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Michael Roth
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Frage von Helmut S. •

Frage an Michael Roth von Helmut S. bezüglich Innere Angelegenheiten

Sehr geehrter Herr Roth,

leider beantworten Sie meine Frage nicht. Sie haben im Otto Suhr Institut gearbeitet und an der FU Berlin unterrichtet. Deswegen ist es mir nicht erklärlich, wie Sie meine Frage falsch verstehen konnten.

Ich bezog mich auf die Differenzierung, die in der Studie des von der Bundesregierung (der Sie inzwischen als Staatssekretär angehören) eingesetzten Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus (UEA) vorgenommen wurde. In dieser Studie wird die Praktikabilität der IHRA-Definition zum Zwecke der Erfassung von Antisemitismus durch Polizei und NGOs bescheinigt. Darauf verweisen auch Sie in Ihrer Antwort.
Im Hinblick auf den Begriff „israelbezogenen Antisemitismus“ spricht der UEA demgegenüber von einer Grauzone, die wissenschaftliche Eindeutigkeit nicht zulasse, es sei denn klassisch-antisemitische Stereotype seien im Spiel.
Abgesehen von der Erfassung des Antisemitismus durch Polizei und NGOs gibt es ja eine politische Auseinandersetzung, in der „israelbezogener Antisemitismus“ eine herausragende Rolle spielt. In dem dieser Begriff verwendet wird, als sei er eindeutig definiert oder eindeutig zu definieren, dient er zur Stigmatisierung von Kritikern der israelischen Regierung als Antisemiten. Das Auswärtige Amt war selbst davon betroffen durch die Platzierung von Mitarbeitern auf der Rangliste der schlimmsten Antisemiten durch das Simon Wiesenthal Center.

Deswegen besteht Klärungsbedarf durch das AA im Hinblick auf den Stellenwert, dem Sie diesem Begriff zuschreiben: Genügt er wissenschaftlichen Kriterien, ist er eindeutig definierbar, schließt sich das AA den Ausführungen des UEA an (Stichwort Grauzone) oder hat es hier eine andere Auffassung? Wenn ja, mit welcher Begründung.

Mit freundlichen Grüßen
H. S.

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Sehr geehrter Herr S.,

für Ihre Frage danke ich Ihnen und nehme dazu abermals Stellung.

Richtig ist, dass der Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus in seinem Bericht aus dem Jahr 2017 darauf hinweist, dass die Einschätzung, ob Äußerungen zu Israel lediglich kritisch oder antisemitisch zu verstehen sind, im Einzelfall problematisch sein kann. Ich stelle aber fest, dass sich der Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus zwar kritisch mit dem Begriff auseinandergesetzt hat, aber in diesem Kontext keine konkrete Handlungsempfehlung an die Bundesregierung formuliert hat, wie er dies bei vielen anderen Themen sehr deutlich getan hat.

Ich persönlich teile die Auffassung, dass Kritik an Israel dann antisemitisch ist, wenn sie mit antisemitischen Stereotypen aufgeladen ist, Vergleiche zum Nationalsozialismus herstellt, in denen sich die für den Antisemitismus so typische Umkehr von Tätern und Opfern spiegelt und das Existenzrecht Israels infrage gestellt wird.

Darüber hinaus wurde am 11.9.2020 der "Bericht der Bundesregierung über den Umsetzungsstand und die Bewertung der Handlungsempfehlungen des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus" veröffentlicht, der auch öffentlich zugänglich ist. Dort nimmt die Bundesregierung u.a. zu der IHRA-Arbeitsdefinition Stellung und verweist auf positive Beispiele der Anwendung. Zudem führt die Bundesregierung in dem Bericht aus, welche Maßnahmen und Handlungsfelder ihr für die nahe Zukunft besonders wichtig sind, dazu zählt unter anderem auch das Thema Prävention durch Bildung im Hinblick auf "israelbezogener Antisemitismus".

Hierzu schreibt die Bundesregierung: "Weiterhin erheblichen Anlass zur Sorge gibt der zunehmend größere Zustimmung findende israelbezogene Antisemitismus. Dieser zeigt sich beispielsweise in der Bezeichnung Israels als 'Mörderstaat'. Ereignisse und Entwicklungen im Nahostkonflikt werden immer wieder zur vermeintlichen 'Begründung' antisemitischer Taten herangezogen. Viel stärker als bisher ist daher auch die Geschichte Israels und des Nahost-Konflikts in den Bildungsplänen der Länder und den Lehrplänen der Schulen zu berücksichtigen. Auch auf diesem Gebiet müssen Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet und befähigt werden, Fehlinformationen mit Fakten zu begegnen und Diskussionen zu führen anstatt sie zu meiden."

Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth

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