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Norbert Barthle
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Frage von Philip K. •

Frage an Norbert Barthle von Philip K. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Barthle,

die Bundesrepublik unterzeichnete zwar bereits 1999 ein Strafrechtsübereinkommen des Europarats und 2003 die Uno-Konvention gegen Korruption, um die Bestechung von Abgeordneten schärfer zu bestrafen - geschehen ist seitdem aber nichts. So bleibt in Deutschland nur strafbar, wenn Parlamentarier sich für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten bezahlen lassen. Wer aber Geld annimmt, um im Gegenzug einen Änderungsantrag einzubringen, kommt nach wie vor straffrei davon.

Rund 165 Staaten haben die Uno-Konvention bereits ratifiziert - neben Deutschland gehören zu den Ländern, die das Abkommen noch nicht umgesetzt haben, unter anderem Syrien und Nordkorea.

Warum haben Sie am 27.06.2013 schärfere Regeln gegen Abgeordnetenbestechung mit Ihrer Stimme verhindert und nicht zugestimmt?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Köngeter,

vielen Dank für Ihre Frage.

Kurz beantwortet könnte man sagen: Das VN-Übereinkommen vergleicht Äpfel mit Birnen und wird der Verfassungswirklichkeit in Deutschland nicht gerecht; deshalb konnte ich nicht zustimmen.

Etwas ausführlicher:
Die von Ihnen genannten Übereinkommen setzen Amtsträger (Beamtinnen und Beamten) mit Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern gleich. Das wird den Besonderheiten der verfassungsrechtlichen und der tatsächlichen Stellung der Abgeordneten in keiner Weise gerecht. Die Tätigkeit von Abgeordneten ist mit derjenigen von Amtsträgern nicht vergleichbar, denn im Gegensatz zum - gesetzesgebundenen oder ermessensgeleiteten - Handeln der Exekutive treten Mandatsträger zuweilen als Vertreter bestimmter Interessen auf und sind darin unabhängig.

Die deutsche Rechtstradition unterscheidet bewusst zwischen Mandatsträgern in Parlamenten einerseits und Amtsträgerinnen und Amtsträgern andererseits. Aufgrund der strukturellen Unterschiede wäre eine Gleichbehandlung beider Gruppen (auch im Bereich der Korruption) sachwidrig. In seiner Entscheidung über die Strafbarkeit von Angehörigen kommunaler Vertretungen vom 9. Mai 2006 hat der Bundesgerichtshof beispielsweise darauf hingewiesen, dass bei Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung die Entscheidungstragenden grundsätzlich ersetzbar sind und dass ihre Entscheidungsbefugnis regelmäßig in der Verwaltungshierarchie auf eine andere Person übertragen oder von höherrangiger Stelle an sich gezogen werden kann. Das Amt ist also nicht personengebunden; die amtstragende Person ist aber weisungsgebunden!

Im Gegensatz dazu treffen Abgeordnete aufgrund ihres freien Mandats im Plenum der Volksvertretung eine in diesem Sinn „unvertretbare“ Entscheidung. Dieses Amt ist personengebunden, die Stimmabgabe kann nicht auf eine Vertretungsperson übertragen werden; die Entscheidungsbefugnis liegt allein bei mir, bei jeder und jedem meiner Kolleginnen und Kollegen. Gerade wegen der Unvertretbarkeit der Entscheidung bei der Wahl oder Abstimmung in einer Volksvertretung spielen aber auch legitime Partikularinteressen, für deren Wahrnehmung die Abgeordneten in die Volksvertretung gewählt wurden, eine wesentliche Rolle.

Bei zahlreichen Abgeordneten ist die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe von wesentlicher Bedeutung für ihre Aufstellung als Kandidat, zahlreiche Kollegen haben z.B. "Gewerkschaftssekretär" als Berufsbezeichnung. Von den Abgeordneten erwarten diese gesellschaftlichen Gruppen dementsprechend, dass sie sich für Ihre Belange einsetzen. Die Tätigkeit der Abgeordneten reicht über das eigentliche parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen, wo scharf abgrenzbare Verhaltensvorschriften fehlen. Auch ich bin "parteiisch" - wenn es z.B. um meinen Wahlkreis geht. Vor die Wahl gestellt, eine neue Umgehungsstraße in meinem Wahlkreis zu bauen oder woanders, entscheide ich mich natürlich immer für den Wahlkreis.

Leider ist es bisher nicht gelungen, einen verfassungskonformen, auf die tatsächlich verwerflichen Handlungen von Abgeordneten beschränkten, Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Dieser muss aber erst erarbeitet werden, bevor die Ratifizierung des VN-Abkommens, zu der wir durch die Unterzeichung desselben durch die rot-grüne Bundesregierung verpflichtet sind, erfolgen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass in Deutschland die Korruptionsbekämpfung nicht vorbildlich wäre! Im Gegenteil bin ich davon überzeugt, dass die geltenen Rechtsvorschriften die Korruption von Abgeordneten erfolgreich unterbinden und dass das deutsche Rechtssystem in diesem Sinne auch denjenigen Systemen einiger Staaten überlegen ist, welche die VN-Konvention bereits ratifiziert haben.

Ein Beweis für diese These ist, daß die Diskussion in der Regel sehr abstrakt aufgrund des VN-Abkommens geführt wird, nicht aber deshalb, weil das konkrete, verwerfliche Verhalten eines Abgeordneten dazu Anlass geboten hätte.

Mit freundlichen Grüßen in den Nachbarwahlkreis

Ihr Norbert Barthle