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Frage von Jim H. •

Frage an Gregor Gysi von Jim H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gregor Gysi,

Ich bin 18 Jahre alt und momentan arbeitssuchend, bzw. absolviere ein Fernstudium um meinen Realschulabschluss nachzuholen. Somit bin ich zur Sicherung meiner Existenz auf Leistungen des Staates angewiesen.

Ich plane, dieses Fernstudium innerhalb eines Jahres zu absolvieren, anstatt wie ursprünglich vorgesehen innerhalb von 2 Jahren. Da ich bereits die 9. Klasse einer Realschule besucht habe sehe ich das als realistisch und machbar an. Dementsprechend benötige ich logischerweise auch doppelt so viel Zeit zum Lernen, wenn ich die Lehrgangsdauer um die Hälfte verkürze. Wöchentlich kommt das auf 40 Stunden.

Das Jobcenter sieht es allerdings als nötig an, mich zusätzlich in eine berufsbildende Maßnahme zu stecken, die allerdings auf 34 Std. / Woche angesetzt ist. Mal davon abgesehen dass dies auch so nicht machbar wäre, kommt der Umstand hinzu dass ich an Depressionen leide (wovon das Jobcenter auch weiß) und das somit für mich eine enorm große Belastung wäre, würde ich beides gleichzeitig machen.
An dieser Maßnahme nahm ich auch teil, habe sie aber nach kurzer Zeit abgebrochen weil es so einfach nicht funktioniert hat.

Nun bin ich vom JC darüber informiert worden dass meine Leistungen deswegen (und aufgrund einiger nicht wahrgenommener "Einladungen") um 100% gekürzt werden. Könnte mir meine Mutter nicht mit dem nötigsten aushelfen, würde ich jetzt hungern. So wird einem doch jegliche Lebensgrundlage entzogen!
Meine Frage:
Es gibt einige Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, wonach diese Sanktionen verfassungswidrig sind. Wie sehen Sie die Erfolgschancen bei einer Klage, zunächst vor dem Sozialgericht? Wie gehe ich Ihrer Meinung nach jetzt am besten vor? Und wie kann es sein dass die bisherige Regierung so offensichtlich über Entscheidungen der höchsten juristischen Instanz dieses Landes hinweg handelt und nichts daran ändert?
Ich wäre Ihnen für Ihre Hilfe mehr als dankbar.

Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Haase,

Ihre Nachricht vom 1. Oktober hat mich erreicht.
Auf jeden Fall müssen Sie gegen die Leistungskürzung um 100 % Widerspruch einlegen.
Dies muss fristgemäß geschehen. Wenn der Widerspruch zurückgewiesen werden sollte, dann können Sie Klage beim Sozialgericht erheben. Sie sollten durchaus vortragen, dass eine Leistungskürzung um 100 % grundgesetzwidrig sei. Schließlich geht es um das Existenzminimum. Niemand hat das Recht, dieses Minimum zu unterschreiten. Allerdings gibt es nach meiner Kenntnis diesbezüglich noch keine verbindliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Ich hoffe, dass sie bald kommt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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