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Nancy Faeser
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Frage von Rainer K. •

Wie ist ihre Position zum Thema Chatkontrolle über das am 7. Oktober im Bundestag entschieden werden soll?

Sehr geehrte Frau Faeser, als frühere Bundesinnenministerin sollten Sie eine klare Position zum Thema Chatkontrolle haben. Aus meiner Sicht als langjähriger Entwickler in der IT habe ich massivste Bedenken, wenn unser Staat Zugriff auf sämtliche Kommunikation haben will, besonders unter dem Hinblick, dass die AfD mittlerweile fast gleich auf mit der Union liegt. Ich fände es eine Katastrophe, wenn wir hier ein Überwachungsinstrument etablieren welches dann von einer möglichen rechtsextremen Regierung gegen alle Bürger genutzt werden kann. Noch gibt es ja Artikel 10 GG der das Fernmeldegeheimnis schützt, aber mit einer Chatkontrolle wird das ausgehebelt und JEDER Bürger wird unter einen Generalverdacht gestellt. Unschuldvermutung ade...

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Antwort von SPD

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse.

Grundsätzlich ist das Bemühen der dänischen Präsidentschaft des Rats der EU zu begrüßen, Kinder vor Missbrauch auch im digitalen Raum besser zu schützen. Dabei sind Maßnahmen zu wählen, die für die Erreichung dieses Zwecks geeignet und verhältnismäßig sind. Gegen die Täter muss zielgerichtet vorgegangen und ihre Netzwerke konsequent zerschlagen werden. Gleichzeitig würde ein anlassloses Kontrollieren jeder privaten, verschlüsselten Nachricht zu weit gehen. Es gilt einen Mittelweg zu finden zwischen effektiver Bekämpfung von Kindesmissbrauch einerseits und der Wahrung von rechtsstaatlichen Grundsätzen und des Datenschutzes andererseits. 

Diesem Mittelweg wird der in Rede stehende Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft nicht gerecht. Es ist unklar, ob das Ziel der effektiven Bekämpfung von Kindesmissbrauch durch die CSA-Verordnung überhaupt erreicht werden kann. Dazu äußert sich auch der Kinderschutzbund Bundesverband e.V. in einer Stellungnahme für den Ausschuss für Digitales des Bundestags kritisch (Ausschussdrucksache 20(23)136).

Neben der fraglichen Erreichung der Zielsetzung, sind die vorgesehenen Maßnahmen nicht verhältnismäßig, da sie die Bürgerinnen und Bürger – auch die zu schützenden Kinder – unter Generalverdacht stellen und das Recht auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 7, 8 und 11 EU-Grundrechtecharta) einschränken. Wie schon in der vorigen Legislaturperiode zu meiner Zeit als Bundesinnenministerin, lehne ich daher den aktuellen Entwurf ab. Meine damalige Ablehnung trug maßgeblich dazu bei, dass das Vorhaben keinen Erfolg hatte.

Die Balance zwischen Kinderschutz und den von der „Chatkontrolle“ betroffenen Grundrechten zu finden, gelingt dem Entwurf des EU-Parlaments in ihrem Entwurf 11596/25 deutlich besser als dem Entwurf der Kommission. Auf Seiten der betroffenen Grundrechte würde nach wie vor gewährleistet, dass u.a. keine Massenüberwachung eingeführt und der Schutz der Ende-Zu-Ende Verschlüsselung gewahrt wird. Seitens des Kinderschutzes würde u.a. auf „Sicherheit durch Design“ als Präventivmaßnahme und auf Aufdeckungsanordnungen gegen individuelle Nutzer oder eine spezifische Nutzergruppe nach begründeten Verdachtsmomenten nur auf richterlichen Beschluss als reaktive Maßnahme gesetzt. Ebenso sollte die Unterstützung der Missbrauchsopfer neben der Strafverfolgung in gleichem Maße gestärkt werden.

Kurzum: Der Parlamentsvorschlag ist zu befürworten, während derjenige der dänischen Ratspräsidentschaft zu weitgehend und unverhältnismäßig, somit abzulehnen ist.

Auch wenn sich im Rat eine Mehrheit für den Vorschlag aussprechen sollte, sieht der Gesetzgebungsprozess auf EU ebene vor, dass das EU-Parlament seinerseits Einfluss auf das Vorhaben nehmen kann. Die CSA-Verordnung wird somit nicht allein durch die Entscheidung des Rats verabschiedet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Nancy Faeser

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