Nicole Gohlke
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DIE LINKE
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Frage von Rita H. •

Werden Sie dem Antrag 20/4886 der CDU/CSU Fraktion zum Thema ME/CFS zustimmen?

Sehr geehrte Frau Gohlke,
unser 24-jähriger Sohn gehört zu den mindestens 500.000 an ME/CFS erkrankten Menschen in Deutschland. Der zu ME/CFS gestellte Antrag 20/4886 wurde, wie Sie sicher wissen, am 19.01.2023 im Bundestag diskutiert. Alle Fraktionen waren sich einig, dass dringend etwas passieren muss, um den Erkrankten zu helfen.
Ich würde gerne wissen, ob Sie persönlich dem Antrag zustimmen werden? Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich freuen. Vielen Dank und freundliche Grüße

Nicole Gohlke
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau H.,

Ich habe mich sowohl mit unseren Gesundheitspolitischen als auch forschungspolitischen Kolleg*innen intensiv ausgetauscht. Es gibt mittlerweile viele Zuschriften von Betroffenen wie Ihnen und deren Angehörigen, die so Sie auf den dringenden Handlungsbedarf bei Long Covid  bzw. ME/CFS verweisen.

In dem Antrag der Unionsfraktion, der am 19. Januar abgestimmt wurde, ist viel Richtiges enthalten. Deswegen haben meine Fraktion und ich ihn auch unterstützt. Wir begrüßen, dass die Union nun in der Opposition Forderungen erhebt, die sie leider innerhalb ihrer 16-jährigen Regierungszeit nicht bearbeitet hat. Wir haben bereits 2021, als die Union noch den Gesundheitsminister stellte, mehr Forschungsmittel für ME/CFS und Long-COVID gefordert (https://dserver.bundestag.de/btd/19/292/1929270.pdf ). Dies wurde jedoch mit den Stimmen von Union, SPD und AfD bei Enthaltung der FDP gegen unsere und die Stimmen der Grünen abgelehnt (https://dserver.bundestag.de/btd/19/308/1930801.pdf ).

Meiner Fraktion ist das große Problem bewusst, dass es für die vielen Betroffenen keine ursächliche Therapie gibt. Nicht nur für diese Krankheit würde es helfen, wenn mehr nichtkommerzielle Forschung vom Bund gefördert würde. Dies fordern wir seit vielen Jahren in einem Volumen vom zwei Milliarden Euro pro Jahr immer in den Haushaltsberatungen des Bundes, damit soll nichtkommerzielle Arzneimittel- und Methodenforschung gefördert werden. Das wäre deswegen so wichtig, weil für viele Krankheiten die konventionelle kommerzielle Forschung offenbar nicht in der Lage ist, Ergebnisse zu liefern. Das gilt in besonderem Maße auch für ME/CFS. Allerdings wird dieser Änderungsantrag in jeder Haushaltsberatung regelmäßig von der jeweiligen Regierungsmehrheit weggestimmt.

Was Long-COVID angeht, so haben wir im Juli 2022 in einem Antrag (https://dserver.bundestag.de/btd/20/025/2002581.pdf ) gefordert, Hilfen für Long-COVID-Betroffene aus einem Pandemiefonds zu finanzieren sowie ausreichend finanzielle Mittel zur Stärkung der Gesundheitswissenschaften bereitzustellen, insbesondere für Projekte der Public-Health-Forschung und der nichtkommerziellen klinischen Forschung und dabei insbesondere auch die Erforschung von Langzeit- und Folgesymptomen sowie der Behandlung von Long-COVID. Das wurde leider von allen anderen Fraktionen abgelehnt (https://dserver.bundestag.de/btd/20/033/2003312.pdf ).

Das in Entwicklung befindliche Medikament von Berlin Cures, BC007, weckt - hoffentlich zurecht - viele Hoffnungen. Nach den uns bekannten Planungen kommt es in den nächsten Monaten in die Phase-III-Studien, wird dann also erstmals an vielen Betroffenen getestet. Dies ist notwendig zur Zulassung, damit Aussagen über die Sicherheit und Wirksamkeit in der notwendigen Evidenz getroffen werden können. Sollte das Medikament erfolgreich zugelassen werden, werden wir uns dafür einsetzen, dass es auch bei ME/CFS-Betroffenen eingesetzt werden kann, auch wenn dies nicht die Zulassungsindikation ist.

Wir begrüßen sehr, dass es nun die nationale klinische Studiengruppe ME/CFS gibt und dass der Bund hierfür Forschungsgelder bewilligt hat. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Forschungsmittel auch über den bisherigen Genehmigungszeitraum hinaus bewilligt werden.

Auch wenn es uns als politischem Akteur ohne fachliche medizinische Kompetenz eigentlich nicht zusteht: Kritisch sehen wir die immer noch weit verbreitete Praxis, wonach Aktivierung als Therapieoption empfohlen wird. Das erscheint nach vielen Berichten nicht zuletzt auch von Betroffenen erwiesenermaßen genau der falsche Weg zu sein. Das zeigt nicht zuletzt der in einem offenen Brief dargestellte Sachverhalt, wonach die Studien, die eine aktivierende Therapie befürworten, nach internationalem wissenschaftlichen Konsens von geringer Qualität seien und großen Schaden verursachen können. Die Herausforderungen werden uns sicher noch eine ganze Weile begleiten.

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