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Ruprecht Polenz
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Ruprecht Polenz von Gerhard R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Polenz,

bitte stellen Sie sich folgende Nachricht vor:

Amerikanische Bomben auf Hamburg

Mit Billigung der Bundesrepublik Deutschland bombardierten die Amerikaner einen Stadtteil von Hamburg, in dem sich Terroristen verstecken. Dabei wurden 7 Männer, 8 Frauen und 9 Kinder getötet.
Die Aktion wird damit begründet, daß weitere schwere Terrorangriffe auf Europa und die USA anders nicht verhindert werden können.

Da Sie eine Vergleichbarkeit mit den Bombenangriffen auf afghanische Dörfer vermutlich bestreiten werden, frage ich Sie:

Haben Dorfbewohner/innen in Afghanistan keinen oder einen geringeren Anspruch auf Leben und körperliche Unversehrtheit?
Rechtfertigt der militärische Nutzen, daß die Taliban einen weiteren Zulauf erhalten und ein Haß erzeugt wird, der auch vielen deutschen Soldaten und Zivilisten das Leben kosten wird?

Angehörige der Bundesregierung und der CDU sprechen oft von christlichen Werten und meinen damit u.a. Nächstenliebe. Vor diesem Hintergrund fordere ich:

Die Bundesregierung soll einen weiteren deutschen Einsatz in Aghanistan davon abhängig machen, daß die Bombenangriffe auf afghanische Dörfer aufhören.

Werden Sie sich für diese Forderung einsetzen?

Trifft es zu, daß die beiden großen christlichen Kirchen bei diesem Thema schweigen und so dokumentieren, daß Gewalt durch Christen auch ein Problem der Gegenwart ist?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Reth,

vielen Dank für Ihre Mail. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Afghanistan und Deutschland im Hinblick auf Ihr Beispiel besteht in der Tat darin, dass Deutschland selbst in der Lage wäre, gegen in Hamburg versteckte Terroristen vorzugehen und zu verhindern, dass diese entweder in Deutschland oder anderswo Schaden anrichten können. Und natürlich würden die Sicherheitskräfte bei ihrem Vorgehen Recht und Gesetz beachten, d.h. alles tun, damit unbeteiligte Dritte nicht mehr als unvermeidlich gefährdet werden.

Ein wesentliches Ziel des deutschen und internationalen Einsatzes in und für Afghanistan ist es, dem afghanischen Staat dabei zu helfen, dass er seine Bürgerinnen und Bürger in vergleichbarer Weise vor Terrorismus und Gewalt schützen kann.

Selbstverständlich muss auch in Afghanistan alles getan werden, um beim Kampf gegen den Terrorismus und gegen die Taliban unschuldige Opfer zu vermeiden. Und selbstverständlich haben Afghaninnen und Afghanen wie wir einen Anspruch auf Leben und körperliche Unversehrtheit, denn das ist ein Menschenrecht.

Der Anspruch von Afghanen auf Leben und körperliche Unversehrtheit wurde allerdings von den Taliban während ihrer Schreckensherrschaft mit Füßen getreten und wird auch jetzt von ihnen beim Kampf gegen die demokratisch gewählte afghanische Regierung und die durch Mandate der Vereinten Nationen legitimierten ausländischen Streitkräfte bewusst verletzt:
durch Selbstmordanschläge auf dicht belebten Marktplätzen, Attentate auf Lehrerinnen, Ärzte, Krankenschwestern, Entwicklungshelfer.

Taliban tragen bei ihrem Kampf keine Uniformen. Sie verstecken sich - oft gegen den Willen der Bewohner - in Häusern zwischen Familien, Frauen und Kindern, um bei militärischen Maßnahmen gegen sie zivile Opfer geradezu zu provozieren. Die Taliban wissen, dass jedes unschuldige Opfer, das von Soldaten der ISAF- oder OEF-Truppen versehentlich getroffen wird, einen Keil treibt zwischen die afghanische Bevölkerung und die ausländischen Soldaten.

Es gibt also (mindestens) zwei Gründe, alles zu tun, um unschuldige zivile Opfer zu vermeiden:
1. Das Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
2. Zivile Opfer gefährden die notwendige Unterstützung von ISAF und OEF durch die afghanische Bevölkerung.

Mit Ihnen, sehr geehrter Herr Reth, bin ich der Meinung, dass die Gefahr ziviler Opfer bei Bombenangriffen besonders groß ist. Militärs sagen, wenn sie mehr Bodentruppen hätten, könnte mancher Bombenangriff vermieden werden, und beschreiben damit ein Dilemma der internationalen Gemeinschaft. Denn die Bereitschaft und Fähigkeit, mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken, ist begrenzt.

Es hat, nicht zuletzt aus den dargelegten Gründen, Änderungen in der militärischen Vorgehensweise gegeben, die der Vermeidung ziviler Opfer einen höheren Stellenwert beimisst. Sie dürfen versichert sein, dass ich mich politisch für eine weitere Verstärkung dieser Strategie einsetze.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Ruprecht Polenz

PS: Über all den Ausführungen zum Militärischen sollten wir nicht vergessen, dass die Hauptsache der zivile Aufbau Afghanistans ist, der allerdings ohne militärischen Schutz auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird.