Dr. Inge Gräßle
Inge Gräßle
CDU
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Frage von Theo S. •

Frage an Inge Gräßle von Theo S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Gräßle,

die EU hat eine Verordnung erlassen, nach der die Empfänger von Direktzahlungen in der Landwirtschaft mit vollständigem Namen und Ortsangabe veröffentlicht werden müssen. Bedenken, damit würde eine Neiddiskussion entfacht, wurden verneint. Die Öffentlichkeit habe ein Recht zu erfahren, was mit Steuergeldern geschieht. Dazu meine Fragen:
Wenn man keine Neiddiskussion möchte, wäre es nicht möglich gewesen die Zuwendungen nach verschiedenen Betriebsgrößen und deren Anteilen zu veröffentlichen?
Wenn man der Argumentation der EU konsequent folgt, ist es dann nicht notwendig die Gehälter alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten mit Namen und Ortsangabe zu veröffentlichen?
Würde Gleiches nicht auch für die Empfänger staatlicher Transferleistungen wie z. B. Hartz 4 gelten?
Alle genannten Gruppen haben nach derzeitiger Rechtslage einen Anspruch auf die Zahlungen und müssten dann doch auch gleich behandelt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Theo Staars

Dr. Inge Gräßle
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Staars,

vielen Dank für Ihre Frage, die Sie über Abgeordnetenwatch am 5. April an mich gestellt haben.
1. Alle Empfänger von EU-Geldern sind seit dem Haushaltsjahr 2007 (1. Januar) zu veröffentlichen; die Daten sind seit wenigen Wochen bereits verfügbar, außer für die Landwirtschaft, weil das Landwirtschaftsjahr am 15. Oktober beginnt. Der Landwirtschaftsfonds war der letzte Fonds, der die Offenlegung für seinen Bereich geregelt hat.

2. 13 Mitgliedstaaten veröffentlichten bereits vorher die Agrardaten (mit Namen und teilweise auch der Anschrift). Ihr Vorschlag, "abgespeckte Daten" zu veröffentlichen, war auch deshalb nicht durchsetzbar. Übrigens haben Erfahrungen in diesen Ländern gezeigt, dass die befürchtete "Neiddiskussion" so nicht stattfindet.

3. Das Europäische Parlament will über die Veröffentlichung der Daten wissen, ob seine Politikziele erreicht werden: Stärkt die EU-Agrarpolitik den bäuerlichen Familienbetrieb? Erreicht die Mittelstandsförderung auch die Kleinbetriebe? Wer bekommt die über die UNO und die Weltbank und über sog. internationale Trust Fonds ausgereichten Gelder? Erreichen wir damit die Empfänger, die wir erreichen wollen?

4. Die Veröffentlichung der Geldempfänger auf EU-Ebene ist eine für die Steuerzahler "vertrauensbildende Maßnahme der EU"; ich gehe davon aus, dass dies auf der Ebene der Mitgliedstaaten weitere Nachahmer findet. Da der EU-Haushalt fast vollständig ein "Subventionshaushalt" ist, ist der Druck, Geldempfänger zu veröffentlichen, dort sicherlich größer als in den Haushalten des Bundes und der Länder. Ich würde das pauschale Argument "Einblick in die Verwendung von Steuergeldern" als Begründung für die Offenlegung deshalb gerne zurecht rücken: Überall dort, wo mit Geld versucht wird, Politik zu steuern, muss man sich die Ergebnisse besonders intensiv ansehen. Dazu dient die Veröffentlichung hauptsächlich.

5. Wo sind die Grenzen der Veröffentlichung? Die EU hat festgelegt, dass arbeitslose Empfänger etwa von Fortbildungsmaßnahmen im Rahmen des Europäischen Sozialfonds nicht veröffentlicht werden. Bestimmte Empfänger von EU-Geldern in Kriegsgebieten werden aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben; für Gebiete, in denen organisierte Kriminalität EU-Gelder mit abzuschöpfen versucht, können Ausnahmen gelten. Die Diäten der Abgeordneten sind öffentlich; die Gehälter der Beschäftigten des öffentlichen Diensts sind im Prinzip ebenfalls öffentlich, weil sie sich nach öffentlich zugänglichen Tabellen richten.

Mit freundlichem Gruß

Dr. Inge Gräßle MdEP

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