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Frage von Utz W. •

Frage an Joachim Poß von Utz W. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Poß,

vielen Dank für Ihre Darlegungen vom 24.11.2011, die meine Fragen nicht beantworten.

1. Die von Ihnen direkt und im "Nationalen Pakt für Bildung und Entschuldung" aufgeführten Intentionen bringen zwar Mehreinnahmen, stehen aber in keinem Zusammenhang mit dem von mir aufgeworfenen Kernproblem der „legalen“ Steuervermeidung und meiner Frage, warum die SPD nicht an diese Thema herangeht, statt an anderer Stelle Steuern erhöhen zu wollen.
2. Die mangelnde Beteiligung von Unternehmen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens kann nicht Union und FDP angelastet werden, die erst seit zwei Jahren regieren; in den elf Jahren davor waren ununterbrochen Finanzminister der SPD im Amt.
Das von mir zitierte Einzelbeispiel der Körperschaftssteuer unterstreicht das. Von 2000 auf 2001 hat Hans Eichel die damaligen 23 Mrd. Einnahmen auf unter Null gesetzt. Als diese sich 2006/2007 dann fast bis auf das Niveau von 2000 erholt hatten, senkte Steinbrück den Satz von 25% auf 15% und finanzierte den Ausfall von 7 Mrd. durch die Erhöhung der MWSt um das berüchtigte dritte Prozent. Derzeit liegt sie bei 12 Mrd.
12 Mrd. als 15% Steuer auf die Gewinne aller Kapitalgesellschaften, die von der Bundesregierung schon für 2005 mit 420 Mrd. angegeben wurden (Bundestagsdrucksache 16/3071) und für 2010 auf 494 Mrd. geschätzt werden. Die Körperschaftssteuer sollte mit über 70 Mrd. eine Haupteinnahmenquelle sein und ist dank geduldeter Steuervermeidung zur Bagatellsteuer verkommen, die weniger einbringt als die Tabaksteuer, über 60 Mrd. zu wenig.
Das ist nur e i n Beispiel!

Ich bitte Sie also nochmals um Antwort auf meine Frage, warum die SPD sich des so dramatischen Themas der Steuerschlupflöcher nicht annehmen will und stattdessen Mehreinnahmen auf weit weniger lukrativen Nebenschauplätzen sucht.

Vielen Dank im Voraus und freundliche Grüße

Utz Wilke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wilke,

da Sie sich offensichtlich mit der Entwicklung der Unternehmensbesteuerung in den letzten Jahren befasst haben, verstehe ich nicht, wie Sie zu der Aussage kommen, dass Union und FDP nicht "die mangelnde Beteiligung von Unternehmen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens" angelastet werden könne. Eigentlich sollten Sie wissen, dass Union und teilweise FDP während der von Ihnen angesprochenen Jahre meist über den Bundesrat an steuerpolitischen Weichenstellungen beteiligt waren. Während die SPD auf gerechte Besteuerung aller nach ihrer Leistungsfähigkeit setzt und setzte, ging es Union und FDP dabei vor allem um die Interessen der Unternehmen. Ähnlich war die Lage übrigens als die SPD in der großen Koalition steuerpolitische Kompromisse mit der Union finden musste.
Generell sollten Sie bei der Belastung der Unternehmen nicht die Körperschaftsteuer isoliert betrachten. Wegen des gleichmäßigeren Aufkommens hat man in den vergangenen Jahren sehr bewusst stärker auf die Gewerbesteuer gesetzt, um die Unternehmen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens zu beteiligen.

Dies spiegelt auch die aktuelle Steuerschätzung wieder. Diese prognostiziert für die Körperschaftsteuer Einnahmen, die von 18 Mrd. Euro(2012) auf über 20 Mrd. (2016) ansteigen. Gleichzeitig steigen die prognostizierten Einnahmen aus der Gewerbesteuer von 36 Mrd. Euro auf knapp 45 Mrd. an.
Sollte Ihnen - ebenso wie der SPD - an einer angemessenen Beteiligung der Unternehmen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens gelegen sein, dann sollten Sie eher kritisch die aktuellen Bestrebungen der Regierungsparteien hinterfragen: Union und FDP drohen seit Amtsantritt, die Bemessungsgrundlage der Unternehmensbesteuerung zu verkleinern. Nicht zuletzt das erfolgreiche Eintreten der SPD für die Gewerbesteuer macht deutlich: Die Sozialdemokratie setzt auf eine angemessene Beteiligung der Unternehmen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens. Dieses Ziel steht auch in keinerlei Widerspruch zu unseren weiteren steuerpolitischen Vorschlägen.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Poß