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Frage von Georg W. •

Frage an Niema Movassat von Georg W. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo Herr Movassat,

Kurz und knackig;):
sind Sie ein Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens?

Grüsse

Georg Weisfeld

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Weisfeld,

vielen Dank für ihre Frage! Ich versuche sie möglichst prägnant zu beantworten:

Ich bin kein Befürworter, sondern ein Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE).

Ich möchte Ihnen das gerne begründen. Das BGE-Modell einiger Linker sieht vor, dass alle Menschen bis zum Alter von 16 Jahren 505 Euro und alle über 16 Jahren 1010 Euro Grundeinkommen beziehen. Niemand soll von diesem Grundeinkommen ausgenommen werden - auch Reiche nicht. Finanziert werden soll diese Leistung durch Steuern von Menschen mit einem Einkommen über 6000 Euro. Darüber hinaus soll es neben Zuschüssen für Personengruppen mit besonderem Mehrbedarf Wohngeldzuschüsse geben, um große Unterschiede bei Warmmieten zu kompensieren. Insgesamt bewegt sich das BGE damit an der Einkommensgrenze, die Sozialverbände als Existenzminimum ansehen. Soweit das Konzept des BGE.

Mir ist bewusst, dass die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) natürlich für viele Menschen vermeintlich einen Weg aus ihrer prekären sozialen Lage aufzeigt. Besonders bei den von den Jobcentern schikanierten HARTZ IV-Betroffenen aber auch bei anderen ausgebeuteten ArbeitnehmerInnen stößt das BGE daher oft auf Zustimmung. Ich bin jedoch der Auffassung, dass die grundsätzlichen Probleme, die die Lage der Betroffenen verursacht haben, durch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht gelöst werden können.

Punkt 1: Um das BGE umzusetzen, sollen Steuern bei denen eingenommen werden, die über 6000 Euro Einkommen pro Monat auf ihrem Konto verbuchen. Es wird also vorausgesetzt, dass die Reichen weiter reich bleiben. Das kapitalistische System wird dadurch nicht in Frage gestellt. Auch die Bedingungen unter denen die Menschen arbeiten, werden nicht in den Blick genommen. Zockerbanken, Großkonzerne, die Konkurrenz der Unternehmen untereinander, Leiharbeit, usw. - all das kann bestehen bleiben und von den Kapitalisten fortgeführt werden.

Punkt 2: Es wird behauptet, beim BGE gebe es keine Bedürftigkeitsprüfung. Das ist aus meiner Sicht nicht ganz richtig! Die Prüfung wird nur nicht von den Sozialbehörden, sondern dann von den Finanzämtern durchgeführt, schließlich soll das BGE wie oben beschrieben durch die Besteuerung der Menschen finanziert werden, die über 6000 Euro Einkommen haben. Das heißt: das Finanzamt muss nun ermitteln, von welchen Menschen Geld zur Finanzierung des BGE eingezogen wird und von welchen nicht. Ob das Finanzamt bei dieser Feststellung weniger repressionsfrei und schikanös vorgeht als so manches Jobcenter, wage ich zu bezweifeln.

Punkt 3: Das BGE soll angeblich auch dazu führen, dass Arbeitgeber stärker unter Druck geraten und so Mindestlöhne leichter umgesetzt, Arbeitszeitverkürzungen besser abgewendet und generell die Massenarbeitslosigkeit besser bekämpft werden könnte. Das scheint mir ein Trugschluss zu sein. Ich frage mich: Weshalb sollten Konzerne die Leistung der ArbeiternehmerInnen besser bezahlen, wenn diese bereits ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten? Arbeitskämpfe für bessere Arbeitsbedingungen oder höhere Löhne würden so unterminiert. Aus Sicht der Arbeitgeber verdienen Menschen, die bereits über ein bedingungsloses Grundeinkommen verfügen, kein zusätzliches existenzsicherndes Gehalt. Ich frage mich, wie sichergestellt werden soll, dass geleistete Arbeit menschenwürdig entlohnt wird? Letztlich führt das BGE bei vielen ArbeitnehmerInnen dazu, dass Löhne in der Höhe eher einem Aufstockermodell entsprechen.

Als Letztes möchte ich noch auf eine aus meiner Sicht unterstützenswerte Initiative hinweisen, die wesentlich besser dazu geeignet ist, das Leben für alle zu verbessern. Als LINKE fordern wir eine Millionärssteuer in Höhe von 5 Prozent. So können jährlich 80 Milliarden Euro bei den Superreichen als Steuer erhoben werden. Damit müsste keine Kommune mehr Stellen abbauen und keine öffentlichen Bibliotheken oder Schwimmbäder müssten schließen. Am 29.09.2012 finden bundesweit Demonstrationen des Bündnisses umFAIRteilen statt. Das breite Bündnis fordert ebenfalls eine stärkere Besteuerung der Superreichen und eine einmalige Vermögensabgabe. Ich würde mich freuen, wenn ich Sie für die Forderungen des Bündnisses interessieren könnte. Weitere Details hierzu finden Sie unter: www.umfairteilen.de

Statt des BGE fordert DIE LINKE außerdem eine sanktionsfreie Mindestsicherung: http://www.linksfraktion.de/nachrichten/sanktionsfreie-mindestsicherung/

Ich hoffe, ich konnte ihnen meine Position verständlich machen und verbleibe mit herzlichen Grüßen

Niema Movassat