Nicole Gohlke
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DIE LINKE
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Frage von Gerd L. •

Frage an Nicole Gohlke von Gerd L. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Gohlke,

Sie schreiben, dass sich rot-grün mit der "Agenda-Politik für einen großen Teil ihrer Klientel unwählbar gemacht haben." Glauben Sie denn, die haben das gerne gemacht. Ich bin überzeugt, dass diese Schritte notwendig waren, weil sie schon in den Kohljahren notwendig gewesen wären.

Könnten Sie bitte ausführlich darstellen, was Sie statt der Agenda 2010 geamcht hätten bzw. wie Sie dies umstellen würden und vor allem, wie Sie das finanzieren würden.

Eine weitere Frage: Bei einem allgemeinen Grundeinkommen - wie würden Sie verhindern, dass sich nicht mancher auf die faule Haut legt?

Zur PDS-Vergangenheit schreiben Sie: "zog keinen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern betrieb im Gegenteil eine sehr ehrliche und authentische Aufarbeitung." Dann muss ich Sie schon fragen, wo zum einen die SED-Millionen geblieben sind, wie Sie in Ihrer Partei mit ehemaligen Stasispitzeln umgehen, wie Sie die alten Seilschaften aushebeln.

Eine letzte Frage: Was würden Sie denn in München ändern, wenn Sie hier an der Macht wären?

Grüße,
Gerd Lommler

Nicole Gohlke
Antwort von
DIE LINKE

Hallo Herr Lommler,

bitte haben Sie Verständnis, dass ich nicht auf alle Aspekte Ihrer Frage eingehen kann. Die ausführliche Beantwortung jeder der von Ihnen angeschnittenen Themen könnte ganze Seite füllen; deswegen möchte ich mich auf einige Aspekte konzentrieren:

Wie gerne die SPD und die Grünen ihre Agenda 2010 auf den Weg gebracht haben vermag ich nicht zu sagen. Allerdings vermisse ich bei den führenden Architekten der Agenda 2010 wie bei Steinmeier oder Müntefering, die Einsicht, zu welchen katastrophalen Auswirkungen die Agenda-Politik geführt hat. Der wohl deutlichste Effekt war, dass immer weniger Menschen so etwas wie eine "gute Arbeit", also eine sichere, anständig bezahlte, würdevolle und der eigenen Qualifiaktion ensprechende Arbeit, haben. Millionen Menschen, vor allem Frauen, arbeiten in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen - ein Effekt der Agenda 2010: die Ausdehnung von Leiharbeit und befristeter Arbeit. Millionen Menschen, auch vornehmlich Frauen, brauchen mehrere Jobs zum überleben - ein zweiter Effekt der Agenda-Politik: Minijobs und Scheinselbständigkeit. Und Millionen Menschen sind bereit, jeden Job und sei er noch so mies bezahlt, sei die Arbeitsbedingungen noch so schlecht, anzunehmen, weil sie Angst haben vor Hartz IV - denn das ist, wie Hartz IV wirkt: als Programm zur Lohndrückerei. Von den unmittelbaren Auswirkungen auf Hartz IV-Betroffene möchte ich hier gar nicht reden!

Ich halte die Behauptung, es hätte dazu keine politische Alternative gegeben, für einen Mythos. Die ganze Ära des Neoliberalismus hindurch wurde propagiert, diese Politik, dieses Wirtschaften sei alternativlos.
Letztendlich war und ist es aber einfach nur eine Politik im Interesse der großen Konzerne, die gesetzliche Flankierung eines globalisierten Kampfes um die besten Profite. Umso enttäuschender ist es daher auch, dass sich die Sozialdemokratie dieser Politik verschrieben und sich dieses neoliberale Credo der vermeintlichen Alternativlosigkeit zueigen gemacht hat.

In der Politik geht es wahrscheinlich meist um die Frage, in wessen Interesse man handelt bzw. zu handeln bereit ist. Insbesondere in wirtschaftlich zugespitzten Situationen wie es auch heute angesichts der Weltwirtschaftskrise eine ist, stellt sich diese Frage umso dringender. Auch heute steht die Entscheidung an: wer zahlt für die Krise, wer kommt für die milliardenschweren Banken-Rettungspakete auf, wer wird die Löcher in den Länderkassen und den kommunalen Haushalten stopfen? Wer, wie beispielsweise die FDP in solch einer Situation Steuersenkungen verspricht, ohne zu sagen, womit diese gegenfinanziert werden sollen, bereitet einfach nur den nächsten Angriff auf den Sozialstaat vor.

Wir als LINKE stehen für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten. Denn heute wie vor sechs Jahren, als die Agenda 2010 auf den Weg gebracht wurde, ist die Bundesrepublik ein reiches Land. 2006 belief sich das private Finanzvermögen in der BRD auf 4,5 Billionen Euro. Und schon geringe Maßnahmen in Richtung einer sozial gerechteren Steuerpolitik, wie es die LINKE fordert, brächten Mehreinnahmen zwischen 160 und 190 Milliarden €: die Anhebung des Spitzensteuersatzes, der von Rot-Grün abgesenkt wurde, wieder auf das alte Niveau; die Wiederehebung der Millionärssteuer und die Einführung der Börsenumsatzsteuer; die höhere Besteuerung von Unternehmensgewinnen. (genauer nachzulesen unter: http://die-linke.de/fileadmin/download/wahlen/pdf/buta_09_themenflyer/485515005_LinkePV_BTW_2009_Themenhandzettel_A5_Steuern_090724.pdf )

Allein durch diese Maßnahmen könnten die unteren und mittleren Einkomen (bis 6.000 € monatlich) entlastet werden, eine Erhöhung der Hartz IV-Regelsätze vorgenommen werden, die Studiengebühren flächendeckend abgeschafft werden, ...
Zusätzliche Einnahmen in den öffentlichen Haushalten sowie in den Arbeitslosen- und Krankeversicherungen können über bessere Löhne und die Schaffung von Arbeitsplätzen (zum Beispiel durch eine Umverteilung der gesellschaftlichen Arbeitszeit) erreicht werden.

Zu diesen Schritten muss man allerdings politisch bereit sein - das war die SPD - zumindest in der Vergangenheit - nicht. Ich denke aber, es gibt dazu keine Alternative, wenn man nicht bereit ist, ein weiteres Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich und weitere soziale Ungerechtigkeit in Kauf zu nehmen.

Nun zu einem weiteren Aspekt Ihrer Anfrage:
Lebt DIE LINKE von verborgenem SED-Vermögen? Also der Verdacht, die frühere PDS habe Vermögen ihrer Vorgängerpartei, der Staatspartei SED, auf die Seite geschafft und finanziere sich heimlich davon. Diese Unterstellungen werden immer wieder besseren Wissens ins politische Spiel gebracht. Die Finanzen der früheren PDS und der LINKEN liegen der Öffentlichkeit in den Rechenschaftsberichten wie die Finanzen aller anderen Parteien vor.

Das Vermögen der SED wurde auf der Grundlage des Parteiengesetzes der DDR vom Februar 1990 mit dem Stichtag 7. Oktober 1989 unter treuhänderische Verwaltung gestellt.
Unabhängig davon hat die PDS auf eigenen Beschluss Anfang 1990 aus dem Parteivermögen eine Summe von 3,041 Milliarden Mark der DDR an den Staatshaushalt der DDR für soziale und kulturelle Zwecke abgeführt. Große Teile des vorhandenen Geldvermögens der Partei mussten für Abwicklungsmaßnahmen eingesetzt werden - nach Verfügung der treuhänderischen Verwaltung jeweils auf der Grundlage von Freigaben durch die Treuhandanstalt. Die SED hatte immerhin ca. 44000 hauptamtliche Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnisse aufzulösen waren. Auch die Verwaltung von ca. 750 Immobilien bis zur Übergabe an neue Träger bzw. Betreiber verlangte größere Aufwendungen.

Zum 31. August 1991 wurden auf der Grundlage eines Verwaltungsaktes der Treuhandanstalt die Geldbestände auf den Bankkonten der PDS eingezogen, so dass faktisch mit dem 1. September 1991 eine finanzielle Neugründung der PDS stattfand. Von da an konnte die Partei nur noch über die ab diesem Zeitpunkt eingenommenen Mitgliedsbeiträge, Spenden und staatlichen Mittel verfügen. Am 18. Juli 1995 wurde vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht ein Vergleich zwischen PDS, Treuhandanstalt und Unabhängiger Kommission zur endgültigen Regelung der Vermögensfragen abgeschlossen. Auf der Grundlage dieses Vergleichs hat die PDS kein Geldvermögen zurückerhalten, da der Erwerb dieses Vermögens nicht als materiell-rechtsstaatlich anerkannt wurde. Das traf auch auf die von der SED eingenommenen Mitgliedsbeiträge zu. Der PDS wurden vier Immobilien insbesondere aus dem früheren Eigentum der KPD (darunter das Berliner Karl-Liebknecht-Haus als Sitz des Parteivorstandes) zugesprochen. Außerdem konnte die PDS die in den Geschäftsstellen vorhandenen Ausstattungen behalten.

(genauer nachzulesen unter: http://www.die-linke.de/index.php?id=2791 )

Ich hoffe, die Antworten haben Ihnen weitergeholfen!

Mit freundlichen Grüßen,
Nicole Gohlke

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