistisch gesehen keine Verpflichtung zu einer UVP sehe. Aber ich bin kein Jurist und halte dies, angesichts der Notwendigkeit viel schärfer und schneller zur Klimaneutralität zu kommen, für eine politische Frage. Selbst angesichts einer eventuell nicht bestehenden UVP-Pflicht könnte die Ausschreibung m. E. davon abhängig gemacht werden eine entsprechende UVP mit einer Klimabilanz zu erstellen. Das würde dem von mir immer wieder kritisierten Fehlen ordnungspolitischer Maßnahmen entgegen wirken.

Und um es dann kurz zusammenzufassen: Ja, ich stimme Ihnen zu.

Gerne können Sie bei Nachfragen oder Anmerkungen Kontakt zu mir aufnehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Jersch

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