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Nezahat Baradari
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Frage von Silke W. •

Wissenschaftliche Begründung für das Festhalten an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Sehr geehrte Frau Baradari,
Sie begründen die Sinnhaftigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht damit, dass erkrankte geimpfte Personen "weniger ansteckend" als ungeimpfte sind. Damit beziehen Sie sich jedoch auf vorige Varianten. Derzeit macht die Omikron B.2-rund 97% aller Corona-Fälle aus. Nach derzeitigen Erkenntnissen gibt es keine Belege, dass geimpfte Omikron-Infizierte "weniger ansteckend" sind als ungeimpfte: "Wie hoch das Transmissionsrisiko unter Omikron ist, kann derzeit noch nicht bestimmt werden." (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Transmission.html). "Zudem lässt der Impfschutz über die Zeit nach und die Wahrscheinlichkeit trotz Impfung PCR-positiv zu werden nimmt zu." (s. ebd.). Bitte belegen Sie anhand wissenschaftlicher Fakten eine höhere Schutzwirkung durch Abzug der ungeimpften Personen a) gegenüber denjenigen, deren Impfung weder Infektion noch Transmission verhindert und b) gegenüber einer Impfpflicht für vulnerable Personen selbst.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau W.,

die Aussage, dass Geimpfte – selbst bei eigener Infektion – weniger Viruslast haben, wurde in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags am 27.04.2022 auch von Prof. Leif Erik Sander, Klinikdirektor Infektiologie an der Berliner Charité, noch einmal bestätigt.

Laut RKI geht die STIKO, Stand 24.05.2022, davon aus, dass eine durchgemachte symptomatische oder asymptomatische Infektion mit SARS-CoV-2 nicht ausreicht, um spätere COVID-19-Erkrankungen zu verhindern. Ein solider Schutz vor Infektion und schwerer Erkrankung durch Varianten des SARS-CoV-2 ist erst durch eine mehrmalige Auseinandersetzung mit dem Spikeprotein von SARS-CoV-2 zu erlangen. Dies kann durch eine dreimalige Impfung oder durch Impfung vor oder nach einer durchgemachten Infektion (hybride Immunität) erreicht werden. So sollen auch Personen mit einer oder mehreren zurückliegenden gesicherten SARS-CoV-2-Infektionen geimpft werden.1

Studien zeigen, dass Menschen mit einer Auffrischungsimpfung deutlich besser vor einer symptomatischen Erkrankung mit Covid19 geschützt sind als mit einer Grundimmunisierung oder ganz ohne Impfschutz.2

Laut RKI gibt es über die Transmission bei Omikron mit Stand vom 03.06.2022 zwar bisher keine ausreichenden Daten; sie scheint aber bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein. Das Ausmaß der Reduktion ist noch nicht vollständig geklärt. Das RKI verweist dazu auf Haushaltsstudien aus Norwegen3 und Dänemark4, die zeigen, dass eine Impfung auch unter vorherrschender Zirkulation der Omikron-Variante die Übertragbarkeit um ca. 6-21% und nach Grundimmunisierung und nach Auffrischungsimpfung um weitere 5-20% reduziert.

Laut einer im Fachmagazin „Nature Medicine“ am 08.04.2022 veröffentlichten und viel beachteten Schweizer Studie um Isabella Eckerle und Benjamin Meyer von der Universität Genf5 sind Corona-Geimpfte sind bei einer Durchbruchsinfektion nicht nur vor schwerer Erkrankung gut geschützt, sie haben auch eine deutlich geringere Viruslast als Ungeimpfte – mit Unterschieden je nach Virusvariante und Zahl der Impfdosen. Anders als bei der Delta-Variante sind bei der Omikron-Variante (Subvariante BA.1) allerdings drei Impfdosen nötig, um die Menge infektiöser Viruspartikel wirksam zu senken. Die Auswertung der Daten ergab, dass Zweifach-Geimpfte bei einer Delta-Infektion ca. ein Fünftel weniger infektiöse Partikel in den oberen Atemwegen hatten als Ungeimpfte. Von einer geringeren Infektiösität im Vergleich zu Ungeimpften muss somit zwingend ausgegangen werden. Außerdem konnten Geimpfte das Virus der Untersuchung zufolge schneller bekämpfen, was tendenziell den Zeitraum, in dem eine Übertragung stattfinden kann, verringert. Bei Omikron-Durchbruchsinfektionen war die Menge infektiöser Viruspartikel nach einer doppelten Impfung so hoch wie bei Ungeimpften. Erst eine Booster-Impfung drückte den Wert deutlich auf etwa ein Fünftel. Dies stellt aber nicht den Nutzen einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Frage, sondern zeigt nur die Bedeutung von Auffrischungsimpfungen.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht vom Bundesverfassungsgericht – dem obersten Gericht unseres Staates – am 27.04.2022 als verfassungskonform und somit als rechtmäßig beurteilt worden ist.6 

Quellen:

 1. vgl. unter der fünften Rubrik: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Durchfuehrung_Impfung.html;jsessionid=AEFB9C0CEFBAABFC186E5A5E2DE31E20.internet102#FAQId15563422

2. vgl. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35249272/

3. vgl. https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.02.07.22270437v3

4. vgl. (https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.01.28.22270044v1

5. vgl. https://www.nature.com/articles/s41591-022-01816-0

6. vgl. Beschl. v. 27.04.2022, Az. 1 BvR 2649/21: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/04/rs20220427_1bvr264921.html)

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