Der Energiepreis aus Atomstrom sei der Günstigste. Woher stammen die Fakten?
Sehr geehrter Herr Kotre'
Haben Sie beim Vergleich der Energie Preise den Anteil der Entsorgung des Atommülls mit einbezogen? Die Endlagerung gibt es noch nicht. Stützt sich Ihre Meinung als Unternehmensberater auf praktische Erkenntnisse und Erfahrungen? Welche sind das? Was befähigt Sie eine solche Aussage zu treffen?

Sehr geehrter Herr E.,
vielen Dank für Ihre kritischen Fragen zu diesem wichtigen Thema.
Zunächst zur Preisbewertung: Die Aussage, dass Atomstrom im Vergleich zu anderen Energieformen kostengünstig sein kann, bezieht sich auf die sogenannten Levelized Cost of Energy (LCOE) – also die durchschnittlichen Stromgestehungskosten über den gesamten Lebenszyklus eines Kraftwerks. Dabei werden sowohl Investitions-, Betriebs- als auch Rückbau- und Entsorgungskosten berücksichtigt. Studien wie die der Internationalen Energieagentur (IEA) und der OECD Nuclear Energy Agency (NEA) weisen regelmäßig darauf hin, dass bestehende Kernkraftwerke im Betrieb günstiger Strom liefern können als viele neu errichtete Wind- oder Solaranlagen – insbesondere bei gleichbleibender Grundlast (www.oecd-nea.org/jcms/pl_51110/projected-costs-of-generating-electricity-2020-edition).
Ein konkretes Beispiel für diese Wirtschaftlichkeit liefert die Schweiz: Laut dem Branchenverband swissnuclear betragen die Stromgestehungskosten der Schweizer Kernkraftwerke lediglich 4 bis 7 Rappen (0,04 bis 0,07€) pro Kilowattstunde – einschließlich aller Betriebskosten, Rückstellungen und Rückbauaufwendungen. Die Kosten für Stilllegung und Entsorgung schlagen dabei mit gerade einmal 1 Rappen pro Kilowattstunde zu Buche – und sind über zwei gesetzlich geregelte Fonds vollständig abgedeckt (www.swissnuclear.ch/wirtschaftlichkeit/ und www.swissnuclear.ch/kosten/).
Zur konkreten Situation in Deutschland verweise ich auf die Studie der Radiant Energy Group (REG) mit dem Titel "Restarting Germany’s Reactors: Feasibility and Schedule" aus dem Jahr 2024. Die Untersuchung zeigt, dass ein technischer Wiedereinstieg in den Betrieb der kürzlich abgeschalteten deutschen Kernkraftwerke grundsätzlich möglich wäre – sicherheitskonform und wirtschaftlich tragfähig. Die bestehenden Anlagen könnten durch modernisierte Betriebskonzepte in kurzer Zeit wieder ans Netz gehen, wobei die Stromgestehungskosten aufgrund bereits abgeschriebener Infrastruktur besonders niedrig wären (www.radiantenergygroup.com/reports/restarting-germanys-reactors-feasibility-and-schedule).
Was die Entsorgung betrifft, ist Ihr Hinweis korrekt: Die Endlagerfrage ist in Deutschland noch nicht abschließend gelöst. Dennoch werden die Kosten für Rückbau und Entsorgung in wirtschaftlichen Bewertungen berücksichtigt. Energieversorger sind gesetzlich verpflichtet, Rückstellungen für Stilllegung und Entsorgung zu bilden. Seit 2017 verwaltet der staatliche Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) über 24 Milliarden Euro, um die Kosten für Zwischen- und Endlagerung langfristig abzusichern (www.kenfo.de).
Aktuell zeigt sich international ein klarer Trend: Selbst vormals ausstiegswillige Länder wie Belgien kehren der ideologischen Ablehnung der Kernenergie den Rücken. Am 15. Mai 2025 hat das belgische Parlament mit großer Mehrheit beschlossen, den Atomausstieg zu beenden, die bestehenden Reaktoren weiter zu betreiben – und neue zu bauen. Begründet wird dieser Kurs mit klarem Realitätssinn: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaziele sind ohne Kernenergie kaum erreichbar (www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/belgien-atomausstieg-rueckgaengig-100.html).
Und Deutschland? Während sich die Welt der Realität stellt, hält die Bundesregierung an einer ideologisch aufgeladenen Illusion fest, die sich „Energiewende“ nennt – teuer, planlos, unausgereift. Man opfert Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Vernunft auf dem Altar grüner Symbolpolitik. Was hier als Fortschritt verkauft wird, ist in Wahrheit der Rückweg in energiepolitische Abhängigkeit, Deindustrialisierung und Wohlstandsverlust.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Kotré