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Joachim Herrmann
CSU
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Frage von Elisabeth S. •

Wann kommt die bundesweite Aufklärungskampagne über Long/Post Covid, ME/CFS und Post Vac für Bürger:innen und Ärzt:innen? Wann wird die Versorgungsstruktur für hunderttausende Betroffene aufgebaut?

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Sehr geehrte Frau S.

Unter dem Post-Vac-Syndrom wird ein heterogenes Krankheitsbild zusammengefasst, das in unterschiedlichem Abstand zur COVID-19 Impfung auftritt. Die Symptome werden als Long-COVID-ähnlich, wie etwa Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome), oder Multisystemisches Entzündungssyndrom (MIS-C, PIMS) beschrieben. Mögliche Ursachen und zugrundeliegende Wirkmechanismen des Post-Vac Syndroms sind derzeit Bestandteil der wissenschaftlichen Forschung und Diskussion. Methodisch belastbare Studien fehlen bisher. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bereitet in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Marburg eine deutschlandweite Studie zur Erhebung langanhaltender Beschwerden nach einer COVID-19-Impfung vor. Personen, die den Verdacht haben, dass sie unter einem Post-Vac-Syndrom leiden, sollten sich zunächst an die Hausärztin bzw. den Hausarzt ihres Vertrauens wenden. Die vorhandenen Versorgungsstrukturen - wie Haus- und Fachärzte, Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen - können auch Menschen versorgen, die über ein Post-Vac-Syndrom klagen. Experten sehen für schwere Fälle auch Post-COVID-/Long-COVID-Ambulanzen als gute Ansprechpartner für Diagnostik und Therapie für Patienten mit vermuteten Post-Vac-Syndrom an.

Das als Myalgische Enzephalomyelitis (ME) bzw. als Chronic Fatigue Syndrome (CFS) bezeichnete Krankheitsbild ist kein international einheitliches, konsentiertes und klar definiertes Krankheitsbild. Es wird hinsichtlich der Ursachen und Behandlungsoptionen zwischen Ärzten, Wissenschaftlern und Betroffenen kontrovers diskutiert. Behandlungsangebote sind vielgestaltig und nur zum geringen Teil durch Studien belegt. Aufgrund der komplexen, heterogenen und vielfach ungeklärten Entstehungsmechanismen muss für jeden Einzelfall eine differentialdiagnostische Abklärung mit entsprechender Weiterbehandlung stattfinden.

Um die Behandlung und die Versorgung ME/CFS-Betroffener zu verbessern, hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) im Jahr 2020 das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mit der Umsetzung des Forschungsprojekts „Interdisziplinäre Herangehensweise an Umweltattribuierte Symptomkomplexe (IndikuS)“ beauftragt, welches kürzlich abgeschlossen werden konnte. Im Rahmen des Projekts wurde unter anderem ein Versorgungskonzept für Menschen, die an ME/CFS leiden, entwickelt. Der Abschlussbericht des Projektes ist unter https://www.lgl.bayern.de/forschung/forschung_gesundheit/fp_2023_indikus.htm abrufbar.

Das interdisziplinäre Versorgungskonzept gliedert sich in verschiedene Bausteine, wobei dem haus- und kinderärztlichen Bereich als zumeist erste Anlaufstelle eine besondere Bedeutung zukommt. Für weiterführende Spezialdiagnostik können die Betroffenen bei vorliegender Indikation an die spezialisierten Ambulanzen überwiesen werden. Die universitären Anlaufstellen sind im Bereich „Umweltmedizin“  auf der Website des LGL veröffentlicht. Weiterhin kann für die Suche nach Fachärzten der verschiedenen Fachdisziplinen das Patienteninformationssystem der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) genutzt werden, welches über https://www.arzt.bayern/ erreichbar ist. Um den Bekanntheitsgrad des Erkrankungsbildes ME/CFS weiter zu erhöhen, wurde bereits unter anderem im Bayerischen Ärzteblatt, welches jedem approbierten Arzt in Bayern zugestellt wird, über das Projekt berichtet. Zudem sind weitere Veröffentlichungen in Planung.

Darüber hinaus fördert das StMGP aktuell ein Forschungsprojekt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern, welches kürzlich gestartet ist und sich mit der Versorgung explizit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit postinfektiöser Fatigue oder ME/CFS befasst.

Der Bayerische Landtag hat zudem finanzielle Mittel für eine geplante Studie des Universitätsklinikums Erlangen zur Wirkung des Medikaments BC 007 bei der Behandlung von ME/CFS bereitgestellt. Hierzu steht das StMGP in enger Abstimmung mit den Antragstellern, um einen möglichst baldigen Beginn des Forschungsprojekts zu erreichen.

Als „Long-COVID“ werden gesundheitliche Beschwerden bezeichnet, die jenseits der akuten Krankheitsphase einer SARS-CoV-2-Infektion von vier Wochen fortbestehen oder auch neu auftreten. Als „Post-COVID-Syndrom“ werden Beschwerden bezeichnet, die noch mehr als 12 Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können.

Der Erkrankungsmechanismus bei COVID-19 ist komplex. Nach wie vor gibt es noch viele ungeklärte Fragen und Phänomene. Corona-Langzeitfolgen können jedoch massive Auswirkungen auf den Alltag, das Erwerbsleben und die Lebensqualität der Betroffenen haben. Beim Post-COVID-Syndrom handelt es sich bisher nur um eine Ausschlussdiagnose und die Behandlung erfolgt lediglich symptomorientiert.

Für Betroffene ist der erste Ansprechpartner die Hausärztin oder der Hausarzt. Sie dienen als „Lotse“ und überweisen Betroffene, je nach Krankheitsverlauf und Symptomen, an weiterführende Behandlungsstrukturen (z.B. Fachärzte, Post-COVID-Ambulanzen, ggf. teilstationäre Versorgung). Dabei ist der konkrete Bedarf im Hinblick auf Therapie und Rehabilitation stark von den jeweils individuell vorherrschenden Beschwerden der einzelnen Patienten abhängig.

Bayern hat den Handlungsbedarf im Kontext von Long-/Post-COVID frühzeitig erkannt. Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) unternimmt große Anstrengungen, um diese Wissenslücken zu schließen und die Versorgungssituation von Betroffenen zu verbessern. So wurde bereits Anfang 2021 ein Runder Tisch zum Thema „Stärkung der Rehabilitation und Nachsorge nach COVID-19-Erkrankungen in Bayern“ etabliert. Darauf aufbauend wurde eine fortlaufende Arbeitsgruppe „Indikation Post-COVID-Syndrom“ auf Fachebene eingerichtet. Im Zuge dieser Arbeitsgruppe findet ein regelmäßiger Austausch und eine Vernetzung von Vertretern der Leistungserbringer, Kostenträger, Wissenschaft, Verwaltung sowie Betroffenen statt. Um zudem die Erkenntnislage und Versorgung von Betroffenen aller Altersgruppen mit Post-COVID-Syndrom zu verbessern, wurde eine Förderinitiative in Höhe von fünf Millionen Euro aufgelegt. Im Rahmen der Förderinitiative werden sieben innovative Therapieansätze und multidisziplinäre Versorgungsprojekte inklusive deren wissenschaftlicher Evaluation sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung gefördert.

Des Weiteren hat das StMGP ein Internetportal (https://www.stmgp.bayern.de/coronavirus/post-covid/) mit Informationen für die Bürgerinnen und Bürger zu Krankheitsbild und Versorgungsstrukturen auf der Homepage des StMGP eingerichtet, das kontinuierlich weiterentwickelt und aktualisiert wird.

Ob zu diesen Themenkomplexen eine Kampagne seitens des Bundes geplant ist, vermag ich aus hiesiger Seite nicht zu beantworten, hierzu wäre der richtige Adressat das BMG oder das BPA.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Herrmann, MdL

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