Stefan Borggraefe
PIRATEN
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Frage von Toni C. •

Frage an Stefan Borggraefe von Toni C. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Borggraefe,

Das Grundeinkommen: Welche Vorteile verspricht sich die Piratenpartei dadurch? Wie soll es finanziert werden?

Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr C.,

vielen Dank für die Frage! Tut mir leid, dass ich erst jetzt dazu komme, sie
zu beantworten.

Durch das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist die Grundlage für ein neues, gerechtes und einfaches System der sozialen Grundsicherung. Jeder soll monatlich einen Geldbetrag bekommen, der eine sichere Existenz in Würde und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Das Grundeinkommen wird bedingungslos gewährt. Somit entfällt die bisherige aufwendige und tief in die Privatsphäre eingreifende Bedürftigkeitsprüfung. Ein „sich-nackig-machen“ vor dem Jobcenter und anderen Behörden wird es nicht mehr geben. Wir Piraten wollen die Privatsphäre schützen und wollen einen gläsernen Staat statt den gläsernen Bürger!

Weiterhin bedeutet „bedingunglos“, dass es keine Straf- oder Sanktionsmechanismen gibt, wie sie bisher beispielsweise beim Arbeitslosengeld II ( „Hartz IV“) gibt. Viele Menschen leiden derzeit unter einer herabwürdigenden Behandlung durch die Ämter, werden depressiv und ziehen sich sozial zurück. Ein BGE, das alle beziehen, würde diese Nachteile beheben und die Menschen befreien. Die Piratenpartei will, dass alle Menschen in Würde leben und die individuelle Freiheit durch den Staat so wenig wir möglich eingeschränkt wird. Auch dies wird also durch das BGE erreicht!

Jeder, der sich mehr leisten können will als die grundlegende soziokulturelle Existenz, wird sich weiterhin etwas dazuverdienen müssen. Dies werden die allermeisten Menschen auch bei einem BGE weiterhin tun.

Eine weitere Folge eines BGE wäre, dass Menschen weniger Angst vor Arbeitslosigkeit haben müssten. Statt durch Arbeitslosigkeit in ein bestrafendes System zu rutschen, würden sie die Sicherheit des BGE haben. Dies hätte zur Folge, dass Arbeitnehmer besonders schlechte Arbeitsbedingungen nicht mehr akzeptieren müssten und es daher weniger Arbeitsplätze mit solchen schlechten Bedingungen gäbe. Schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen, die bisher durch die Angstkulisse „Hartz IV“ existieren können, würden sich bessern müssen. Durch die Sicherheit, die das BGE bietet, würden Menschen sich eher trauen, unternehmerisch und kreativ tätig zu werden. Es wird so auch zu einer Steigerung von Unternehmensgründungen führen. Ein BGE macht frei!

Weiterhin fallen immer mehr Arbeitsplätze durch den technischen Fortschritt, Digitalisierung und Automatisierung weg. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren dramatisch beschleunigen (siehe z.B. http://www.spiegel.de/ wirtschaft/soziales/arbeitsmarkt-der-zukunft-die-jobfresser-kommen- a-1105032.html) . Nicht nur manuelle Jobs fallen weg, auch immer mehr anspruchsvolle intellektuelle Aufgaben können durch Computer und die passenden Algorithmen in Zukunft besser erledigt werden. Bisher profitieren davon einseitig Unternehmer, die mehr Gewinne machen und weniger Lohn und Lohnnebenkosten zahlen müssen. Computer und Roboter streiken nicht, werden nie müde und man muss keinerlei Sozialabgaben für sie zahlen. Es stellt sich also die Frage: wollen wir Menschen in Zukunft weiterhin mit Sanktionen drohen und in einen Arbeitsplatz zwingen, den es vielleicht gar nicht mehr gibt, oder wollen wir die Früchte des technischen Fortschritts gerecht auf alle Menschen verteilen? Das BGE ermöglicht Letzteres! Aufgrund dieses Zusammenhangs bin ich der Überzeugung, dass die Einführung einer Besteuerung für nicht-menschliche Arbeit mit der Einführung eines BGE gemeinsam erfolgen sollte und das BGE durch diese zu einem Teil finanziert werden sollte.

Das BGE kann Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II („Hartz IV“), Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter, BAFöG und Kindergeld usw. ersetzen. Kranken-, Pflegeversicherung oder Hilfen für Menschen mit Behinderungen kann und darf das BGE allerdings nicht ersetzen. Kranke, pflegebedürftige und behinderte Menschen brauchen weiterhin die besondere Solidarität der Gesellschaft. Auch darf die Rentenversicherung nicht entfallen, damit durch Arbeit weiterhin Rentenansprüche, die zusätzlich zum BGE gezahlt werden, entstehen.

Das BGE unterstützt die Steuerprogression, da es nicht nur als Grundsicherung sondern auch als Steuerfreibetrag angesehen werden kann. Der im Sozialbereich notwendige bürokratische Apparat kann durch das BGE deutlich vereinfacht und zum Teil komplett entfallen. Dies spart dem Staat Ausgaben, die für die Finanzierung des BGE eingesetzt werden können.

Zur Finanzierung gibt es auch noch zahlreiche weitere Ideen und Ansätze. Festgehalten werden kann, dass bei einem jährlichen Volkseinkommen von 2,1 Billionen Euro (Stand: 2013) ein BGE von 1.000€ für 82 Millionen Menschen, also 0,984 Billionen Euro jährlich, grundsätzlich finanzierbar ist.

Die genaue Ausgestaltung des BGE und wie es am besten eingeführt wird, muss im parlamentarischem Prozess sicherlich einige Jahre lang erarbeitet werden. Die Piratenpartei fordert dazu auf Bundesebene zunächst die Einrichtung einer Enquete-Kommission im Bundestag. Dies forderten wir bereits zur Bundestagswahl 2013 und auch Bündnis 90/Die Grünen taten dies. Allerdings haben sich die Grünen mal wieder beim Wahlversprechen versprochen und sich nicht an ihr eigenes Wahlprogramm gehalten, siehe: https://www.grundeinkommen.de/02/10/2015/pressemitteilung-buendnis-90die-gruenen-schaffen-klarheit-absage-an-enquete-kommission-grundeinkommen.html

Dies zeigt, dass es bei dem Thema weiter Druck durch eine Partei braucht, die tatsächlich vom Thema überzeugt ist und es vorantreiben will. Die Piratenpartei ist diese Partei, denn sie hat als einzige größere deutschte Partei das BGE schon seit vielen Jahren im Grundsatzprogramm stehen und vertritt es offensiv.

Auch wenn das BGE vor allem ein bundespolitisches Thema ist, muss die Debatte darüber in allen Parlamenten weitergeführt und in die Gesellschaft getragen werden. Dies würde ich gerne im Landtag NRW tun!

Viele Grüße,

Stefan Borggraefe