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Gökay Akbulut
DIE LINKE
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Frage von Philipp P. •

Frage an Gökay Akbulut von Philipp P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Akbulut,

am 30.06.2017 verabschiedete der Bundestag das NetzDG mit 55 Abgeordneten.
Das Gesetz soll die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken verbessern.
Tatsächlich ist es eine massive Beeinträchtigung der Freiheit auf Meinungsäußerung aus dem Grundgesetz § 5.
Und der Aufruf zu Straftaten oder Gewalt ist nach StGB § 111 bereits strafbar.
https://de.wikipedia.org/wiki/Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit David Kaye warnte die Bundesregierung in einem Brief vom 16.06.2017.
Dass der Gesetzentwurf ist eine große Gefährdung für die Meinungsfreiheit und die Privatsphäre sei und übergibt die Rechtspflege in diesem Bereich privaten Unternehmen.
http://www.ohchr.org/Documents/Issues/Opinion/Legislation/OL-DEU-1-2017.pdf
http://www.spatzseite.com/2017/12/henne-oder-ei-innen-oder-weltpolitik/

Außerdem sieht das NetzDG horrende Geldstrafen bei zuwiderhandeln vor und provoziert so ein präventives Löschen durch massenhafte Meldungen/Beschwerden, auch bei unbedenklichen Inhalten.
Das NetzDG sieht jedoch keinerlei Barrieren gegen einen solchen Missbrauch vor.
https://www.heise.de/tp/features/Juristen-halten-Maas-Gesetz-gegen-Fake-News-und-Hate-Speech-fuer-verfassungs-und-europarechtswidrig-3654324.html?seite=all

Gem. der Geschäftsordnung ist:
"Der Bundestag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist. "
Die Abstimmung fand jedoch mit nur 55 Abgeordneten statt.
Der Bundestag war also nach diesen Regeln nicht beschlussfähig.
Trotzdem wurde ein Gesetz beschlossen, das nach Meinung vieler Rechtsexperten ein wesentliches Grundrecht der Meinungsfreiheit einschränkt und demnach verfassungswidrig ist.
http://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/go_btg/go06/245164

Warum hat Ihre Fraktion die Sitzung nicht aufgelöst um diese digitale Bücherverbrennung zu verhindern?

Mit freundlichen Grüßen
P. P.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr P.,

vielen Dank für ihre Frage. Ich kann ihre Bedenken zum Thema Beschlussfähigkeit des Bundestages verstehen. Sie müssen dafür Verständnis haben, dass ich Ihnen zu diesem Punkt mitteile, dass ich in der letzten Wahlperiode noch nicht Abgeordnete des Deutschen Bundestages war und deshalb persönlich nicht an der Beschlussfassung beteiligt war.
Die Beschlussfähigkeit des Bundestages wird in der Regel, auch wenn wenige Abgeordnete im Sitzungssaal anwesend sind unterstellt, bis das Gegenteil festgestellt wird. Näheres regelt die Geschäftsordnung des Bundestages. Die meiste inhaltliche Arbeit einer Abgeordneten findet in den Ausschüssen statt. Diese kollidieren zeitlich aber in der Regel mit den Sitzungszeiten des Plenums. Deshalb müssen die Abgeordneten hin und wieder abwägen, ob sie an der inhaltlichen Arbeit im Ausschuss oder der Abstimmung im Plenum teilnehmen sollen.
Das Bundesverfassungsgericht stellte 1977 fest, dass die Repräsentation im parlamentarischen Bereich sich vornehmlich dort vollzieht, wo die Entscheidung fällt. „Geschieht dies der Sache nach bereits in den Ausschüssen und Fraktionen des Parlaments, so wird damit auch die Repräsentation in diese Institutionen „vorverlagert”. Das erscheint unbedenklich, solange der Entscheidungsprozess institutionell in den Bereich des Parlaments eingefügt bleibt.“ (BVerfG, Beschluss vom 10. 5. 1977 - 2 BvR 705/75)
Das Bundesverfassungsgericht hat erkannt, dass aus dem Prinzip der repräsentativen Demokratie nicht folgt, dass die Abgeordneten das Volk nur im Plenum des Bundestages repräsentieren könnten. Diese Auffassung teile ich insofern, als dass ich die inhaltliche Arbeit in den Ausschüssen für sehr wichtig erachte.
In dem Zusammenhang des Gesetzgebungsverfahrens um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat es eine sehr kontroverse Debatte gegeben, die auch von einer öffentlichen Anhörung begleitet wurde. (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw25-pa-recht-rechtsdurchsetzung/510328)
Zahlreiche Experten kritisierten den Gesetzentwurf der Bundesregierung.
Bereits im Dezember 2017 hatte die Fraktion DIE LINKE deshalb im Bundestag auf die Schwächen des Gesetzes hingewiesen und die teilweise Aufhebung des Netzwerkdurchsuchungsgesetzes gefordert. (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/002/1900218.pdf)

Mit freundlichen Grüßen

Gökay Akbulut

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