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Frage von Jonas O. •

Frage an Marcus Weinberg von Jonas O. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Weinberg,

wenn Sie morgen über die Öffnung der Ehe abstimmen könnten. Wie würden Sie abstimmen und warum?

Fragt kurz mit vielen Grüßen,
Jonas Ockelmann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Ockelmann,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 27. Mai 2015 zum Thema Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Sie stellen mir die Frage, wie ich mich entscheiden würde, wenn ich morgen über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften abstimmen müsste.

Aus meiner Sicht ist diese Frage nicht so einfach zu beantworten. Grundsätzlich gilt:

Menschen in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft wie in einer Ehe haben sich entschieden, nicht nur freiwillig, sondern rechtlich verbindlich füreinander einzustehen. Sie übernehmen füreinander Verantwortung, sie haben Rechte und Pflichten gleichermaßen. Das Wertesystem unserer Gesellschaft beruht auf dieser Verantwortungsübernahme, auf Fürsorge und Beistand von Menschen füreinander. Hiervon profitiert die Gesellschaft insgesamt. Es ist daher richtig, dass der Staat verbindliche Verantwortungsübernahme von Menschen fördert und dies unabhängig von der sexuellen Orientierung tut.

Eingetragene Lebenspartnerschaften werden mittlerweile in fast allen Bereichen, die das Verhältnis der Partner unter- und zueinander betreffen, materiell-rechtlich gleichgestellt mit der Ehe. Dieses geschieht in allen Rechtsbereichen, so beim Erbrecht, im Steuerrecht oder im Beamtenrecht. Dafür habe ich mich gemeinsam mit vielen anderen Parlamentariern auch der CDU/CSU Bundestagsfraktion immer eingesetzt. Zusammen mit einem Dutzend weiterer Abgeordneter gehöre ich seit der letzten Legislaturperiode zur Gruppe der „Wilden 13“. Wir sind Mitglieder der CDU und Bundestagsabgeordnete, die das Thema der steuerlichen und rechtlichen Gleichstellung in der Partei und Bundestagsfraktion vorangebracht haben und die sich diesem Ziel der Gleichstellung weiterhin verpflichtet fühlen. Alle noch bestehenden Tatbestände von Diskriminierung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft im Verhältnis der Partner zueinander sind abzustellen!

Doch bei allen Verbesserungen der Gleichstellung zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft bleiben noch zwei Unterschiede bestehen, über die zu diskutieren ist:

1. Dem expliziten Schutz der Ehe durch das Grundgesetz, der nicht für die eingetragene Partnerschaft gilt

Hier sieht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Ehe als eine Verbindung von Mann und Frau an. Der Staat schützt die Ehe zwischen Mann und Frau nicht nur deshalb, weil Partner verbindlich Verantwortung füreinander übernehmen. Sonst müsste sich der Schutz auch auf andere Verantwortungsgemeinschaften erstrecken. Der entscheidende Grund liegt in der Möglichkeit gemeinsamer Kinder, die ein besonderes Schutzbedürfnis nach Verlässlichkeit und Sicherheit haben. Dies war eine in Europa und Deutschland seit Jahrhunderten geltende Selbstverständlichkeit, ist kulturell gewachsen und seit 1949 grundgesetzlich verankert.

Es ist grundsätzlich im Interesse von Kindern, in einer stabilen Partnerschaft ihrer leiblichen Eltern beiderlei Geschlechts aufzuwachsen. Und das ist die besondere Unterscheidung: Es ist eine Tatsache, dass die Verbindungen zwischen Mann und Frau und zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partnern hier unterschiedlich sind.

Insofern ist es für viele Kritiker einer Öffnung der Ehe wertfrei, wenn diese rechtlichen Verbindungen unterschiedliche Namen tragen. Viele sind deshalb der Meinung, dass der Begriff der Ehe nicht für die eingetragenen Lebenspartnerschaften gelten soll. Viele Kritiker einer Eheöffnung haben die Sorge, dass die Ehe als Institution entwertet wird. Andere befürchten rechtliche Folgen, die juristisch absehbar dadurch erwachsen könnten.

Gleichzeitig argumentieren die Befürworter einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, dass genau das Gegenteil der Fall ist und die Institution der Ehe gestärkt wird. Ein weiteres wichtiges Argument ist, dass diese gerade vor dem Hintergrund des kulturellen Gewichts natürlich auch für gleichgeschlechtliche Partner und gesamtgesellschaftlich einen größeren Bedeutungshorizont besitzt. Somit ist es gedanklich nachvollziehbar, wenn gleichgeschlechtliche Partner nicht nur „verpartnert“, sondern endlich „verheiratet“ sein wollen.

2. Dem Recht nicht-leibliche Kinder zu adoptieren

Für das Grundgesetz gilt bislang, dass nur die Verantwortungsgemeinschaft grundgesetzlich geschützt werden muss, aus der Kinder hervorgehen könnten. Für Adoptionen durch nicht leibliche Paare gilt die Annahme, dass das aktive Erleben beider Rollenmodelle, Mutter wie Vater, wichtig für die Identitätsentwicklung von Kindern ist. Kinder brauchen weibliche und männliche Identifikationsmuster. Mit diesem Leitbild wurden die Rechte von Vätern in den vergangenen Jahren im Sorge- und Umgangsrecht gestärkt, wurden die Partnermonate beim Elterngeld eingeführt und wurde versucht, mehr Männer für den Erzieherberuf zu gewinnen.

Über die Rollenidentifikation und deren Bedeutung kann und muss man diskutieren. Hierfür ist die jetzige Forschungslage jedoch nicht ausreichend. Wie der wissenschaftliche Dienst des Bundestages feststellte, gibt es hierzu nicht genügend Fallstudien, um hier eine wissenschaftlich qualifizierte Aussage treffen zu können. Daher bedarf es mehr wissenschaftlicher Forschung. Auf dieser aufbauend, kann man ggf. über Änderungen im Adoptionsrecht diskutieren.

Angedachte Änderungen des Grundgesetzes und des Adoptionsrechts breit und offen diskutieren

Unser Grundgesetz ist mittlerweile 66 Jahre alt. Es muss sich auch als Werteinstanz Veränderungen anpassen. Aber alle Veränderungen müssen breit diskutiert werden. Damit schützen wir auch die hohe Akzeptanz des Grundgesetzes.

Wichtig ist es hierbei für mich, dass die Volkspartei CDU sich in ihrer innerparteilichen Willensbildung nicht treiben lässt. Gerade der politische Gegner hat das naheliegende Ziel die Christlich Demokratische Union vorzuführen. Gerade bei einer Volkspartei, die sich auch auf die christlichen Wurzeln und die christliche Prägung unserer Gesellschaft beruft, ist es kein Wunder, dass es zu diesem Thema traditionelle Positionen gibt. Aus diesem Grund ist der offene, respektvolle und an der Sache ausgerichtete Dialog das erfolgversprechendste Mittel für die eigene Sache zu werben. Dieses geschieht.

Grundsätzlich werbe ich aber dafür, nicht nur innerparteilich, sondern auch gesamtgesellschaftlich die Diskussion über die grundgesetzliche Gleichstellung zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft und mögliche Änderungen im Adoptionsrecht mit Verständnis für die jeweilige andere Sicht zu führen. Es kann und darf nicht sein, dass Politikerinnen und Politiker, die nicht eins zu eins dem Mainstream in der Presse folgen, mit Häme und Intoleranz konfrontiert werden. Wo bleibt die Meinungsvielfalt, wo der Respekt vor dem kulturellen Hintergrund anderer Menschen? Ich bin der Meinung, dass man in dieser Sache unterschiedlicher Auffassung sein darf, ohne dass damit eine Diskriminierung bestimmter Lebensmodelle verbunden ist. Intoleranz der einen Gruppe bekämpft man nicht durch Intoleranz einer anderen. Vor allem nicht, wenn es um komplizierte rechtliche Abwägungen geht.

Das Referendum in Irland ändert dabei nichts an meiner Position oder an den Argumenten. Wie würden wir denn diskutieren, wenn Irland anders ausgegangen wäre? Würden wir dann über den Rückbau der Gleichstellung reden? Ich hoffe nicht, denn ich habe weiterhin vor, mich für die Gleichstellung einzusetzen. Mein Antrieb ist hierbei ein klassisches Gerechtigkeitsempfinden: In allen Punkten, wo es bei eingetragenen homosexuellen Lebenspartnerschaften um die Beziehung der Partner zueinander geht, ist die Lebenspartnerschaft der Ehe vollkommen gleichzustellen.

Noch eins zum Schluss: Die Geschichte der Bundesrepublik hat im Umgang mit Homosexuellen einen schwarzen Fleck. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Homosexuelle, die aufgrund des erst 1994 vollständig abgeschafften Paragrafen 175 StGB verurteilt wurden, heute endlich rehabilitiert werden. Die bundesdeutsche Gesellschaft hat die Verpflichtung zur Aufarbeitung und Rehabilitierung gleichermaßen.

Um ihre Frage noch einmal auf den Punkt gebracht zu beantworten: Stand heute würde ich einer Öffnung der Ehe nicht zustimmen. Grundsätzlich stehe ich jedoch der Diskussion um die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften aufgeschlossen gegenüber. Einige wichtige inhaltliche Punkte müssen jedoch geklärt und die Partei als Ganzes mitgenommen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Marcus Weinberg