In Deutschland leben über 650000 Menschen die an ME/CFS erkrankt sind. Wie setzen sie sich dafür ein, dass diese kaum erforschte Krankheit mehr Sichtbarkeit erhält und Erkrankten besser geholfen wird?
Sehr geehrte Frau Fischer,
meine Frage kann ich anhand folgender Quelle noch genauer konkretisieren:
https://mecfs-research.org/was-ist-me-cfs/
In dieser Quelle wird auch auf die gesellschaftlichen Folgen und Konsequenzen, dieser derzeit unheilbaren Krankheit aufgeklärt.
Über eine Antwort im Bezug auf ME/CFS Aufklärung, Förderung und Zukunftsaussichten würde ich mich sehr freuen. (Eventuell setzen sie sich auch schon für Betroffene ein, allerdings finde ich dazu im Internet keine Hinweise.)
Sehr geehrter Herr M.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Durch zahlreiche Schreiben von Bürgerinnen und Bürgern sowie durch unseren kontinuierlichen Austausch mit Betroffenenorganisationen sind meine Fraktionskolleg*innen und ich uns der tiefgreifenden Auswirkungen auf das Leben der erkrankten Menschen bewusst. Wir wissen um die schwierige Situation, in der sich sowohl die Betroffenen selbst als auch ihre Angehörigen aufgrund der körperlichen und psychischen Einschränkungen befinden. Der enorme, teils dauerhafte Pflegeaufwand im Alltag stellt eine enorme Belastung dar.
Für uns Bündnisgrüne ist es ein zentrales Anliegen, die Versorgung von Menschen mit ME/CFS sowie von Betroffenen mit Symptomen im Zusammenhang mit Long-Covid, Post-Covid und Post-Vac zu verbessern und die Forschung sowie die Therapieentwicklung voranzutreiben. Obwohl ME/CFS als neurologische Erkrankung bereits seit 1969 anerkannt ist, haben frühere Regierungen dieser Erkrankung und den betroffenen Menschen nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Unsere Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, hat jedoch bereits vor der Covid-19-Pandemie wiederholt die Regierungen dazu aufgefordert, sich intensiv mit dem Thema zu befassen – etwa durch eine Kleine Anfrage am 7. August 2019 (https://dserver.bundestag.de/btd/19/122/1912204.pdf?fbclid=IwAR0wrCUhCpAX8Ilf6k9RfCtPt8CeP2IfkAF67HYDezcb7cMPkjmpzRq6fko )
Während Bündnis 90/Die Grünen in der letzten Legislaturperiode an der Regierung beteiligt waren, haben wir die unzureichende Versorgungslage und die Defizite in der Forschung endlich auf die politische Agenda gesetzt und zahlreiche Maßnahmen eingeleitet. Auch in unserer jetzigen Rolle als Oppositionspartei haben wir Fortschritte erzielt:
• Im aktuellen Haushalt sind 15 Millionen Euro für 2025 vorgesehen. Auch wenn dies zunächst nach einer kleinen Summe klingt, handelt es sich hierbei um mehrjährige Projektförderungen, deren Höhe in den kommenden Jahren noch steigen wird, sobald die Fördergelder vom Bundesministerium für Gesundheit bewilligt sind. Die genaue Verfügbarkeit und Steigerung in den kommenden Jahren hängt von den Haushaltsverhandlungen für 2026 ab, die bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein sollten.
• Im Haushaltsverfahren der Ampelregierung wurden mehr als 200 Millionen Euro für die Long-Covid-Forschung bereitgestellt. Diese Mittel stammen aus dem Etat des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums für Forschung und Bildung sowie aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses. Sie werden über mehrere Jahre verteilt und dienen nicht nur der Finanzierung neuer Forschungsprojekte, sondern auch der Fortführung bereits laufender Initiativen. So wird beispielsweise die klinische Studie an der Charité Berlin fortgesetzt, die die Wirksamkeit von vier bereits bekannten Medikamenten bei der Behandlung von Long-Covid und ME/CFS untersucht.
• Ein weiterer Schwerpunkt für uns Bündnisgrüne ist die Verbesserung der Versorgungdurch spezialisierte Ambulanzen. Bereits im Rahmen des Krankenhausentlastungsgesetzes vom 20. Dezember 2022 haben wir den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragt, bis Ende 2023 eine Richtlinie für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid sowie von Krankheitsbildern mit starken Erschöpfungszuständen wie ME/CFS zu erarbeiten. Diese neue Richtlinie wurde am 08.05.2024 veröffentlicht und soll sicherstellen, dass Versicherte zeitnah Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot haben.
• Außerdem wurde eine Telefonhotline für Betroffene eingerichtet, um diesen einen ersten Anlaufpunkt zu bieten und sie über bereits bestehende Versorgungsangebote zu informieren. Darüber hinaus gibt es auf der Webseite des Bundesministeriums für Gesundheit (https://www.bmg-longcovid.de/service) aktuelle Informationen zu Long-Covid, Post-Covid und ME/CFS sowie eine Liste von Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Die Seite bietet auch mehrsprachige Informationen und telefonische Beratung für Betroffene und Ärztinnen/Ärzte.
• Ich möchte auch noch mal daran erinnern, dass wir maßgeblich an Einrichtung des Runden Tisches im Herbst 2023 mitgewirkt haben. In regelmäßigen Treffen arbeiten Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft, von Betroffenenorganisationen, der Ärzteschaft, den Krankenkassen sowie aus der Politik intensiv an den Themen Long-Covid, Post-Covid, Post-Vac und ME/CFS und suchen nach Lösungen zur Verbesserung der Versorgung. Ein konkretes Ergebnis dieses Runden Tisches ist, dass das Bundesministerium für Gesundheit das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) damit beauftragt hat, eine Liste von Arzneimitteln zu erstellen, die im Off-Label-Use bei Long-Covid-Patient*innen verordnet werden können. Diese Liste dient als Empfehlung an den Gemeinsamen Bundesausschuss, der Ausnahmen definieren kann, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Off-Label-Use-Medikamente übernehmen.
All diese Maßnahmen sind entscheidend, auch wenn ihre Wirkung erst mit der Zeit spürbar wird. Als Abgeordnete können wir keine Curricula für Fortbildungen von Medizinerinnen und Medizinern festlegen oder spezielle Schwerpunktarztpraxen einrichten. Unsere Handlungsmöglichkeiten liegen vor allem darin, politische Stellschrauben zu drehen – sei es durch Gesetzesvorhaben, Haushaltsberatungen oder durch unsere Öffentlichkeitsarbeit – um Änderungen im Gesundheitssystem voranzutreiben, die eine bessere Beratung und Behandlung der Betroffenen ermöglichen.
Mit freundlichen Grüßen
Simone Fischer

