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Gregor Gysi
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Frage von Michael K. •

Frage an Gregor Gysi von Michael K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Gysi,

auch in diesem Wahlkampf wirbt die LINKE damit die deutschen Truppen aus Afghanistan abziehen zu wollen. Wie ich ihren bisherigen Beiträgen entnehme, empfinden auch Sie es nicht für wünschenswert, dass die Taliban an die macht zurückkehren.

An dieser Stelle drängt sich mir jedoch die Frage auf, wie Sie dies trotz Afghanistan Abzug verhindern wollen. Auch wenn dies nicht politisch durchsetzbar ist, macht die Forderung ja nur Sinn, wenn man einen generellen Truppenabzug auch der USA etc. fordert. Realistisch betrachtet ist die Sicherheitslage in Afghanistan allerdings schlecht wie nie.

Angesichts dessen erscheint es mir vermessen einen Truppenabzug zu fordern. Ohne die Stützung der internationalen Truppen würde doch Afghanistan binnen kurzem wieder in die Hand der Taliban fallen.

Man mag sich streiten können, ob man jemals gegen Afghanistan hätte Krieg führen sollen. Man mag auch geteilter Meinung über die Strategie bei der Befriedung des Landes sein. Der Einsatz als solches allerdings erscheint mir im Moment als alternativlos. Ein Truppenabzug wäre doch für die Extremisten ein Sieg.

Wollen Sie bzw. Ihre Partei das wirklich? Oder haben Sie eine realistische Exitstrategie zu bieten mit dem Ziel das Land zu stabilisieren? Und einen Zeitrahmen in dem sich der Truppenabzug abspielen soll?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kieschnick,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 26. August.

Zunächst war unsere Auffassung von Anfang an, dass der Einmarsch ein Fehler war. Das hat sich mehr als deutlich bestätigt. Der Terrorismus konnte dadurch nicht gebrochen werden, die Taliban erfahren neue Unterstützung in Afghanistan.

Bitte vergessen Sie nicht, dass die USA mit den Taliban verhandelt hat, und zwar bis zum Sommer 2001, weil sie eine Erdgaspipeline durch Afghanistan legen wollten. Bitte vergessen Sie nicht, dass auch die Taliban unterstützt und aufgerüstet wurden, als sie gegen die Sowjets kämpfen sollten.

Befreiung muss in aller Regel eine Selbstbefreiung sein. Wenn wir uns ernsthaft vornähmen, überall wo Unrechtsregime bestehen, mittels der Bundeswehr einzugreifen, lösten wir eine Art Weltkrieg aus, der völlig unverhältnismäßig wäre.

Nach acht Jahren gibt es immer noch keine ausreichende eigenständige Polizei und Armee in Afghanistan. Glauben Wir wirklich, dass das in den nächsten Jahren geschehen wird?

Natürlich müsste man, wenn der Abzug beschlossen wird, auch darüber nachdenken, wie welche Kräfte so unterstützt werden, dass sie eine reale und gute Chance in der Bevölkerung gegen die Taliban haben. Da gibt es Ideen und Möglichkeiten. Man kann aber nicht immer wieder mit der Drohung einer Macht der Taliban die Zahl der Soldaten aufstocken und den Krieg verlängern.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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