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Heribert Hirte
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Frage von F. H. •

Frage an Heribert Hirte von F. H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Prof. Hirte,

sehen Sie im Steuerveranlagungssystem Reformbedarf? Sind die Lohnsteuerklassen zeitgemäß? Welche allgemeinen Reformvorschläge haben Sie?

Im Speziellen interessiert, ob aus Ihrer Sicht die steuerlichen Be- und Entlastungen für sog. Alleinerziehende im Vergleich zu Familien und Singles adäquat bemessen sind? Wo würden Sie außerdem die Getrennterziehenden eingruppieren?

Ist das nachkriegsbundesrepublikanische Steuerveranlagungssystem (Ehegatten-Splitting etc.) sonst in irgendeiner Form reformierungsbedürftig?

Was kann man konkret von Ihnen erwarten?
Freundliche Grüße

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Nachfrage zu meinem Lieblingsthema "Steuern".

Jeder würde Ihnen, glaube ich, zustimmen (wenn auch mit anderer Zielrichtung natürlich): Unser Steuersystem ist in allen Bereichen massiv reformbedürftig. Das fängt bei den Steuerklassen an, geht über die Möglichkeiten, Ausgaben abzusetzen und endet bei den Steuersätzen selbst. Wie Ihre Frage aber schon andeutet, ist auch Ihnen klar, dass ein so komplexes System nur in kleinen Schritten bewegt werden kann.

Die Lohnsteuerklassen bestimmen durch die "hinterlegten" Freibeträge, welcher Betrag am Monatsende von Ihrem Gehaltszettel abgezogen wird; die eigentliche Steuerschuld wird erst am Jahresende (bzw. mit Abgabe einer Steuererklärung) bestimmt. In der Regel kommt es dann bei Angestellten zu (geringen) Rückzahlungen. Insofern sind die Steuerklassen eine Form der Pauschalierung im Vergleich zu den individuellen Einkommensteuervorauszahlungen von Selbständigen. Als solche setzen sie natürlich falsche Anreize, wenn man z.B. als Ehepartner in Lohnsteuerklasse V einen deutlich zu hohen Steuersatz zahlt (der erst am Jahresende wieder im Rahmen der Steuererklärung ausgeglichen wird), und man den Eindruck hat, man habe gar nichts von seinem Einkommen. Als Pauschalierungen haben sie sich im jetzigen System aber bewährt - insbesondere, seit es die Lohnsteuerklasse IV mit Faktor gibt, bei der die Belastung beider Partner im Verhältnis gleich gestaltet werden kann.

Insgesamt halte ich auch das System des Ehegattensplittings weiterhin für sinnvoll: Wenn in einer Ehe ein Partner für den anderen, nicht arbeitenden oder geringer verdienenden Partner die Versorgung übernimmt (und damit dafür sorgt, dass nicht die Allgemeinheit für ihn aufkommen muss), dann halte ich die Gemeinschaftsveranlagung auch für sinnvoll. Dabei denke ich insbesondere an die Fälle, in denen ein Elternteil während der Kindererziehung beruflich kürzer tritt. In heutiger Zeit sind die "alten" Fälle, in denen lebenslang nur ein Ehepartner arbeitet, praktisch nicht mehr vorstellbar.

Insofern halte ich auch eine Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten eines Familiensplittings für Augenwischerei: Schon heute entspricht der Kinderfreibetrag zusammen mit dem Erziehungsfreibetrag fast dem Grundfreibetrag für Erwachsene, sodass Eltern in Deutschland sogar besser als in Frankreich dastehen, wo es pro Kind nur 0,5 Zähler gibt. Hier könnte man allerdings aus Vereinfachungsgründen über einen einheitlichen Betrag nachdenken.

Auch Alleinerziehende, die im Verhältnis höhere Kosten haben als "klassische" Familien, werden mit einem zusätzlichen Betrag von zurzeit 1.908 EUR steuerlich entlastet - was je nach Steuersatz bis zu 860 EUR mehr netto jährlich ausmacht. Hier könnte man in der Tat darüber nachdenken, einen gewissen Anteil, ich denke an z.B. 50 EUR im Monat pro Kind, als Vorauszahlung (wie beim Kindergeld) an Alleinerziehende zu zahlen und damit gerade geringverdienende Alleinerziehende zu entlasten (die meist wohl tatsächlich nicht von dem steuerlichen Entlastungsbetrag profitieren dürften).

Lassen Sie mich aber noch abschließend sagen, dass ich grundsätzlich für ein einfacheres Steuersystem mit deutlich niedrigeren Steuersätzen eintrete - natürlich dann aber auch mit weniger Freibeträgen und weniger Möglichkeiten, Ausgaben abzusetzen.

Mit besten Grüßen aus Sürth
Ihr Heribert Hirte