Dringlichkeitsfrage zur Chatkontrolle – Ihre Haltung zur Überwachung
Sehr geehrter Herr Matzerath , am 14. Oktober stimmt der EU-Rat über die Chatkontrolle ab. Die geplante Verordnung sieht vor, private Kommunikation – auch verschlüsselte – automatisiert zu scannen. Das widerspricht dem Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) und der EU-Grundrechtecharta. Als Vertreter einer Partei, die sich kritisch gegenüber EU-Zentralismus und staatlicher Überwachung positioniert, stehen Sie besonders im Fokus. Die Maßnahme erinnert an Orwells 1984 und stellt Millionen unter Generalverdacht. Bitte setzen Sie ein Zeichen für digitale Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung für eine verfassungsfeste Lösung.
Freundliche Grüße
Ralph D.
Sehr geehrter Herr D.,
Herr Matzerath bedankt sich für Ihre Zuschrift und lässt Ihnen anbei die Antwort des digitalpolitischen Sprechers zukommen mit der Position der AfD-Bundestagsfraktion, die auch die von Herrn Matzerath ist.
Auf www.bundestag.de können Sie heute ab 13.00 die Debatte im Deutschen Bundestag live verfolgen.
Bürgerinformation zur geplanten EU-Chatkontrolle (CSAM-Verordnung) - Ruben Rupp, MdB – Digitalpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag
Die Europäische Kommission hat im Jahr 2022 den Entwurf einer Verordnung „Zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ vorgelegt. In der Öffentlichkeit ist dieses Vorhaben besser bekannt als „Chatkontrolle“. Hinter diesem vermeintlich harmlosen Titel verbirgt sich eines der umstrittensten Gesetzesvorhaben der letzten Jahre. Es betrifft jeden Bürger, der digitale Kommunikationsmittel nutzt, also Messenger, E-Mail-Dienste, Cloud-Speicher oder soziale Netzwerke. Bei einer Verabschiedung der geplanten Verordnung durch den Europäischen Rat erlangte diese sofortige Geltung in allen EU-Mitgliedsstaaten.
Die Europäische Kommission verfolgt das Ziel, die Verbreitung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs – sogenanntes „Child Sexual Abuse Material“ (CSAM) – zu bekämpfen. Dieses Anliegen ist selbstverständlich richtig und wichtig. Kein vernünftiger Mensch möchte, dass solche Verbrechen unentdeckt oder ungesühnt bleiben. Doch der gewählte Weg, den die EU einschlagen will, ist unverhältnismäßig, technisch riskant und grundrechtswidrig.
Was die Verordnung tatsächlich vorsieht
Die Verordnung verpflichtet Anbieter digitaler Dienste wie WhatsApp, Signal, Telegram, Gmail oder iCloud dazu, das Bildmaterial auf den Endgeräten ihrer Nutzer anlasslos und systematisch auf potenziell illegale Inhalte zu überprüfen und diese gegebenenfalls den Sicherheitsbehörden zu melden. Diese Methode wird als „Client-Side-Scanning“ bezeichnet.
In einem zweiten Schritt soll die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die Messengerdienste wie Signal, Threema oder Telegram anbieten, umgangen werden. Dieses technische Verfahren stellt sicher, dass während ihres Versendens niemand die Nachrichten mitlesen kann, auch IT-Anbieter und Behörden nicht. Diese Verschlüsselung ist das Fundament sicherer digitaler Kommunikation. Sie schützt vertrauliche Gespräche zwischen Journalisten und ihren Quellen, zwischen Anwälten und Mandanten, zwischen Ärzten und Patienten sowie die private Kommunikation der Bürger untereinander. Wenn diese Verschlüsselung aufgeweicht würde, ginge die digitale Vertraulichkeit in Deutschland und Europa verloren.
Technische Risiken, Fehleranfälligkeit und Missbrauchspotential
Die Umsetzung der Chatkontrolle müsste angesichts der schieren Masse des Bildmaterials mit Hilfe automatisierter Erkennungssysteme erfolgen. Dabei kommen sogenannte Hash-Verfahren zum Einsatz. Diese Systeme erzeugen digitale Fingerabdrücke bekannter illegaler Bilder und gleichen sie mit zentralen Datenbanken ab. Außerdem sollen Modelle Künstlicher Intelligenz (KI) bislang unbekannte Darstellungen oder verdächtige Kommunikationsmuster erkennen.
Das Problem liegt in der Fehleranfälligkeit solcher Systeme. Selbst spezialisierte Polizeibehörden berichten von hohen Fehlalarmraten, da KI-Systeme mit dem Kontext, in dem die Bilder entstehen, überfordert sind. Eine harmlose Urlaubsaufnahme kann als Missbrauchsdarstellung gewertet werden; Jugendliche, die sich gegenseitig intime Fotos schicken, geraten unter Verdacht. Millionen automatisierter falsch-positiver Meldungen würden Ermittlungsbehörden überfluten, während tatsächliche Täter, die in der Regel in geschlossenen Gruppen interagieren, leichter unter dem Radar bleiben könnten.
Hinzu kommt ein gravierendes Sicherheitsrisiko: Damit die Geräte der Nutzer gescannt werden können, muss eine Art Hintertür in die Software eingebaut werden. Diese Hintertüren können von Kriminellen, fremden Geheimdiensten oder auch von EU-Behörden selbst missbraucht werden. Der amerikanische Technologiekonzern Apple hat im Jahr 2021 ein ähnliches System erprobt und nach massiver Kritik aus Sicherheitskreisen wieder zurückgezogen. Fachleute warnten damals, dass Client-Side-Scanning die gesamte digitale Sicherheit gefährde, da es Angriffsflächen schaffe, die sich nicht mehr kontrollieren ließen.
Rechtliche und politische Bewertung
Wenn jede private Kommunikation präventiv durchsucht werden darf, ohne konkreten Verdacht und ohne richterliche Anordnung, dann wird die Unschuldsvermutung aufgehoben. Jeder Bürger wird unter Generalverdacht gestellt.
Mit einer Überwachungsmaschinerie, die alles sieht und alles speichert, würden autoritären Strukturen Tür und Tor geöffnet. Einmal eingeführt, ließe sich diese Technologie leicht für andere Zwecke missbrauchen. Sei es zur politischen Kontrolle, zur Ausforschung unliebsamer Meinungen oder zur vollständigen Aushöhlung der Privatsphäre.
Zahlreiche Datenschutzorganisationen, IT-Experten, Journalistengewerkschaften und Bürgerrechtsinitiativen haben sich gegen die Verordnung ausgesprochen. Auch der Deutsche Kinderschutzbund lehnt die geplanten Maßnahmen als untauglich ab. Die Bekämpfung sexuellen Missbrauchs ist zweifellos eine staatliche Aufgabe, doch sie darf nicht zur Rechtfertigung einer anlasslosen Massenüberwachung missbraucht werden.
Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag und die AfD-Delegation im Europäischen Parlament lehnen die Chatkontrolle geschlossen ab. Wir sehen in ihr den Versuch, unter dem Vorwand des Kinderschutzes eine umfassende digitale Kontrollstruktur auf EU-Ebene zu errichten. Diese würde nicht nur die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten untergraben, sondern auch den Weg für die Überwachung politischer Kommunikation ebnen. Schon heute ist absehbar, dass die dafür geschaffene Infrastruktur in Zukunft auch für andere Zwecke genutzt werden könnte, etwa zur Bekämpfung von „Desinformation“ oder „Hassrede“. Damit würde eine Zensurtechnologie etabliert, die unserem Freiheitsverständnis widerspricht.
Die Rolle Deutschlands in der EU
Ursprünglich sollte am 14. Oktober 2025 der Rat der Europäischen Union über die endgültige Annahme der Verordnung entscheiden. Auf politischen und gesellschaftlichen Druck wurde die EU-Chatkontrolle vorerst gestoppt. Es wird derzeit darüber diskutiert, dass die finale Abstimmung möglicherweise am 6. und 7. Dezember 2025 stattfinden könnte. Bis dahin ist damit zu rechnen, dass die derzeitige dänische EU-Ratspräsidentschaft einen überarbeiteten Kompromissvorschlag vorlegt.
Damit die Verordnung in Kraft treten kann, müssen mindestens 55 Prozent der Mitgliedstaaten zustimmen, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Deutschland ist dabei das bevölkerungsreichste Land und hat somit eine Schlüsselrolle. Wenn die Bundesregierung zustimmt, wird die Verordnung wahrscheinlich angenommen. Wenn Deutschland dagegen stimmt, kann sie blockiert werden.
Das Bundesministerium der Justiz hat bekanntgegeben, dass es das umstrittene EU-Vorhaben nicht unterstützen wird; das formal federführende Bundesministerium des Innern hat sich bislang nicht eindeutig geäußert. Monatelang hatte die Regierung in Berlin den Eindruck erweckt, das EU-Vorhaben stillschweigend mitzutragen. Erst als der öffentliche Druck zu groß wurde, sah sie sich gezwungen einzuknicken. Ohne die AfD und den Widerstand der Bürger wäre dies nicht möglich gewesen. Ein klares Bekenntnis des Bundeskanzlers steht bislang aus.
Unsere Alternativen für echten Kinderschutz
Kein Mensch bei Verstand wird ernsthaft dagegen sein, die Verbreitung digitaler Darstellungen des sexuellen Kindesmissbrauchs im Internet zu bekämpfen. Allerdings sind die Mittel hierzu, wie in der CSAM-Verordnung projektiert, nicht nur untauglich und unverhältnismäßig; die Schäden, die so angerichtet würden, träfen unsere Vorstellungen von Privatsphäre ins Mark.
Die AfD steht für einen wirksamen Kinderschutz, der tatsächlich schützt, anstatt alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen. Statt anlassloser Scans fordert die AfD gezielte Ermittlungen bei konkretem Verdacht, die selbstverständlich richterlich angeordnet und überprüft werden müssen. Darüber hinaus ist es notwendig, die personelle und technische Ausstattung der Ermittlungsbehörden zu verbessern.
Schlusswort
Die geplante Chatkontrolle ist kein Instrument des Kinderschutzes, sondern ein Angriff auf die Grundrechte der Bürger. Sie schafft eine Überwachungsinfrastruktur, die weder sicher noch wirksam ist. Wenn Bürger, Journalisten, Anwälte und Ärzte künftig nicht mehr vertraulich kommunizieren können, dann ist der Rechtsstaat in Gefahr.
Die AfD wird sich weiterhin mit aller Entschiedenheit gegen diese Verordnung stellen. Wir kämpfen für einen digitalen Raum, in dem Freiheit, Sicherheit und Privatsphäre gleichberechtigt bestehen. Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie Deutschlands Stimme im EU-Rat nutzt, um dieses übergriffige Projekt zu stoppen und das nicht nur in diesem Jahr, sondern grundsätzlich.
Wichtige Links
Pressemitteilung des digitalpolitischen Sprechers der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Ruben Rupp MdB, zur geplanten Chatkontrolle vom 05. Oktober 2025: https://afdbundestag.de/geplante-eu-chatueberwachung-stellt-buerger-unter-generalverdacht
Presseerklärung der Fraktionsspitze der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Erklärung der Fraktionsvorsitzender Dr. Alice Weidel MdB vom 07. Oktober 2025: https://www.youtube.com/watch?v=RZkG14aisGo
Interview mit dem digitalpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Ruben Rupp MdB, zur geplanten Chatkontrolle vom 08. Oktober 2025: https://www.youtube.com/watch?v=iAufI5aHUvk
Pressemitteilung des digitalpolitischen Sprechers der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Ruben Rupp MdB, zur Positionierung der Bundesregierung zum Thema Chatkontrolle vom 08. Oktober 2025: https://afdbundestag.de/druck-von-buergern-und-afd-fraktion-verhindert-chatkontrolle
Rede des digitalpolitischen Sprechers der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Ruben Rupp MdB, im Zuge der Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion der AfD „Deutsches Nein zur EU-Chatkontrolle“ vom 09. Oktober 2025: https://www.bundestag.de/mediathek/video?videoid=7636953
Mit unseren besten Wünschen für ein schönes Wochenende verbleiben wir
Markus Matzerath, MdB
Deutscher Bundestag


