Wie stehen sie zur neuen Genehmigungsfiktion der LBO BW?
Sehr geehrter Herr Nüssle,
Nach der neuen LBO Baden-Württemberg findet die Genehmigungsfiktion des Paragraphen 42a LVwVfG auch Anwendung auf die Erteilung von Baugenehmigungen. Dies mag auf den ersten Blick wie eine Bürgerfreundliche Regelung erscheinen, jedoch eröffnet diese Regelung der Errichtung von baurechtswidrigen Bauten, welche niemals eine Baugenehmigung erhalten hätten, Tür und Tor, Falls die Behörde nicht rechtzeitig bearbeitet.
Warum wird zu dieser Regelung gegriffen? Stehen dem Bauherr mit der Untätigkeitsklage und etwaigen Maßnahmen gegen eine faktische Zurückstellung nicht schon genug Mittel zur Verfügung, um gegen eine untätige Baurechtsbehörde tätig zu werden?
Ich sehe hier große Probleme in der Zukunft

Sehr geehrter Herr B.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht und die kritische Einschätzung zur neu eingeführten Genehmigungsfiktion in der Landesbauordnung Baden-Württemberg.
Ihr Hinweis, dass baurechtliche Verfahren gründlich und unter Beachtung aller geltenden Vorschriften erfolgen müssen, ist aus meiner Sicht zentral – nicht zuletzt, um Umwelt- und Klimaschutz, den Schutz von Anwohner*innen sowie eine qualitätsvolle Stadt- und Ortsentwicklung zu gewährleisten.
Die Gesetzesänderung greift das Problem auf, dass Bauanträge in der Praxis häufig über lange Zeiträume unbearbeitet bleiben. Das kann zu Unsicherheit bei Bauherrinnen und Bauherren führen und notwendige Investitionen – etwa im Wohnungsbau – verzögern. Mit der Anknüpfung an § 42a LVwVfG wird eine klare Frist gesetzt: Liegt der Behörde ein vollständiger und fehlerfreier Antrag vor und erfolgt innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Zeit keine Entscheidung, gilt dieser als genehmigt. Damit soll weniger ein „Freibrief“ für unzulässige Vorhaben erteilt werden, sondern vor allem ein verbindlicher Anreiz geschaffen werden, die Bearbeitung fristgerecht abzuschließen.
Wichtig ist: Auch bei Eintritt der Genehmigungsfiktion müssen sämtliche baurechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Anforderungen eingehalten werden – vom Natur- und Artenschutz über das Wasser- und Immissionsschutzrecht bis hin zu Brandschutzvorgaben und kommunalen Gestaltungssatzungen. Die Verantwortung dafür liegt weiterhin bei den Bauherrinnen und Bauherren.
Zu Ihrer Frage nach der Untätigkeitsklage: Diese bleibt selbstverständlich möglich. Allerdings ist sie mit Zeitaufwand, Kosten und rechtlicher Unsicherheit verbunden. Die Genehmigungsfiktion verfolgt demgegenüber den Ansatz, Verzögerungen präventiv zu vermeiden, statt sie erst nachträglich gerichtlich klären zu müssen.
Ich sehe darin vor allem eine Chance, Verwaltungsverfahren zu straffen, Planungssicherheit zu erhöhen und Projekte schneller auf den Weg zu bringen – gerade dort, wo dringend neuer Wohnraum oder Infrastruktur gebraucht wird. Gleichzeitig werden die Kommunen angeregt, ihre internen Abläufe zu optimieren, um die vorgegebenen Fristen zuverlässig einhalten zu können.
Ihre kritischen Anmerkungen sind selbstverständlich ein wichtiger Beitrag zu dieser Debatte. Sehr gerne nehme ich solche Rückmeldungen auf, um die Balance zwischen zügigen Verfahren und strenger Rechtskontrolle dauerhaft sicherzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
Niklas Nüssle MdL