Ralf Kapschack
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SPD
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Frage von Oskar K. •

Frage an Ralf Kapschack von Oskar K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kapschack,

in der endgültigen Fassung des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD ist auf Seite 184 folgender Passus zu finden:

"Kooperation der Fraktionen

Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.
Über das Verfahren und die Arbeit im Parlament wird Einvernehmen zwischen den
Koalitionsfraktionen hergestellt. Anträge, Gesetzes initiativen und Anfragen auf Fraktionsebene werden gemeinsam oder, im Ausnahmefall, im gegenseitigen Einvernehmen eingebracht. Die Koalitionsfraktionen werden darüber eine Vereinbarung treffen. "

Wie lässt sich diese Vereinbarung aus Ihrer Sicht mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz "[Die Abgeordneten] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." vereinbaren?

Aus meiner Sicht wird hier der Bruch dieses Grundsatzes unseres Parlamentes vertraglich festgeschrieben.

Freundliche Grüße,
Oskar Kurz

Ralf Kapschack
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kurz,

vielen Dank für Ihre Frage.
Die von Ihnen zitierte Passage des Koalitionsvertrages ist im parlamentarischen Betrieb kein Novum. Inhaltlich ähnliche Ausführungen lassen sich in fast allen Koalitionsverträgen in Deutschland finden. Das macht die Sache auf den ersten Blick zwar nicht besser, aber es veranschaulicht doch einen wichtigen Punkt: Für das politische Fortkommen ist Zusammenarbeit unabdingbar.
Ohne eine Fraktion im Rücken sind die Einflussmöglichkeiten eines Abgeordneten recht begrenzt. Als politischer Einzelkämpfer lassen sich im Grunde keine Ziele durchsetzen, daher lässt der Gesetzgeber den Zusammenschluss von Abgeordneten zu Fraktionen zu (AbgG §45 -48). In sämtlichen Fraktionen in den Parlamenten der BRD gibt es bei Fragen, welche nicht als Gewissensfragen (z.B. Truppenentsendung, ethische Fragen, etc.) definiert sind, in aller Regel einen Fraktionszwang. In Fachfragen stimmt man daher meistens der Expertenmeinung der FachpolitikerInnen zu. Somit herrscht in vielen Fällen großer Konsens in den Fraktionen. Der sogenannte Fraktionszwang ist in Deutschland und in fast allen anderen Ländern übrigens älter als das freie und gleiche Wahlrecht. Ebenso auf der S.184 des Koalitionsvertrags finden Sie die Festlegung zur Kooperation der Parteien. Dort wird definiert, wie die Konsensherstellung zwischen den drei Vertragspartnern geschehen soll. Erst wenn dieser Schritt erfolgt ist, findet der von Ihnen zitierte Part seine Anwendung.
Gewissensfragen wie Krieg oder Frieden bleiben von dieser Passage ausgenommen. Kein Abgeordneter ist gezwungen gegen sein Gewissen zu stimmen, daran ändert auch der Koalitionsvertrag nichts. Daher kann von einem vertraglich vereinbarten Gesetzesbruch nicht die Rede sein. Für mich persönlich kann ich Ihnen versichern, dass ich bei ethischen Grundsatzentscheidungen nur meinem Gewissen verantwortlich bin und auch so abstimmen werde. Ich hoffe, dass Sie meine Arbeit als Abgeordneter weiter so kritisch begleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Kapschack