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Knut Fleckenstein
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Frage von Constantin C. •

Frage an Knut Fleckenstein von Constantin C. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Fleckenstein,

seitdem die Ratifizierung des Lissabonner Vertrags gesichert scheint, hat eine Art Wahlkampf begonnen, wer die wichtigen neuen Positionen des Präsidenten und EU-Außenminister ausüben soll. Abgesehen von Namen und sehr vagen Visionen werden allerdings kaum Inhalte besprochen. Zudem besteht dabei keinerlei Verbindung zur allgemeinen Bevölkerung und die meisten Besprechungen finden hinter geschlossenen Türen statt.I ch hoffe, dass sie etwas Licht auf diesen Auswahlprozess werfen können.
Wie soll in diesem System, dem sowieso schon immer ein Demokratiedefizit vorgeworfen wird, Transparenz und die Verantwortlichkeit gegenüber den EU-Bürgern erhalten werden? Welche Rolle kann das Europaparlament dabei spielen? Warum erfahren wir fast nichts über die Inhalte und Programme, für die die Kandidaten stehen?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort

Mit freundlichen Grüßen

Constantin Calavrezos

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Calavrezos,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an der Europäischen Union. Ihre Kritik am Auswahlprozess des Präsidenten des Europäischen Rates und der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik ist nach meiner Auffassung nachvollziehbar und verständlich.

Die Benennung des Präsidenten des Europäischen Rates (Herman Van Rompuy) und des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik (Catherine Ashton) ist den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten vorbehalten. Sie müssen sich in Verhandlungen auf zwei Kandidaten einigen, die eine Zustimmung der 27 Mitgliedstaaten nach qualifizierter Mehrheit bekommen müssen. Eine Bestätigung des Präsidenten des Europäischen Rates durch das Europäische Parlament ist laut den geltenden EU-Verträgen nicht vorgesehen. Ich gebe Ihnen recht, dass dies jedoch die demokratische Legitimation und den inhaltlichen Austausch sicherlich fördern würde.

Die Hohe Vertreterin hingegen wird wie alle anderen Kandidaten für das Amt der Kommissare am 11. Januar einer dreistündigen Anhörung im Europäischen Parlament unterzogen. Im Zuge dieser Anhörungen kann sie durch das Europäische Parlament abgelehnt werden. Dies hieße aber, dass der Kommissionspräsident seine gesamte vorgeschlagene Kommission zurückziehen müsste. Das Europäische Parlament kann nicht die Ernennung eines einzelnen Kommissars verhindern, sondern nur das Team der Kommissare insgesamt ablehnen. Dies hat sich in der bisherigen Praxis allerdings immer als sehr wirksame Drohung erwiesen.

Eine ausführliche Darstellung über die Anhörungen der vorgeschlagenen Kommissare und den Kriterien, an welchen sich diese messen lassen müssen, finden Sie auf der Webseite des Europäischen Parlaments. Hearings < http://www.europarl.europa.eu/hearings/default.htm?language=DE >

Die Anhörungen der einzelnen Kandidaten für das Amt der Kommissare in den Ausschüssen des Europäischen Parlaments können Sie übrigens live mitverfolgen. Sie können sie auf folgender Webseite des Europäischen Parlaments abrufen (11.-19.Januar 2010): Live Stream Ausschüsse < http://www.europarl.europa.eu/wps-europarl-internet/frd/live/live-program?language=de > http://www.europarl.europa.eu/wps-europarl-internet/frd/live/live-program?language=de

Unter den folgenden Links finden Sie auch die durch das Europäische Parlament schriftlich formulierten Fragen an die vorgeschlagenen Kommissare, die den Anhörungen im Europäischen Parlament vorausgehen. Anfragen an die Kommission < http://www.europarl.europa.eu/hearings/commissioners/getHomePage.htm?language=DE > / Inhaltliche Anfragen an die Kommission < http://www.europarl.europa.eu/hearings/static/commissioners/annex/annex_de.pdf >

Dies ist sicherlich schon einmal hilfreich für Ihr Anliegen, bezüglich der Transparenz und der inhaltlichen Debatte.

Nichtsdestotrotz möchte ich gerne noch einmal auf das Verfahren und das von Ihnen angesprochene Demokratiedefizit zurückkommen. Die Europäische Gemeinschaft, seit dem 1. Dezember 2009 nun ausschließlich die Europäische Union, muss meiner Ansicht nach in ihrem historisch gewachsenen Kontext beurteilt werden. In der ganzen Welt gibt es keine vergleichbare supranational organisierte Institution wie die Europäische Union. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der erst knapp über 60 Jahre zurückliegt, hat sich eine Gemeinschaft herausgebildet, die die Vorstellung eines Krieges zwischen europäischen Staaten geradezu absurd erscheinen lässt, und die einen europäischen Binnenmarkt hervorgebracht hat, der Europa in der Welt zu einem wirtschaftlichen Schwergewicht macht. Europa ist in der Welt die Gemeinschaft mit den höchsten sozialen Standards für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie Vorreiter in der Umwelt- und Klimapolitik. Ich meine, dass uns dennoch viel zu tun bleibt, um die europäische Solidargemeinschaft weiter voran zu treiben. Mit der Ratifizierung des Vertrages von Lissabon ist der nächste Schritt getan und ein weiterer Fortschritt im Bereich der Demokratisierung gemacht. Je weiter die Integration voranschreitet, umso demokratischer wird die Europäische Union werden.

Ich teile Ihre Bedenken, jedoch müssen wir weiter vorankommen und dürfen in diesem schrittweisen Prozess der europäischen Integration unser Ziel einer demokratischen und transparenten EU, ein "Europa der Bürgerinnen und Bürger", nicht aus den Augen verlieren. Als Mitglied des Europäischen Parlaments setze ich mich für genau dieses Ziel ein. Ein Schritt in die richtige Richtung ist für mich die in der vergangenen Woche von den Europäischen Sozialdemokraten getroffene Entscheidung, in die nächste Europawahl mit einem gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten zu ziehen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einige nützliche Hinweise und Antworten geben, auch wenn es schwierig ist, Ihre Frage in all ihrer Komplexität in wenigen Sätzen zu beantworten. Kurzum: Sie haben Recht. Das Demokratiedefizit, der Transparenzmangel ist vorhanden, aber die Europäische Union entwickelt sich stetig vorwärts, wenn auch sehr langsam.

Kommen Sie gerne in eine meiner Bürgerinnen- und Bürgersprechstunden, um dieses Thema mit mir zu diskutieren. < http://www.knut-fleckenstein.eu/ >

Mit freundlichen Grüßen,

Knut Fleckenstein