Portrait von Nadja Weippert
Nadja Weippert
Bündnis 90/Die Grünen
100 %
/ 5 Fragen beantwortet
Frage von Bernd S. •

Frage an Nadja Weippert von Bernd S. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo Frau Weipert,

zwei Fragen habe ich:
1.) Welche Konzepte/Ideen habe Sie für die Alterssicherung und Gesundheitsversicherung?
2.) Welche Konzepte/Ideen haben Sie zur Flüchtlingspolitik?

Ok, es sind eigentlich drei Fragen. -:))

Mit freundlichen Grüßen
B. S.

Portrait von Nadja Weippert
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

die Alterssicherung und die Gesundheitsversorgung sind elementare Bestandteile unseres Wahlprogrammes. Wir GRÜNE kämpfen für einen längst überfälligen Wandel in beiden Systemen.
Das Rentenniveau ist in den letzten Jahren leider immer weiter gesunken. Viele Menschen, insbesondere Frauen (sie leisten mehr Erziehungs- und Pflegearbeit, arbeiten oft in Teilzeit oder in schlecht bezahlten Branchen und erwerben weniger Rentenansprüche), sind von Altersarmut bedroht oder bereits unmittelbar betroffen. Das bisherige Drei-Säulen-System aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge muss endlich auf eine solide Basis gestellt werden. Die gesetzliche Rente ist nach wie vor die zentrale oder oft gar einzige Säule der Altersvorsorge für die meisten Menschen in Deutschland.

Unser Ziel ist es, das Niveau der gesetzlichen Rente zu stabilisieren. Wir möchten mit der Einführung einer Garantierente die gesetzliche Rente stärken. Gleichzeitig wollen wir auf diese Weise ein Mindestniveau in der Rentenversicherung einführen, damit alle Menschen, die den größten Teil ihres Lebens rentenversichert waren (weil sie gearbeitet, Kinder erzogen oder andere Menschen gepflegt haben) auch von ihrer Rente leben können und keinen Antrag auf eine bedürftigkeitsgeprüfte Grundsicherung stellen müssen. Private und betriebliche Vorsorge werden auf unsere Garantierente nicht angerechnet.

Um die gesetzliche Rente finanziell besser aufzustellen und solidarischer zu finanzieren, wollen wir versicherungsfremde Leistungen aus Steuergeldern bezahlen. Auch heute wird die gesetzliche Rente nicht mehr ausschließlich über die Beiträge der Versicherten finanziert:
„Neben den Beiträgen finanziert sich die Gesetzliche Rentenversicherung durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt, die aus dem allgemeinen Steueraufkommen getragen werden. Damit sollen die allgemeinen gesellschaftspolitischen Aufgaben der Rentenversicherung finanziert und der Verantwortung des Bundes für die Stabilität dieses wichtigsten Sozialversicherungszweiges Rechnung getragen werden“ (Quelle: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/rentenpolitik/228174/leistungen-und-finanzierung ).

Des Weiteren wollen wir GRÜNE den ersten Schritt zur Bürgerversicherung im Renten-, Gesundheits- und Pflegesystem gehen. Alle Menschen, auch Beamte, Selbständige, Unternehmer und Abgeordnete, sollen einbezogen werden. Hierfür wollen wir mit den Ländern zusammenarbeiten. Bereits erworbene Anwartschaften auf Versorgung und bestehende Beamtenverhältnisse bleiben dabei aus Gründen des Vertrauensschutzes aber unberührt.

Mit einer gerecht finanzierten „Bürgerversicherung“ soll insbesondere die jetzt herrschende „Zwei- Klassen- Medizin“, in der Privatpatienten bevorzugt werden, ein Ende finden. Alle Menschen sollen zukünftig bei Ärzten auf einem gleich hohen Niveau behandelt werden. Neben Löhnen und Gehältern sollen auch auf Kapitaleinkünfte Beiträge erhoben werden, auf die es aber Freibeträge bezüglich der Zinseinkünfte geben soll. Bei den Löhnen sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder jeweils die Hälfte des Beitrages zahlen. Zusatzbeiträge sollen abgeschafft werden. Auf diese Weise werden Gesundheit und Pflege fair finanziert und die Finanzierungsgrundlage erweitert. Unsere Bürgerinnen und Bürger erhalten endlich eine echte Wahlfreiheit: Alle Krankenversicherungen bieten künftig die Bürgerversicherung an und konkurrieren über die Höhe des Beitrages, über den Service, das zusätzliche Leistungsangebot und vor allem über die Qualität.

Nun zu Ihrer dritten Frage: Die Flüchtlingspolitik ist nach wie vor eines der zentralen Themen, die die Gesellschaft bewegt aber leider auch zutiefst spaltet. Terroranschläge schüren Angst in der Bevölkerung und befeuern so rechtsorientierte Parteien. Die positiven Erfahrungen mit Geflüchteten, die hier nicht nur ein neues zu Hause, sondern vielmehr eine neue Heimat gefunden haben, gehen in der nach reißerischen Schlagzeilen orientierten Medienlandschaft leider meist unter.

Die beste Flüchtlingspolitik ist diejenige, die Menschenrechte konsequent schützt und dazu beiträgt, dass Menschen ihre Heimat nicht verlassen müssen. Es ist eine Politik, die daran arbeitet, die strukturellen Ursachen der Zerstörung von Lebensgrundlagen langfristig zu beheben. Daher ist die konsequente Bekämpfung von Fluchtursachen der elementarste Bestandteil der Flüchtlingspolitik. Der Kampf gegen Landflucht und Hunger, gegen Klimaerhitzung und Rüstungsexporte ist ein Kampf gegen Fluchtursachen und nicht gegen Geflüchtete.
Die Ursachen von Flucht und Vertreibung lassen sich weder mit höheren Zäunen noch mit Patrouillenbooten oder durch Pakte mit Autokraten lösen. Wir GRÜNE setzen uns deshalb für eine kohärente internationale Politik ein und fordern strukturelle Reformen in Bereichen wie Handel, Landwirtschaft, Energie, Fischerei, Außenpolitik und Klimaschutz, wie sie die nachhaltigen Entwicklungsziele vorgeben.

Weltweit sind über 65 Millionen Menschen auf der Suche nach Schutz für sich und ihre Familien. Wir GRÜNE wollen, dass Deutschland besser als 2015 auf diese humanitären Herausforderungen vorbereitet ist. 1949 hatte die Bundesrepublik als Lehre aus der deutschen Geschichte im Grundgesetz eines der liberalsten Asylrechte überhaupt verankert. Für dieses individuelle Grundrecht auf Asyl treten wir entschlossen ein.

Dennoch darf dieses Grundrecht nicht missbraucht werden. Wir wollen wissen, wer nach Europa kommt, wir wollen geregelte Verfahren und eine Kontrolle der europäischen Außengrenze. Nicht jeder, der zu uns kommt, kann bleiben. Aber jeder hat Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren und den Schutz seiner Menschenrechte auch nach einer Ablehnung.

Für sichere Rahmenbedingungen in der Flüchtlingspolitik, ist es dringend notwendig, ein Einwanderungsgesetz zu verabschieden. Dieses Gesetz soll unter anderem regeln, dass Asylbewerbern bei entsprechender Qualifikation der Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet werden kann. Gleichzeitig sollen bestehende Berufsabschlüsse in Deutschland besser anerkannt werden.

Die wichtigste Herausforderung für uns alle liegt aber in der gesellschaftlichen Integration der Menschen in unserem Land. Viele Geflüchtete, die bei uns Schutz vor Krieg und Vertreibung suchen, können in absehbarer Zeit nicht in ihre Heimat zurückkehren. Daher ist es unsere gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe und Verpflichtung, ihnen neue Lebensperspektiven zu eröffnen. Der schnellstmögliche Zugang zu Integrations- und Sprachkursen ohne Einschränkung durch den Aufenthaltsstatus ist dafür der erste unabdingbare Schritt. Bundesländer und Kommunen benötigen für diese Herausforderung ausreichend Ressourcen, um sie gut bewältigen zu können. Außerdem wollen wir GRÜNE die hinderliche und grausame Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte wieder rückgängig machen. Wir wollen mehr Personal an den deutschen Botschaften einsetzen, um die Wartezeiten für Familienangehörigen-Visa zu verkürzen. Schließlich sind Familie und Heimat untrennbar miteinander verbunden.
Aber auch die ehrenamtliche Unterstützung durch viele Bürgerinnen und Bürger ist bei der Integration Geflüchteter besonders wichtig und verdient eine noch größere Anerkennung in unserer Gesellschaft. Denn nur wenn Integration von allen Ebenen gleichermaßen getragen wird, kann sie gelingen!

Mit freundlichen Grüßen

Nadja Weippert

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Nadja Weippert
Nadja Weippert
Bündnis 90/Die Grünen