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Julia Klöckner
CDU
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Frage von Svetlana L. •

Warum verstößt die ursprünglich geplante Teilnahme des queeren Mitarbeiter_innen-Netzwerks gegen die Neutralitspflicht, das Hissen der Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude aber nicht?

Sehr geehrte Frau Klöckner,

ist das Eintreten für demokratische Grundwerte, wie z. B. Akzeptanz anderer, gesellschaftliche Vielfalt, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, nicht erste Bürgerpflicht gerade in Zeiten, wo CSDs sogar abgesagt werden müssen, weil die Gefährdungseinschätzung nicht kalkulierbar ist?

Bitte überdenken Sie Ihre Entscheidung und ermöglichen Sie Ihren queeren Mitarbeiter_innen offen zu zeigen, dass der Bundestag ein queerfreundlicher Arbeitgeber ist (ist er doch, oder?).

Die Teilnahme des queeren Mitarbeiter_innen-Netzwerks am Berliner CSD wäre ein wichtiges und weithin sichtbares Zeichen der Solidarität mit der queeren Community!

Mit irritierten. aber hoffnungsvollen Grüßen

Svetlana L.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau L.,

danke für Ihre Frage. Da Sie sich auf meine Aufgaben als Bundestagspräsidentin beziehen, antworte ich Ihnen nicht in meiner Funktion als Abgeordnete, sondern als Vertreterin des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag und der Gesamtheit seiner Mitglieder sowie dank der Zuarbeit der Bundestagsverwaltung: 

Ihr Feedback schätze ich sehr und bin dankbar für die Gelegenheit, Ihnen unsere Entscheidung im Hinblick auf den CSD näher erläutern zu dürfen. Ich kann gut verstehen, dass diese Entscheidung unterschiedliche Reaktionen hervorruft. Mich haben zahlreiche Rückmeldungen in den vergangenen Tagen erreicht – sowohl zustimmende als auch kritische Stimmen.

Klar ist: Es gibt kein Verbot der Teilnahme von Beschäftigten der Bundestagsverwaltung am diesjährigen CSD. Die private Teilnahme steht den Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung selbstverständlich frei – egal, ob individuell oder als Gruppe. Dies gilt für alle politischen Versammlungen im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Zugleich stellt auch niemand in der Bundestagsspitze Menschenrechte oder Vielfalt in Frage, wie es teilweise behauptet wird.

Richtig ist, dass der Direktor beim Deutschen Bundestag die grundsätzliche Entscheidung getroffen hat, dass die Bundestagsverwaltung bei politischen Demonstrationen nicht als Institution teilnimmt bzw. in Erscheinung tritt. Im Vordergrund steht hierbei die notwendige politische Neutralität der Verwaltung. Das betrifft dann auch den CSD, der sich selbst als „politische Demonstration“ beschreibt und der sehr konkrete und weitreichende Forderungen an die Politik stellt, die weit über Menschenrechte und Vielfalt hinausgehen. Aus ihrem Selbstverständnis heraus muss insbesondere eine Parlamentsverwaltung den Eindruck vermeiden, dass sie sich politische Forderungen zu eigen macht, ganz gleich, wie ehrenwert die Anliegen politischer Demonstrationen sein mögen.

Aus demselben Grund nehmen auch keine Gruppen des Bundestags an Demonstrationen zum Klimaschutz oder zur Lage im Nahen Osten oder am Marsch des Lebens teil. 

Das war seither die klare Linie und stand lange Zeit nicht in Frage, bis im Fall des CSD in den Jahren 2023 und 2024 dann davon abgewichen wurde als begründete Maßnahme zur Personalgewinnung. Einer diskriminierungsfreien und vielfältigen Personalgewinnung und -entwicklung sieht sich die Bundestagsverwaltung auch weiterhin verpflichtet. So war sie im Juni z. B. auf der – nach Angaben des Veranstalters – größten LGBTIQ+ Jobmesse Europas mit einem Stand vertreten. Zudem hat die Bundestagsverwaltung die Charta der Vielfalt unterzeichnet, was ich weiterhin ohne Einschränkung unterstütze.

Ein politisches Zeichen für Vielfalt habe ich auch jüngst durch das Hissen der Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude am 17. Mai 2025 gesetzt. Dies ist der Jahrestag, an dem die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel für Krankheiten strich. Dieser Tag wurde entscheidend im Kampf gegen Diskriminierung und für die Akzeptanz der Unterschiedlichkeit und Gleichwertigkeit aller Menschen. Der Bundestag legte im Jahr 2002 den Beschluss der Ergänzung des NS-Aufhebungsgesetzes, wonach unter anderem die Urteile gegen Homosexuelle in der Zeit des Nationalsozialismus für nichtig erklärt wurden, symbolisch auf den 17. Mai. Hier gibt es – anders als beim CSD – einen klaren parlamentarischen Bezug.

Der Deutsche Bundestag steht mit dieser Entscheidung im Einklang mit den Bundesministerien, für die bereits am 28. April dieses Jahres vom Bundesministerium des Innern unter Nancy Faeser festgelegt wurde, dass sich das Setzen der Regenbogenflagge auf einen konkreten Termin eines Kalenderjahres beziehen und auf einen einzigen Termin im Jahr beschränkt bleiben muss. Ist die Regenbogenflagge bereits zu einem Ereignis gesetzt worden, kann sie demnach zu keinem weiteren Ereignis innerhalb desselben Kalenderjahres mehr gehisst werden. Dieser Ansatz ist richtig, deshalb habe ich ihn für den Deutschen Bundestag auch so getroffen.

Auch wenn wir in der Sache vielleicht nicht beieinander liegen, war es mir wichtig, Ihnen unsere Beweggründe zu erläutern.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir als seiner Präsidentin Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de

Herzliche Grüße
Julia Klöckner

 

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