Josip Juratovic MdB
Josip Juratovic
SPD
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Frage von Elvin C. •

Unterstützen Sie die Entwicklung des Luftkampfsystems Future Combat Air System, obwohl es als ein auf künstlicher Intelligenz und bewaffneten Drohnen basierendes Waffensystem geplant ist?

Josip Juratovic MdB
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr C.

innerhalb der SPD ist das Thema Future Air Combat System (FCAS) ein Thema, das durchaus kontrovers diskutiert wird. Während wir im Juni die für die aktuelle, noch sehr frühe Entwicklungsphase die vom Verteidigungsministerium beantragten Gelder freigegeben haben, haben wir als Fraktion auch klargestellt, dass die Bewilligung weiterer Gelder für anstehende Entwicklungsschritte nur unter strengen Auflagen und enger parlamentarischer Kontrolle geschehen wird. Bevor das System frühestens um das Jahr 2040 nach aktuellen Planungen einsatzbereit sein könnte, gibt es also noch ausreichend Möglichkeiten für den Bundestag und die Bundesregierung, auf die genaue Ausgestaltung dieses Projekts Einfluss zu nehmen. 

Ich kann Ihre durchklingenden Sorgen um die wachsende Rolle von künstlicher Intelligenz in Rüstungsprojekten vollkommen verstehen. Die Idee, dass eine Maschine finale Entscheidungen über Leben und Tod trifft, ist eine furchteinflößende - hierzu darf es niemals kommen. Ebenso wie bei bewaffneten Drohnen besteht hier aber auch in der öffentlichen Debatte oft ein gewisses Missverständnis über die Funktionsweise und Zielsetzung entsprechender Technologien. 

Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in moderne Waffensysteme bedeutet so nicht, dass diesen eine Autonomie im Handeln gegeben werden soll. Das heißt - und anders lässt es die deutsche Rechtslage auch aus guten Gründen nicht zu - dass Entscheidungen stets von Menschen getroffen werden, mit klar definierter Verantwortung und gemäß der militärischen Befehlskette. KI wird allein zur Unterstützung dieser menschlichen Entscheidungsprozesse eingesetzt.

Das betrifft bspw. die Erstellung von detaillierten militärischen Lagebildern durch eine KI-gestützte Analyse von Aufklärungsdaten wie Satellitenbildern oder Luftraumüberwachung, wo kein Mensch mit der gleichen Geschwindigkeit und Präzision Informationen sichten kann, wie es mit modernen Computern möglich ist. So haben menschliche Befehlshaber mehr Zeit und Verständnis für die Gesamtlage um bessere Entscheidungen in hochkomplexen Gefechtssituationen treffen zu können. Ein anderes Szenario betrifft auch die Luftabwehr, wo der Einsatz von Drohnen durch militärische Kontrahenten die Geschwindigkeit im Gefecht soweit erhöht hat, dass kein Soldat auf dem Boden manuell darauf reagieren könnte. Nur ein Computer vermag es hier, Bedrohungen schnell genug zu erkennen, an einen Befehlshaber zu melden und nach dessen Freigabe automatisiert abzuwehren. 

Der Einsatz derartiger Systeme im jüngsten Konflikt in Bergkarabach hat demonstriert, dass diese Szenarien keine militärischen Hirngespinste oder Zukunftsmusik sind, sondern bereits heute Realität. Ob wir es wollen oder nicht - auf diese neuen Bedrohungslagen seitens militärischer Kontrahenten, insbesondere solchen mit wenig Hemmungen gegenüber dem mittelfristigen Einsatz auch von vollautomatisierten Waffensystemen, müssen wir reagieren. Eine pauschale Ablehnung dieser Waffensysteme wird ihre globale Verbreitung nicht aufhalten, sondern allein die Einsatzfähigkeit unserer Bundeswehr und den Schutz unserer Soldat*innen untergraben.

Das bedeutet aber nicht, dass wir Bedenken dagegen ignorieren dürfen. Im Gegenteil! Sie sind berechtigt und wir tun gut daran, Warnungen und Mahnungen zuzuhören und sie mit klaren rechtlichen Eingrenzungen in der Entwicklung derartiger System und für ihren Einsatz zu berücksichtigen. Nur so stellen wir sicher, dass wir diese Systeme so entwerfen, dass sie unseren grundgesetzlichen Werten und Normen und den Maßgaben des Völker- und Menschrechts kompatibel sind und nicht zu neuen Grenzüberschreitungen und Eskalationen in der modernen Kriegsführung resultieren. Ich danke Ihnen deshalb für Ihre Nachfrage und ihre kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema. 

Mit freundlichen Grüßen
Josip Juratovic

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