Helmut Scholz
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Frage von Jens W. •

Frage an Helmut Scholz von Jens W. bezüglich Humanitäre Hilfe

Sehr geehrter Herr Scholz,

ich nehme mit Entsetzen zur Kenntnis, dass an der türkisch-griechischen Grenze Kinder, Frauen und Männer mit Waffengewalt daran gehindert werden, die EU zu betreten und unter katastrophalen Verhältnissen und ohne Zukunftsperspektive im frühen März auf offenem Feld und unter freiem Himmel bleiben müssen. Ich wende mich daher an Sie als meinen gewählten Abgeordneten mit der Frage, wie Sie die Situation einschätzen und ob und wie Sie sich dafür einsetzen, dass diese unchristliche und inhumane Vorgehensweise der EU sofort beendet wird und dass die Menschen vor Ort die notwendige Versorgung erhalten sowie die Möglichkeit, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens Wehrmann

Helmut Scholz
Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr Wehrmann,

Vielen Dank für Ihre Kontaktaufnahme und Frage.

Ich kann Ihr Entsetzen im Umgang mit den Flüchtlingen an der griechisch-türkischen Grenze nur teilen. Anstatt humanitäre Lösungen zu finden, bei denen alle EU-Mitgliedsstaaten Verantwortung übernehmen, versucht man mit Gewalt Männer, Frauen und Kinder abzuwehren, die Schutz suchen nach all dem Elend, das sie durchgemacht haben.

Die Aussetzung des Rechts auf Asyl ist ein klarer Verstoß gegen europäisches und internationales Recht. Bedingt ist diese Situation unter anderem durch die gescheiterte Asyl- und Migrationspolitik der EU. EU-Staaten an den Außengrenzen werden in der Flüchtlingsproblematik weitgehend allein gelassen. Zu befürchten ist, dass sich humanitäre Katastrophen wie diese bei einem Status quo in der europäischen Flüchtlingspolitik wiederholen werden.

Die 350 Mio. € Krisen-Soforthilfe, die Griechenland von der EU für Migrationsmanagement, Aufbau und Betreiben der nötigen Infrastruktur erhalten hat, ist zwar dringend notwendig, wird aber langfristig nichts ändern. Daher sehe ich es als notwendig an, dass die Europageordneten den Druck auf die Kommission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten verstärken - unter anderem auch durch Besuche vor Ort, um sich ein Bild von der Situation zu verschaffen.

Auch wenn sicher in der aktuellen Situation kein Weg an einer schnellen und solidarischen Umverteilung der Asylsuchenden in Griechenland auf die anderen EU-Mitgliedsstaaten vorbeiführt, bedarf es nach wie vor einer grundlegenden Reform des Asylsystems, insbesondere der Dublin II-Verordnung. Das Europäische Parlament hat bereits vor vier Jahren eine mit großer Mehrheit beschlossene Position erarbeitet, mit der eine humanitäre Katastrophe wie diese von vornherein hätte verhindert werden können. Die EU-Mitgliedsstaaten sind allerdings seit fünf Jahren nicht in der Lage, im Rat auch nur ein Verhandlungsmandat zu beschließen. Grund dafür ist meines Erachtens vor allem das Schielen auf die Wahrung politischer Machtpositionen der nationalen Regierungen. Das verhindert eben den Blick auf europäische gemeinschaftliche Verpflichtungen und ein menschliches und solidarisches Umgehen mit dieser anhaltenden Herausforderung. Jüngstes Beispiel dafür ist die Abstimmung des deutschen Bundestages über die Forderung, Kinder und Jugendliche aus Lesbos aufzunehmen. Jede Änderung der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik bleibt somit blockiert. Es bleibt an uns Abgeordneten, rechtspolitische Schritte zu unternehmen und dafür benötigen wir den Druck aus der Gesellschaft. In diesem Sinne ist Ihre Wortmeldung ein wichtiger Beitrag dafür.

Die Bereitschaft vieler Städte und Regionen in einzelnen Mitgliedsstaaten, die vorhandenen und zum Teil freien und ungenutzten Kapazitäten in Flüchtlingsunterkünften unkompliziert und schnell zur Verfügung zu stellen, sollte als Chance für eine gemeinsame europäische Lösung aufgenommen werden.

Ich kann nur daran appellieren, die nationalen Regierungen immer wieder aufzufordern, endlich zu agieren!

Mit freundlichen Grüßen
Helmut Scholz

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