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Gregor Gysi
DIE LINKE
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Frage von Anja J. •

Ich hoffe das es nicht zum Abschlachten der Wölfe nach dem Vorbild von Schweden und Frankreich kommt. Werden sie dieses Verhindern können?

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau M.,

 

Ihre Frage hat mich erreicht. Leider sind wir im Bundestag über viele Jahre die einzige Fraktion, die sich konsequent für mehr Unterstützung der Weidetierhaltung und des präventiven Herdenschutzes und gegen die Instrumentalisierung des Wolfes für die Versäumnisse der vergangenen Jahre eingesetzt hat.

 

Lange Zeit hat sich die Landbewirtschaftung in Deutschland ohne die Anwesenheit des Wolfes entwickelt, weil er zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch exzessive Bejagung praktisch ausgerottet wurde. Bei der Rückkehr in seinen ursprünglichen Lebensraum fand der Wolf deshalb zunächst leichte Beute durch ungenügend geschützte Weidetiere. Weil der Wolf ein fester Bestandteil unseres Ökosystems ist, darf es nicht um erneute Ausrottung, sondern um effizienten Herdenschutz gehen. Dieser muss am besten bestehen, bevor der Wolf angekommen ist. Leichte Beute merkt er sich gut.

 

Die aktuelle Debatte über erleichterte Wolfsabschüsse ist aus unserer Sicht eine Scheindebatte, denn die weidetierhaltenden Betriebe, insbesondere in der Schaf- und Ziegenhaltung, hatten lange vor der Rückkehr des Wolfs existenzielle Probleme. Sie sind die Verlierer der vergangenen Agrarreformen mit der Umstellung auf eine reine Flächenprämie und dem Dogma der vollständigen Ablehnung an die Bewirtschaftungsform gekoppelter Prämien, das so nur in Deutschland umgesetzt wird. Bei uns gibt es keine Weidetierprämie, wie sie 22 andere Mitgliedstaaten der EU nutzen. Hinzu kommt, dass Schäferinnen und Schäfern immer weniger Flächen zur Verfügung stehen, insbesondere Triftwege wie Rand- und Schonstreifen. Die Bodenkauf- und damit die Pachtpreise sind mittlerweile durch verschiedene Faktoren (z. B. Umgehung des landwirtschaftlichen Tätigkeitsnachweises bei der Vergabe von Flächen, Versteigerung ehemals volkseigener, jetzt bundeseigener Flächen in Ostdeutschland an Höchstbietende, Entzug von Flächen durch direkte und indirekte Bodenspekulationskäufe) explodiert, so dass sie mit landwirtschaftlicher Tätigkeit nicht mehr bezahlbar sind. Der Verdienst über Schaf- und Ziegenprodukte deckt oftmals geradeso den Pachtpreis. Die Preise für Schaf- und Ziegenprodukte haben sich in den letzten Jahren nicht geändert, der Absatz ist schwierig, auch durch Billigimporte hauptsächlich aus Übersee. Die Schäferinnen und Schäfer leben auch ohne den Wolf oft an der Armutsgrenze, was auch die Fachkräfteproblematik weiter verschärft. Obwohl die Weidetierhaltung eine tiergerechte und naturgemäße Art der Nutztierhaltung ist, die zum Schutz der Agrarlandschaft, der biologischen Vielfalt, des Klimas und der Deiche dringend gebraucht wird, wird ausgerechnet diese Arbeit der Weidetierhaltenden im Interesse des Gemeinwohls nur unzureichend entlohnt. Das ist die eigentliche Ursache der Probleme und die muss endlich gelöst werden.

 

DIE LINKE fordert seit vielen Jahren:

 

•             die Einführung einer Weidetierprämie

•             eine bundesweit einheitliche Regelung zur Beschaffenheit und Förderung von Herdenschutzmaßnahmen über einen Rechtsanspruch

•             angemessene Unterstützung für Herdenschutzmaßnahmen heißt: eine hundert Prozent-Förderung in den Bereichen Anschaffung, Ausbildung und Unterhalt von Herdenschutztieren, außerdem: Anschaffung, Aufbau und Instandhaltung von Herdenschutzzäunen, inklusive Arbeitskosten

•             einen bundesweit einheitlichen Umgang mit durch große Beutegreifer verursachte Schäden an Nutztieren, an Dritten und Sachen

•             eine bundesweit einheitliche Regelung zum Wolfsmanagement in Rechtslage

•             eine angemessene Förderung von Schäfereiinfrastrukturen wie Streifenprogramme (Bsp. Wald- und Ackerränder, Gewässerrandstreifen), um die Verfügbarkeit von Triftwegen für die Wanderschäferei zu erhöhen und eine unkomplizierte Förderung von Brunnen, um die Wasserverfügbarkeit auf den Flächen zu gewährleisten

•             eine Bindung der Vergabe von landwirtschaftlichen Nutzflächen an ortsansässige Landwirtinnen und Landwirte und eine Preisobergrenze für landwirtschaftlichen Boden, um den Zugang zu Boden für tatsächlich landwirtschaftlich Aktive zu gewährleisten und Bodenspekulation und Verkauf an landwirtschaftsfremde Investoren zu verhindern

•             die Förderung einer regionalen Verarbeitungs- und Vermarktungsstruktur von Schaf- und Ziegenprodukten inklusive Herkunftskennzeichnung (So erfolgt eine Abkehr von importiertem Schaf- und Ziegenfleisch aus Übersee)

•             angemessene Honorierung der gesamtgesellschaftlich wichtigen Arbeit der weidetierhaltenden Betriebe sowie die generelle Bindung von EU-Agrarsubventionen an soziale und ökologische Kriterien

 

Wir werden weiter darauf drängen, dass die Probleme an der Wurzel gepackt und nicht Scheinlösungen umgesetzt werden wie die beabsichtigte leichtere Jagdbarkeit von Wölfen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Gregor Gysi

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