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Renate Künast
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Frage von Jan B. •

Frage an Renate Künast von Jan B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ich bin Vater eines dreijährigen Sohnes, wohnhaft in Berlin-Tempelhof, und habe seit der Trennung von meiner Frau mittlerweile ein Umgangsrecht mit einer zeitlichen Aufteilung von ca. 30:70 "erarbeitet". Trotz intensiver Bemühungen und dem Interesse meines Sohnes sowie der sehr guten Bindung zwischen Vater und Sohn, ist es im deutschen Familienrecht praktisch unmöglich gegen den Willen der Mutter eine darüber hinausgehenden Umgang zu realisieren. Im August 2019 war beabsichtigt, dass mein Sohn die ortsnahe Kindertagesstätte in Tempelhof besucht. Da die Mutter allerdings beabsichtigte mit ihrem Lebensgefährten zusammen zuziehen, besuchte er nie die Kindertagesstätte in Tempelhof, sondern wurde ohne meine Zustimmung in der Kindertagesstätte des Deutschen Bundestags angemeldet, in der der Lebensgefährte der Mutter meines Sohnes arbeitet. Dieser Lebensgefährte unterschrieb gesetzwidrig als Sorgeberechtigter einen Betreuungsvertrag für die Kindertagesstätte des Deutschen Bundestags, in der mein Sohn fortan gegen meinen Willen betreut wurde. In der Folge wurde durch das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg entschieden, dass mein Sohn weiterhin die Kindertagesstätte des Deutschen Bundestags besucht, da eine Umgewöhnung in eine andere Kindertagesstätte nicht dem Kindeswohl entsprochen hätte. In der Vergangenheit ist durch einen häufig vereitelten Umgang eine enorme Belastung entstanden. Und an dieser Stelle sei auch erwähnt, dass durch die für die zahlreichen Gerichtsverfahren notwendigen finanziellen Mittel und der geforderten Kindesunterhalt die Lebensbedingungen für einen Vater, der seinem Sohn angemessen betreuen und ein Kinderzimmer in einer Wohnung in Tempelhof zur Verfügung stellen möchte, erschwert sind. Ich würde gerne wissen, welche Ziele Sie hinsichtlich einer gerechten Gesellschaft mit Blick auf Trennungsfamilien verfolgen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr B.,

naturgemäß ist es uns nicht möglich ihren geschilderten Fall rechtlich oder sachlich zu bewerten. Eine solche Bewertung kann nur ein*e spezialisierte*r Rechtsanwalt*in vornehmen.

Klar ist, dass grundsätzlich ein gleichberechtigter Umgang zwischen den Elternteilen erstrebenswert ist. Bei der Gestaltung der Umgangszeiten haben allerdings die Bedürfnisse und Ansprüche des Kindes bzw. der Kinder bei individueller Betrachtung Vorrang. Dabei gibt es nicht immer eine Lösung für Alle. Deswegen setzen wir uns für ein qualifiziertes Unterstützungs- und Beratungsangebot für Eltern ein, um eine gute Kommunikation und Kooperation zwischen den Eltern und eine eine partnerschaftliche Aufteilung der Erziehungsaufgabe zu ermöglichen.

Gerade Beratungstermine beim Jugendamt, einer Erziehungsberatungsstelle oder einem qualifizierten freien Träger muss es ohne lange Wartezeiten geben, damit sich die Fronten der Eltern bei einer Trennung nicht immer weiter verhärten.

Wir wollen kein Modell gesetzlich privilegieren, sondern alle gleichermaßen ermöglichen. Dafür müssen rechtliche Hürden, die z.B. dem Wechselmodell im Wege stehen identifiziert und abgebaut werden, etwa im Unterhaltsrecht oder durch einen Umgangsmehrbedarf im Sozialrecht.

Gleichzeitig müssen wir Familienrichter*innen und Sachverständige besser ausbilden. Um den Umgangs- und Sorgestreitigkeiten gerecht zu werden, fordern wir die verbindliche rechtliche Festschreibung von Qualifikationsstandards. Gutachter*Innen sollen bei familiengerichtlichen Verfahren eine (sozial-) pädagogische Berufsqualifikation oder entsprechende Zusatzqualifikation haben, um der hohen Verantwortung gerecht zu werden. Dass Insolvenzrichter*innen strengere Vorgaben für das Vorhandensein von Fachkenntnissen vorweisen müssen als Familienrichter*innen ist nicht nachvollziehbar.

Freundliche Grüße

Team Renate Künast

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