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Joachim Poß
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Frage von Siegfried S. •

Frage an Joachim Poß von Siegfried S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Poß,

aufgrund des von rot/grün eingeführten Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) wurden die vor Einführung des Gesetzes beitragsfreien Auszahlungen aus Kapitallebensversicherungen ( hier Direktversicherung ) ohne Bestandsschutz der Altverträge kurzerhand den Betriebsrenten und Versorgungsbezügen gleichgestellt! Rund 18 Prozent der Auszahlungssumme (Kapitalzahlung ) werden bei Fälligkeit und in der Regel parallel zum Renteneintritt über einen Zeitraum von 10 Jahren und im Rahmen einer nachgelagerten Verbeitragung (KV und Pfl.-Versicherung ) abgezogen! Dabei werden die monatlichen Beiträge - je nach Beitragsentwicklung - auch noch dynamisiert! (aus z.B. 60 Euro werden im Laufe der Zeit 65 Euro mtl. )
Ich empfinde diese nachgelagerte Verbeitragung als zutiefst ungerecht, sie steht übrigens auch gegen das politische Ziel aller Parteien, dass sich die Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrer zu erwartenden Rente absichern sollen ! Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz wurde für den Bereich der Privatversicherten gebrochen, sie zahlen weder Beiträge zur Betriebsrente, noch auf betrieblich abgeschlossene Verträge ! Sehen sie als Abgeordneter eine Möglichkeit - dieses Thema erneut im Deutschen Bundestag einzubringen um diese Ungerechtigkeit durch eine Gesetzesnovelle abzustellen !?

Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Schmitz

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schmitz, lieber Siegfried,

Ich verstehe Ihre Verärgerung über die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf die Einmalzahlung aus Ihrer betrieblichen Direktversicherung. Sie hatten mit dem vollen Auszahlungsbetrag gerechnet und sahen sich zum Zeitpunkt der Auszahlung statt dessen der vollen Beitragspflicht ausgesetzt. Ihre Unzufriedenheit darüber, dass sich Ihre betriebliche Altersvorsorge für Sie nicht wie erwartet gelohnt hat, ist uneingeschränkt nachvollziehbar.

Der Bundesgesetzgeber hat mit dem GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2004 im Konsens mit CDU und CSU eine gesetzgeberische Entscheidung zur beitragsrechtlichen Gleichbehandlung von Versorgungsbezügen innerhalb der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung getroffen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren regelmäßig fortlaufende Rentenzahlungen aus betrieblichen Altersvorsorgeverträgen nämlich bereits beitragspflichtig, Einmalzahlungen hingegen nicht. Die Entscheidung des Bundesgesetzgebers beendete diese Ungleichbehandlung und war sachlich richtig. Sie diente der Finanzstabilität der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, von der insbesondere gesetzlich versicherte Rentnerinnen und Rentner und damit auch Sie persönlich über den umfassenden solidarischen Versicherungsschutz und ein hohes medizinisches und pflegerisches Versorgungsniveau im Versicherungsfall profitieren.

Inzwischen haben alle zuständigen obersten Bundesgerichte und das Bundesverfassungsgericht die unterschiedlichen Wirkungen der beitragsrechtlichen Regelung geprüft und bestätigt. Recht- und verfassungsmäßig war danach auch der mit der Regelung verbundene rückwirkende Eingriff in die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits abgeschlossenen betrieblichen Direktversicherungsverträge. Diese an sich also rechtlich zulässige Einschränkung des Vertrauensschutzes sehe ich heute durchaus nicht ohne Kritik. Allerdings ginge jede Änderung dieses Rechtszustandes zwölf Jahre nach dem Inkrafttreten unabhängig von der konkreten Ausgestaltung zu Lasten der heute beitragszahlenden Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner.

Das gilt insbesondere im Falle der auch von Ihnen angesprochenen Abschaffung einer sogenannten doppelten Beitragszahlung. Anders als das Steuerrecht, in dem das Verbot der Doppelbesteuerung gilt, kennt das Beitragsrecht der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung kein Verbot einer „Doppelverbeitragung“. Ausgehend vom Solidarprinzip orientieren sich die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der oder des Versicherten zum Zeitpunkt der Verbeitragung, und zwar unabhängig davon, wie diese Einnahmen in der Vergangenheit zustande gekommen sind. Wollte man aber dennoch ein Verbot einer „doppelten Verbeitragung“ annehmen und durchsetzen, hätte dies unmittelbar Auswirkungen auf andere Einkommensarten, wie vor allem die gesetzliche Rente. Auch gesetzliche Renten müssten beitragsfrei gestellt werden, da auch für sie in der Entstehungsphase des Rentenanspruchs Beiträge aus Arbeitsentgelt entrichtet wurden, für das auch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen waren. Die Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wäre im Ergebnis nicht weiter gesichert. Zu dieser Frage hat vor dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages am 27. Januar 2016 eine öffentliche Anhörung stattgefunden. Die Stellungnahmen der Sachverständigen können Sie auf der Internetseite des Gesundheitsausschusses nachlesen.

Eine rückwirkende Änderung der bestehenden Rechtslage kann ich Ihnen derzeit nicht in Aussicht stellen. Zwar werden gegenwärtig Möglichkeiten geprüft, wie eine zusätzliche Alterssicherung durch betriebliche Altersvorsorge gefördert werden kann. Dies ist aber nicht Aufgabe der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und darf deshalb auch nicht auf Kosten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler finanziert werden.

Ich bedauere sehr, Ihnen keine positive Nachricht geben zu können.

Mit freundlichen Grüßen
Joachim Poß