Wenn die Migration nicht den Aufstieg der AfD befördert hat, was ist es dann? Gerne mehrere Gründe aus Ihrer Sicht angeben. Vielen Dank.
Migration halte ich auch nicht für den einzigen Grund, warum so viele Menschen AfD wählen. Aber das wegzudiskutieren lässt das traurige Phänomen nicht verschwinden. Andere sehen die Ursache bei den Spitzen-Politiker:innen, die nicht als Volksvertreter:innen sondern empathielos (Merz), gewissenlos (Cum-ex Scholz) und/oder für Partikularinteressen von Lobbies oder mit eingeschränktem Blick für die Realität vor Ort agieren. Ich denke, dass die Politik der letzten Regierungen in allen Facetten dafür verantwortlich ist. Ob Migration, Klima- oder Wirtschaftspolitik: Vieles war gut gemeint aber schlecht umgesetzt. Wenn z.B. Migrant:innen aus guten Gründen aufgenommen werden, muss der Bund dafür sorgen, dass die verantwortlichen Kommunen bereit und in der Lage sind, sie gut zu integrieren, ohne dass Alteingesessene das Gefühl bekommen, sie werden dafür vernachlässigt. Dafür fehlen Mittel und Personal, während es in den Bundesministerien 47% mehr Personal als 2013 gibt. Bitte erklären Sie das.

Lieber Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachricht!
Der derzeitige Erfolg der AfD bei Wahlen und in Umfragen geht auf eine Vielzahl von Faktoren zurück.
In der Grünen Bundestagsfraktion sind wir allerdings überzeugt, dass es nicht sinnvoll ist, sich in der öffentlichen Debatte allein auf das Thema Migration zu konzentrieren – denn das hilft letztlich nur der AfD. Sie kann hier mit emotionalen, aber oft in Teilen unwahren Botschaften Aufmerksamkeit gewinnen. Das heißt, dass die AfD vor allem aufgrund der Art und Weise, wie über Migration öffentlich diskutiert wird, erfolgreich ist – und nicht aufgrund der Faktenlage. Die AfD profitiert davon, dass sie Ängste vor Menschen mit Migrationshintergrund schürt und diese für eine Vielzahl von Herausforderungen, vor denen wir in Deutschland stehen, verantwortlich macht. Sie profitiert außerdem davon, dass die Union ihr in diesen Punkten nacheifert, anstatt ihr zu widersprechen und das Thema Migration objektiv einzuordnen.
Zur objektiven Einordnung gehört, dass viele der Vorschläge von AfD und Union entweder praktisch nicht umsetzbar oder rechtlich mindestens fragwürdig sind. Sie adressieren auch nicht die wahren Herausforderungen, die es beim Thema Migration natürlich unzweifelhaft gibt – zum Beispiel, wie wir Menschen, die neu nach Deutschland kommen, am besten unterbringen und in Gesellschaft und Arbeitsmarkt integrieren können. Wir Grüne haben uns immer dafür stark gemacht, dass gerade diese Herausforderungen angegangen und die Kommunen dabei effektiv entlastet werden.
Darüber hinaus stehen wir in Deutschland, wie Sie richtig feststellen, vor einer Vielzahl weiterer Herausforderungen: Wir müssen die Wirtschaft zukunftsfähig machen, Natur und Klima – und damit auch die Menschen – schützen und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. Auch diese Herausforderungen und die damit verbundenen Unsicherheiten und Ängste tragen zum derzeitigen Erfolg der AfD bei. Wir demokratischen Parteien müssen Jobs sichern, für faire Löhne sorgen sowie Umweltschutz und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang bringen. Sonst riskieren wir, dass Wähler*innen den leeren Versprechungen der AfD über eine angeblich rosige Zukunft in der Welt von gestern verfallen.
Viele Grüße
Team Dröge