Portrait von Sabine Poschmann
Sabine Poschmann
SPD
100 %
21 / 21 Fragen beantwortet
Frage von Bernhard B. •

Frage an Sabine Poschmann von Bernhard B.

Sehr geehrte Frau Poschmann,

Ich danke Ihnen für Ihre Antwort. Erlauben Sie mir einige Anmerkungen und klärende Nachfragen.
Stark in Zweifel ziehen möchte ich Ihre Aussage, dass im EU-Vorschlag zu den Verhandlungen in TTIP vom November 2015 “ausländischen Investoren…keine weitergehenden Rechte als inländische” genießen. Mein Zweifel an der Stichhaltigkeit der Aussage beruht u.a. darauf,
- dass ausländischen Investoren Klagerechte vor dem internationalen Schiedsgericht eingeräumt werden, anderen Parteien (z.B. inländischen Unternehmen) jedoch nicht
- die rechtlichen Grundlagen, auf die sich Klagen stützen können, über das Gebot der Inländergleichbehandlung hinausgehen und für Auslandsinvestitionen zusätzliche Schutzstandards einführen, wie z.B. faire und gerechte Behandlung, indirekte Enteignung.

Ich begrüße Ihr Bekenntnis zu rechtsstaatlichen Grundsätzen in Schiedsverfahren, lese allerdings aus Ihrer Antwort heraus, dass Sie die Geltung der Grundsätze auf das Verfahrensrecht beschränken wollen und den Bereich der materiellen Rechtsnormen ausklammern. Hierzu meine Frage:
Welche Gründe rechtfertigen Ihrer Ansicht nach die Ungleichbehandlung von ausländischen und inländischen Investoren bezüglich des Zugangs zum Klageweg sowie der zu Grunde gelegten Schutznormen?

Gestatten noch eine Nachfrage zu Ihrer Bemerkung, dass die “Vertragspartner …. durch TTIP nicht daran gehindert (werden), Maßnahmen zu erlassen, die legitimen Allgemeinwohlzielen dienen”.
Die Aussage ist sicher zutreffend, geht aber am Kern der Sache vorbei: Klagen vor internationalen Schiedsgerichten beziehen sich i.d.R.nicht auf das Verbot oder die Rücknahme staatlicher Maßnahmen, sondern auf Schadensersatzforderungen. Deshalb meine Frage:
Warum finden Sie den Umstand, dass Klagen vor internationalen Schiedsgerichten sich nicht nur auf getätigte Investitionen beziehen können, sondern auch auf entgangene kalkulierte Gewinne, nicht kritikwürdig?

Mit freundlichem Gruß
Bernhard Bielick

Portrait von Sabine Poschmann
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bielick,

vielen Dank für Ihre Nachfrage vom 22. Januar 2016.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass das Kapitel zum Investitionsschutz zwischen den USA und der EU noch nicht ausverhandelt ist. Meine Antworten beziehen sich somit auf den Entwurf der EU-Kommission.

Grundsätzlich kann staatliches Handeln, alle Investitionen – egal ob inländisch oder ausländisch – beeinflussen. Der Staat hat die Möglichkeit, den Marktzugang für Unternehmen zu regulieren. Mit seinem Machtmonopol kann der Staat Investoren über entsprechende Gesetze und Vorschriften, diskriminieren oder enteignen. Das im Entwurf beschriebene Schiedsgericht soll garantieren, dass sich ausländische Investoren gegen staatliche Diskriminierung wehren können. Ein Investor kann dies im Falle einer ungerechten Behandlung durch einen Staates anrufen. Im Schiedsverfahren wird überprüft, ob die Grundsätze des Investitionsschutzes eingehalten wurden. Sie verbieten:

· die Diskriminierung ausländischer Investoren;

· die Enteignung von Auslandsinvestitionen ohne Entschädigung;

· die Rechtsverweigerung für ausländische Investoren an inländischen Gerichten;

· eine diskriminierende oder willkürliche Behandlung von EU- und US‑Investoren im Hoheitsgebiet der jeweils anderen Seite.

Die Schutzstandards definieren zum einen, in welchen Fällen der Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung als nicht eingehalten betrachtet werden soll. Dies ist beispielsweise der Fall bei:

· offenkundiger Willkür;

· Rechtsverweigerung in straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren;

· gezielter Diskriminierung aus offenkundig ungerechtfertigten Gründen wie Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit oder religiöser Glaube;

· Schikane, Zwang, Machtmissbrauch oder ähnliches bösartiges Verhalten.

Inländische Unternehmen sind aufgrund europäischen und nationalen Rechts vor Benachteiligungen geschützt. Es steht den Unternehmern frei, den Rechtsweg zu nutzen, wenn es nötig sein sollte.

Wenn ein Staat seine Gesetze jedoch so ändert, dass ausländische Unternehmen gegenüber inländischen diskriminiert werden, bleibt hingegen nur der Weg zu einem internationalen Schiedsgericht. Die Schutzstandards greifen auf beiden Seiten des Atlantiks. Damit erhalten Unternehmen in Europa und den USA die gleichen Möglichkeiten, das Schiedsgericht zu nutzen. Sie werden gleich behandelt.

Gleichzeitig betont der Kommissionsvorschlag ausdrücklich das staatliche Regulierungsrecht. So sind Enteignungen vom Investitionsschutz ausgenommen, wenn sie in einem rechtsstaatlichen Verfahren und im öffentlichen Interesse durchgeführt werden, den ausländischen Investor nicht diskriminieren und wenn schnell eine angemessene Entschädigung erfolgt. Eine indirekte Enteignung liegt vor, wenn dem Investor durch politische Maßnahmen grundlegende Eigentümereigenschaften weitgehend entzogen werden. Auch hiergegen kann vorgegangen werden.

Der Kommissionsentwurf ist in Bezug auf Schadensersatzforderungen deutlich. Er besagt, dass die Höhe der Kompensation bei einer Enteignung dem Marktwert der Investition zum Zeitpunkt der Enteignung bzw. dem Bekanntwerden der Enteignung entsprechen soll. Hinzu kommen die marktüblichen Zinsen vom Zeitpunkt der Enteignung bis zum Zeitpunkt der Kompensationszahlung. Die von Ihnen angesprochene Problematik von Entschädigungen für kalkulierte Gewinne, stellt sich daher nicht pauschal. Ein Investor kann jedoch klagen, wenn zugesagte Voraussetzungen für eine Investition und damit verbundene Erfolgsaussichten nicht realisierbar sind. Der Klagegrund ist in diesem Fall die Täuschung des Klägers in Bezug auf die Ertragsmöglichkeiten einer Investition.

Ich hoffe, meine Ausführungen konnten Ihre Fragen beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Poschmann

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Sabine Poschmann
Sabine Poschmann
SPD