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Frage von Tom B. •

Frage an Sigmar Gabriel von Tom B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Gabriel,

meine Frage bezieht sich auf die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der SPD seit der rot-grünen Regierungszeit und erfordert eine kurze Vorrede

Ziel und Effekt der Agenda 2010 war die Spreizung von Löhnen und Einkommen, wie es im Ziel der Schaffung eines Niedriglohnsektors auch indirekt formuliert ist, mit der Hoffnung, diese Spreizung werde das Problem der Massenarbeitslosigkeit lösen. Seit 2005 hat sich das Arbeitsvolumen bis 2012 um ca. 2.500 Mio Stunden (stat. Bundesamt) erhöht, was großzügig geschätzt 1,4 Mio Vollzeitstellen entspricht. Hier ist jedoch wiederum nicht klar, ob dieser Zuwachs nicht auch den Krisenpolitik von 2009 und dem ausufernden Exportüberschuss geschuldet ist.

Bei noch immer ca. 3 Mio Arbeitslosen und einer weit größeren Unterbeschäftigung von über 4 Mio. Menschen hat sich das Problem der Massenarbeitslosigkeit durch Agenda 2010 und die nachfolgende Wirtschaftspolitik bei weitem nicht beheben, geschweige denn die Schaffung guter Arbeit bewerkstelligen lassen. Gleichwohl wurde aber die Spaltung der Gesellschaft bis an die Grenzen des Erträglichen vorangetrieben.

Die Schröder-Administration und nachfolgende Regierungen folgten in ihrer Wirtschaftspolitik der angebotsorientierten, neoklassischen Ökonomie bzw. dem umgangssprachlich meist negativ als „Neoliberalismus“ bezeichneten Paradigma.

Zur Frage: Wird die SPD auch zukünftig dieser wirtschaftspolitischen Schule folgen oder alternative Ansätze verfolgen? Wie schätzen Sie in Anbetracht der Krise und der Verelendung Südeuropas die Erfolge der aktuell vorherrschenden ökonomischen Schule und der umgesetzten Wirtschaftspolitik ein? Sehen Sie die gegenwärtig vorherrschende Lehre in ihren Wirkungen noch den Menschen dienlich und Wohlstand und Gerechtigkeit schaffend?

Und noch eine spezifischere Frage: Berücksichtigt die SPD das jährlich herausgegebe Memorandum der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik?

mit freundlichen Grüßen,
Tom Berthold, Dresden

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Berthold,

besten Dank für Ihre Fragen.

Praktische Politik folgt nicht ganz und „rein“ einer wirtschaftspolitischen Schule. Wirtschaftspolitische Vorstellungen und Forderungen von Parteien sind deshalb nie direkt einer einzigen Theorierichtung zuzuordnen.

Für uns ist schon lange klar und spätestens nochmals durch die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 bestätigt, dass eine neoliberale Wirtschaftspolitik ein Irrweg ist. Auch Gerhard Schröder war und ist kein Neoliberaler. Sicher, die einen oder anderen Deregulierungen haben stattgefunden. Das ging unter gewissen Umständen oft auch gar nicht anders. Oft bringt ein Mix vieler Ansätze den Erfolg. Die sogenannte Agenda 2010 war kein Deregulierungsprogramm. Alle Wirtschaftspolitikerinnen und -politiker der SPD haben nie die Soziale Marktwirtschaft als zentrale Handlungslinie unserer Wirtschaftspolitik verlassen.

Das Zeitalter des Marktradikalismus ist zu Ende. Märkte brauchen Regeln, um Gemeinwohl zu erreichen und Demokratie nicht zu gefährden. In unserem Regierungsprogramm 2013 haben wir das nochmals unterstrichen. Unser oberstes Ziel ist ein neues soziales Gleichgewicht in unserem Land, aber auch in Europa. Dazu wollen wir die Soziale Marktwirtschaft neu begründen und ein soziales Europa schaffen.
Dabei haben wir uns auch von "alternativen" Wirtschaftswissenschaftlern beraten lassen - wir folgen selbstverständlich nicht der wohl immer noch vorherrschenden angebotsorientierten Wirtschaftslehre. Und selbstverständlich nehmen wir das "Memorandum der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik" zur Kenntnis und gewinnen hieraus wertvolle Anregungen für unsere Arbeit.

Wie wir uns das im Einzelnen vorstellen, ist in unserem Regierungsprogramm enthalten. Ich empfehle Ihnen einen Blick auf das Programm, z.B. unter http://www.spd.de/95466/regierungsprogramm_2013_2017.html . Sie finden dort viele Antworten auf Ihre Fragen.

Alle Modelle alternativer Wirtschaftspolitik schauen wir uns genau an, denn in der Tat: Wir brauchen Alternativen auch in der Wirtschaftspolitik. Wie intensiv wir uns damit beschäftigen und beschäftigt haben, zeigt unsere Mitarbeit in der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" des Deutschen Bundestages. Die Diskussionen und Ergebnisse finden Sie hier: http://www.bundestag.de/bundestag/gremien/enquete/wachstum/

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel