Hallo Herr Ziegler, in der Presse wird viel über die Rente mit 70 diskutiert. Wie ist Ihre Position dazu?

Lieber Kevin K.
In der Tat sind die Diskussionen über die Rente mit 70 in einer gesellschaftlichen Breite und Tiefe entbrannt, die darauf hindeuten, dass in absehbarer Zeit eine Rentenreform mit dieser Zielrichtung erwartbar ist.
Dazu möchte ich vorab darauf hinweisen, dass ich kein Rentenexperte bin, und die Frage somit nur aus meinem Allgemeinwissen heraus und mit Rückgriff auf meine persönliche, nicht abgeschlossene Meinungsbildung beantworten kann.
Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass auch mit steigender Lebenserwartung, und somit mit verlängerter Auszahlungsdauer der Altersrente, eine Lebensarbeitszeit von 45 Jahren ausreichen sollte, um die Altersrente abschlagsfrei zu erhalten.
Viele Berufe machen es zudem unmöglich noch mit 70 Jahren ausgeübt zu werden. Die besten Beispiele dafür sind die typischen Bauberufe: Maurer, Zimmermann, Fliesenleger oder Dachdecker (Aufzählung unvollständig). Zudem ist es ab einem Alter von 60 Jahren schwieriger, noch einmal umzulernen.
Deshalb müssten Berufsgruppen festgelegt werden, in welchen die Beschäftigten aus berufsspezifischen Gründen einer besonderen gesundheitlichen Belastung und körperlichen Abnutzung ausgesetzt sind und deshalb nach langjähriger Tätigkeit frühzeitiger die volle Altersrente beziehen können.
Bei Polizeibeamten (Beamtenrecht und Beamtenpension bzw. Ruhegeld) ist dies aus anderen Gründen, hier z.B. der verringerten persönlichen Leistungsfähigkeit im Streifendienst, bereits seit Jahrzehnten geregelt. (ausdrücklich nicht wegen, wie bei Bauberufen z.B. berufsbedingtem Gelenkverschleiß).
Erklärbar ist ein solcher Ausnahmetatbestand dadurch, dass diese Berufsgruppen gesellschaftlich von großer Bedeutung und unverzichtbar sind und sich Personen finden müssen, die die Bereitschaft haben sich in unserer heutigen Zeit diesen körperlichen Anstrengungen auszusetzen. Sie dürfen später nicht den Nachteil einer ungerechten Behandlung haben, wenn ihre persönliche Leistungsfähigkeit eine weitere Berufsausübung nicht mehr zulässt.
Dennoch muss man erkennen, dass der demografische Wandel, wir in der AfD nennen es die von der Politik leichtfertig hingenommene gesellschaftliche Katastrophe, es erforderlich macht, die Altersrente den Herausforderungen durch diese Belastungen (mehr Rentennehmer und weniger junge Beitragszahler) anzupassen.
Das heißt, mehr Menschen müssen länger in die Rentenversicherung einzahlen, um das Rentensystem stabil zu halten.
Das kann jedoch in unterschiedlicher Weise geschehen. Ich setze hierbei mehr auf Fördern als auf Fordern sowie einen innergesellschaftlichen Solidarausgleich.
Dabei wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, wenn Menschen, die ab einem Alter von 67 Jahren noch arbeiten können und wollen, eventuell zur Steuerfreiheit auch überproportional mehr Rentenpunkte erwerben können. Dies würde ein freiwilliges längeres Arbeiten für viele noch attraktiver machen.
Wenn die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters unumgänglich wäre, könnte sinnvoll sein, ab einem Lebensalter von z.B. 65 oder 67 Jahren, bereits eine Teilrentenzahlung zu gewähren. Das bedeutet, wenn es gesundheitlich möglich ist, weiter in Teilzeit zu arbeiten und dabei bereits parallel einen Teil (eventuell 30 Prozent) der Altersrente zu beziehen.
Dies würde besonders in Verbindung mit der Steuerfreiheit und der überproportionalen Erwerbsmöglichkeit zusätzlicher Rentenpunkte, auch die persönliche Einnahmelücke durch Teilzeitarbeit schließen und von Arbeitnehmern als nützlich erkannt werden.
Ein solches Modell ist sicherlich in seiner Erarbeitung und Berechnung kompliziert, aber diese Variante lohnt sich vielleicht betrachtet zu werden.
Zudem müssen die Abgeordnetenpensionen und die beamtenrechtlichen Pensionszahlungen, mit der gesetzliche Rentenversicherung zusammengeführt werden, um so einen solidarischen Ausgleich zwischen allen rentenberechtigten Bürgern herzustellen.
Ebenso ist es erforderlich, die versicherungsfremden Leistungen, die aus der Rentenversicherung geleistet werden, auch vollständig mit Steuerzuschüssen zu finanzieren.
Als wichtigste, in die Zukunft gerichtete und langfristig wirksame Veränderung, ist es die politische Aufgabe, eine auf mehr Familiengründungen und Geburten ausgerichtete Gesamtstrategie zu erarbeiten, mit staatlichen Förderungen zu unterlegen und umzusetzen. Wenn dies zu mehr Nachwuchs in unserem Land führt, hilft es das demografische Gleichgewicht innerhalb der deutschen Bevölkerung wieder herzustellen und somit das Rentensystem zu stabilisieren.
Mit freundlichen Grüßen Kay-Uwe Ziegler