Bekennen Sie sich zum Völkerrecht und verpflichten sich damit zum Klimaschutz?
Sehr geehrter Herr Möller,
Sie hatten Mehrfach erwähnt das Sie sich zum Völkerrecht, sowie zum Grundgesetz bekennen.
Es gibt nun von den jeweils höchsten, dafür Verantwortlichen Gerichten, Urteile darüber das man zu Klimaschutz verpflichtet ist.
Schon vor einiger Zeit entschied das BverfG, dass der Staat zum Klimaschutz verpflichtet ist (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.html#:~:text=Als%20Klimaschutzgebot%20hat%20Art.,durch%20einen%20Staat%20allein%20ausschlie%C3%9Ft.)
Nun gibt es auch ein Urteil des Internationalen Gerichtshof, dass entschieden hat das sich Staaten die das Völkerrecht einhalten, zum Klimaschutz, also der Klimaneutralität, verpflichtet sind (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/igh-gutachten-klima-102.html). In dem Urteil wird der Klimaschutz, als Menschenrecht bezeichnet.
Bekennen Sie sich zum dem Menschenrecht und dem Grundgesetz und werden nun doch für Klimaschutz einstehen?
Cedric M.

Sehr geehrter Herr M.,
der von Ihnen genannte Beschluss ist für mich einer der wesentlichen Gründe, warum ich ein Kritiker des Bundesverfassungsgerichts bin und es nicht als weltanschaulich und politisch neutrales Gericht einstufe. Ich bin tatsächlich der Überzeugung, dass gerade dieser Beschluss zeigt, wie weit sich das Bundesverfassungsgericht von seiner ursprünglichen Rolle als Schützer der Grundrechte entfernt hat und mittlerweile die Rolle eines Förderers der politischen Zielstellungen aus dem (elitären) gesellschaftlichen Bereich von SPD und Grünen übernommen hat.
Durchaus mit Berechtigung hat einer der Prozessbevollmächtigten der zugrunde liegenden Verfassungsbeschwerden (Professor Felix Ekardt) den Klimabeschluss als „Revolution“ bezeichnet, denn es bricht in mehrfacher Hinsicht mit jahrzehntelang geltender verfassungsrechtlicher Logik.
Der renommierte Verfassungsjurist Prof. Dietrich Murswiek beschreibt aus meiner Sicht völlig zu Recht, dass das Bundesverfassungsgericht mit diesem Beschluss die Verfassung selbst geändert hat, wozu es überhaupt keine Kompetenz hat. Er hat darauf hingewiesen, dass der Beschluss eine von den Grünen 2018 im Bundestag beantragte, im Ergebnis aber abgelehnte Verfassungsänderung zu geltendem Verfassungsrecht erklärt.
(vgl.: https://www.dietrich-murswiek.de/klimapolitik-und-verfassungsrecht.html)
Also: Klimaschutz auf Kosten der Grundrechte der aktuell lebenden Staatsbürger, um spekulative spätere Grundrechtseingriffe und die Grundrechte der Nachgeborenen hypothetisch nicht zu sehr zu belasten - wohlgemerkt auf der Grundlage eines Staatsziels, welches das Wort "Klima" nicht mal erwähnt und bei dessen Abfassung daran auch nicht gedacht wurde? Keine ungedeckten Schecks auf die Zukunft beim Klimaschutz, aber die Verschuldungsorgie von Merz geht schon okay mit einem aufgelösten Bundestag? Neben diesen Widersprüchen hat das Bundesverfassungsgericht nach meiner persönlichen Bewertung in letzter Zeit kaum Probleme damit, Grundrechte als Begründung für Zumutungen und Zwang gegen Staatsbürger umzudeuten, wenn es der bereits oben erwähnten politisch-gesellschaftlichen Strömung dient.
Nach meiner persönlichen Überzeugung hat diese aktivische Rechtsprechung ihre Ursache in der immer dreister werdenden politischen Besetzungspraxis, die im Wesentlichen unabhängig von Wahlergebnissen zwischen Spitzenfunktionäre von SPD und Union ausgedealt wird und bei der der Bundestag nur noch eine formale Rolle hat, die seiner Funktion nicht gerecht wird. Hierdurch verankern sich in den beiden Senaten des Bundesverfassungsgerichts, aber auch bei anderen höheren Gerichten politisch-gesellschaftliche Narrative aus diesem politischen Umfeld, während große Teile der Gesellschaft und vor allem deren Lebensrealität, Werte und Überzeugungen in diesen Gerichten überhaupt nicht mehr repräsentiert und wahrgenommen werden.
Einem breiteren Publikum ist dies leider erst bei der aktuellen Richterwahlrunde bewusst geworden.
Zu Ihren Fragen kann Ihnen vor diesem Hintergrund folgendes antworten:
- Ich halte nichts von der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs, Ansprüche von Staaten mit vermeintlichen „Menschenrechten“ zu begründen. Ich halte auch nichts vom Internationalen Gerichtshof, da die Vollstreckung seiner Entscheidungen durch die ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat selektiv blockiert werden können (vergleiche exemplarisch das Verfahren Republik Nicaragua gegen USA, (https://www.worldlii.org/int/cases/ICJ/1986/1.html). „Internationales Recht“, welches solche Doppelstandards zulässt, dient der Absicherung von Hegemonie und stellt keine erstrebens- oder anerkennenswerte Rechtsordnung dar.
- Ich bekenne mich selbstverständlich zum Grundgesetz. Allerdings habe ich fundamental andere Auffassungen davon, was vom Grundgesetz gedeckt und untersagt wird, als der elitäre "Mainstream". Das betrifft nicht nur den sogenannten „Klimaschutz“, sondern auch Fragen der Meinungsfreiheit, der Chancengleichheit politischer Parteien und der Grundrechtseinschränkungen/-aussetzung während der Corona-Zeit.
- Ich muss den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz zwar respektieren. Aber ich werde ihn niemals akzeptieren, sondern darauf hinarbeiten, dass diese Entscheidung aufgehoben wird.
Freundliche Grüße
Stefan Möller