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Nese Erikli
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Frage von Annette L. •

Frage an Nese Erikli von Annette L. bezüglich digitale Infrastruktur

Hallo,
erst einmal danke, dass Sie sich gegenüber den Übergriffen auf Ihre Person so klar wehren!
Das Thema, das mich bewegt ist der Mobilfunk und seine Priorisierung. Ich halte den unkritischen Ausbau für sehr bedenklich. WLAN an Schulen-es gäbe Lichtverbindung oder Verkabelung als Alternative. 5G dort wo Menschen sich länger aufhalten ist unzumutbar, da es noch keine Studien zu Langzeitwirkungen gibt, die Vorgängertechnologien aber bereits deutlich Risiken zeigen. Bestehende Systeme auf geringst mögliche Belastung ermöglichen: Z.Z. haben wir pro Technik mindestens 4 Anbieter parallel, kein Schutz in Privatwohnungen vor ungewünschter Strahlung...Haben Sie Pläne, wie eine Technologie so verwendet wird, dass sie die Gesundheit nicht übermäßig strapaziert, Ressourcen wie Strom und Material (alleine für jeden Anbieter ein mehrfaches als nötig) minimiert und eine unabhängige Grundlagenforschung in ausreichendem Umfang ermöglicht? Warum schafft ein Hochtechnologieland Deutschland keine eigene Technologie und macht sich von China abhängig?
Viel Erfolg und alles Gute
Annette Loy

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Loy,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage und Ihre Solidarität, die Sie mir gegenüber zum Ausdruck gebracht haben.
2019 wurde von der Landesregierung die „Task Force Mobilfunk“ initiiert. Sie hat das Ziel, gemeinsam mit den Telekommunikationsunternehmen, den kommunalen Landesverbänden und Wirtschaftskammern Wege zu finden, wie der Mobilfunkausbau in Baden-Württemberg konzipiert und ausgebaut werden kann. Auch mögliche Gesundheitsgefährdungen durch Mobilfunkstrahlen werden von der Task Force thematisiert.
Seit Gründung der Grünen ist die Vorsicht beim Einsatz von Stoffen und Technologien, deren Unschädlichkeit nicht sicher ist bzw. bei denen eine schädliche Wirkung vermutet wird, von hoher Bedeutung. Bisher ist die Wissenschaft auf dem Gebiet Mobilfunk jedoch noch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen.
Es ist richtig, dass die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), eine Organisation der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Mobilfunkstrahlung als potenziell krebserregend eingestuft. Diese Einschätzung bedeutet jedoch lediglich: Diese Strahlungsart kann prinzipiell Krebs auslösen – wichtig ist aber auch einzubeziehen, wie viel Strahlung tatsächlich im Alltag auftritt. Daher müssen Studien beachtet werden, die die reale Alltagsbelastung untersuchen.
In den letzten 20 Jahren haben sich Wissenschaftler*innen in sehr vielen Studien mit Effekten von Mobilfunkstrahlung auseinandergesetzt und gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen untersucht. Einen Überblick über die bisherigen Studien gibt etwa das EMF-Portal der RWTH Aachen:https://www.emf-portal.org/de
Eine übereinstimmende Korrelation mit Krebs, etwa mit Hirntumoren, konnte nicht festgestellt werden – auch nicht über Zeiträume von mehr als zehn Jahren hinweg. Mehrheitlich sehen die Studien keinen Zusammenhang zwischen Handystrahlung und etwa der Häufigkeit von Krebserkrankungen. Zu diesem Urteil kommen auch Organisationen wie die WHO oder das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): „Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand gibt es keine wissenschaftlich belastbaren Hinweise auf eine Gefährdung von Menschen, Tieren und Pflanzen durch hochfrequente elektromagnetische Felder unterhalb der Grenzwerte. Der einzige bekannte und wissenschaftlich nachgewiesene Wirkmechanismus hochfrequenter Felder auf Organismen ist die Erwärmung infolge von Energieadsorption. Die Intensität der Felder, die von Sendeanlagen ausgehen, reicht nicht aus, um eine biologische wirksame Erwärmung von Lebewesen zu verursachen.“ https://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/stellungnahmen/emf/emf-tiere-pflanzen/emf-tiere-und-pflanzen.html
Es bleibt weiterhin wichtig, Forschung zu potenziellen Gesundheitsauswirkungen von Mobilfunk zu betreiben und zu fördern, um Wissenslücken zu schließen und potenzielle Gefahren zu erkennen. Vor diesen Hintergrund ist es begrüßenswert, dass das Bundesumweltministerium eben diese Forschung fördert, unter anderem auch durch die Gründung eines Kompetenzzentrums Elektromagnetische Felder:https://www.bfs.de/DE/themen/emf/kompetenzzentrum/kompetenzzentrum_node.html.
Besonders zum neuen Standard 5G sieht die grüne Landtagsfraktion noch Forschungsbedarf und unterstützt ausdrücklich weitere Forschungen zu dessen möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit.
Aus unserer modernen Gesellschaft ist der Mobilfunk zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht wegzudenken. Eine gute Internetverbindung bei uns im Wahlkreis ist Grundvoraussetzung für den Wirtschaftsstandort. Ich möchte, dass unsere Region weiterhin eine Region bleibt, die für Unternehmen attraktiv ist. Dennoch setzen wir uns dafür ein, dass die Strahlenbelastung dabei möglichst geringgehalten wird. Die grüne Bundestagsfraktion fordert eine verpflichtende Regelung für „National Roaming“. Dies würde die Versorgung für alle Verbraucher*innen verbessern und dabei gleichzeitig die Strahlenbelastung senken.
Auch über alternative Technologien machen wir uns Gedanken. Hier ist z.B. die Visible Light Communication des Fraunhofer Heinrich Hertz-Instituts zu erwähnen, das sogenannte „Internet über Licht“, welches WLAN ersetzen könnte. Die Anwendung dieser Technologie in der Praxis wurde bereits vom grün-geführten Umweltministerium Baden-Württembergs sowie von der Stadt Stuttgart unterstützt.
Mit den besten Grüßen verbleibend
Nese Erikli

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