Garrelt Agena
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Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael S. •

Frage an Garrelt Agena von Michael S. bezüglich Gesundheit

Hallo, Herr Agena,

was tun Sie, was tun die Grünen gegen die schlechte ärztliche Versorgung der Bevölkerung in den "strukturschwachen" Gebieten wie z.B. Ostfriesland?

Garrelt Agena
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Steffen,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Das Grundgesetz garantiert gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen unseres Landes. Wir Grüne wollen keine Zweiteilung in boomende Städte und abgehängte ländliche Räume. Die Kommunen sollen mehr Einfluss erhalten, Gesundheitsversorgung und die Pflege selbst zu gestalten. Dabei wollen wir sie mit unserem Konzept für integrierte Gesundheitsregionen unterstützen. Zusammen mit den Krankenkassen können Kommunen so ein Gesundheitsnetz schaffen, das Menschen auch auf dem Land die Versorgung bereitstellt, die sie brauchen. Neben begrenzten finanziellen Mitteln für eine aktivere Gesundheitspolitik vor Ort stoßen viele Kommunen hierbei jedoch immer öfter an die ohnehin bestehenden Grenzen und Defizite unseres Gesundheitswesens: Die Zuständigkeiten für die Organisation der Versorgung sind zersplittert. Für die Planung der stationären Versorgung sind zum Beispiel die Länder zuständig, für die Verteilung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte hingegen die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen. Investitionen in ambulante und stationäre Einrichtungen werden nicht miteinander koordiniert.

Es gibt unnötige Reglementierungen für Krankenhäuser, die ambulante Behandlungen anbieten wollen, für Kommunen, die medizinische Versorgungszentren gründen wollen, für qualifizierte Pflegekräfte oder Therapeutinnen und Therapeuten, die eigenständig Leistungen erbringen wollen. Die ambulante Versorgung setzt vor allem auf den isolierten Einzelkämpfer und nicht auf kooperative Angebote. Dabei können Hausarztsitze häufig nicht nachbesetztwerden und Pflegeeinrichtungen finden keinen Nachwuchs mehr. Der Versorgungsbedarf in unserer Gesellschaft verändert sich rapide. Der demographische Wandel stellt die Versorgung vor neue Herausforderungen. Denn immer mehr ältere Menschen leiden unter einer oder sogar mehreren chronischen Erkrankungen, die eine abgestimmte medizinische und pflegerische Versorgung erfordern. Auf diese Herausforderungen reagiert die bestehende Gesundheitspolitik durch eine immer kleinteiligere Regulierung. Die Liste der Vorgaben und Aufträge des Gesetzgebers an die gemeinsame Selbstverwaltung aus Krankenkassen, Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhausträgern wird immer länger. Doch der zentralen Planung und Steuerung der Gesundheitsversorgung sind zunehmend Grenzen gesetzt. Sie reagiert zu starr auf die unterschiedlichen Versorgungsbedürfnisse in den Regionen. Was in der dichter besiedelten urbanen Region mit vielen jungen Familien sinnvoll erscheint, ist in dünn besiedelten Räumen mit vielen älteren Menschen nicht geeignet. Die zentralen Vorgaben erschweren flexible, angepasste Lösungen. Wir Grünen wollen die Kommunen stärken, damit sie mehr Möglichkeiten erhalten die Gesundheitsversorgung zu verbessern und mit den bereits vorhandenen vielfältigen kommunalen Bemühungen zur Förderung unserer Gesundheit zu verzahnen. Wir sehen zudem auch die Chance, Hürden zwischen ambulanten Einrichtungen und Krankenhäusern, falsche Anreize und ökonomische Egoismen zu überwinden.

Unser Ziel ist, dass die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und ihr Gesundheitsnutzen zum zentralen Maßstab werden und so aus der reinen Krankenversorgung eine echte Gesundheitsversorgung wird. Denn die Patientinnen und Patienten wünschen eine abgestimmte und bedarfsgerechte Versorgung aus einer Hand. Sie wollen so versorgt werden, wie es medizinisch notwendig ist und nicht, wie es für das Krankenhaus oder den jeweiligen niedergelassenen Arzt wirtschaftlich nützlich ist. Um die Versorgung in der jeweiligen „Gesundheitsregion“ zu finanzieren, wären Mittel aus dem beim Bundesversicherungsamt (BVA) angesiedelten Gesundheitsfonds denkbar. Sie würden sich am Gesundheitszustand, am Alter und der sozialen Situation der Menschen in der Region orientieren und regelmäßig durch das BVA evaluiert. Für unterversorgte Regionen könnte es einen Aufschlag geben, der den Aufbau neuer Versorgungsstrukturen anreizt. Dem von der Gesundheitsregion beauftragten Verbund sollte die vollständige Budgetverantwortung für die Region übertragen werden. Damit entsteht für die Gesundheitsregion auch der Anreiz, Krankheiten frühzeitig vorzubeugen und die bestmögliche Versorgung zu organisieren. Kommunen oder Landkreise, die die Absicht haben, zusammen mit den Krankenkassen eine „Gesundheitsregion“ zu gründen, sollten überdies eine Anschubfinanzierung für die notwendigen Investitionen erhalten. Dazu zählt etwa, den Gesundheitsverbund aufzubauen oder die IT-Struktur einzurichten. Damit flexibel auf die Bedürfnisse vor Ort reagiert werden kann, sind in der „Gesundheitsregion“ Abweichungen von den häufig starren Regelungen notwendig. Zum Beispiel sollte eine andere Vergütung von Leistungen möglich sein, um so Sektor übergreifende, stärker pauschalierende und qualitätsorientierte Vergütungssysteme zu ermöglichen. Um Ärztinnen und Ärzte bedarfsgerecht und abgestimmt mit anderen Angeboten zu verteilen, sollten Abweichungen von der bestehenden Bedarfsplanung möglich sein.

So lebendig Regionen sind, so stark verändert sich auch der Bedarf einer guten Gesundheitsversorgung. Deshalb sollten in der „Gesundheitsregion“ Versorgungsbedarfe vorausschauend ermittelt werden. Dazu sollten auch Patientinnen und Patienten darüber befragt werden, was für sie zu mehr gesundheitlicher Lebensqualität beiträgt und wie die Versorgung weiter verbessert werden kann. Kommunen werden häufig nur als Lückenbüßer gesehen, wenn es Engpässe in der Gesundheitsversorgung gibt. Gibt es regional Ärztemangel oder ist dieser absehbar, dann wird nach den Kommunen gerufen. Sie sollen Stipendien für künftige Ärztinnen und Ärzte in der Region bezahlen oder kostengünstige Praxisräume zur Verfügung stellen. Obgleich diese Maßnahmen im Einzelnen berechtigt sein mögen, werden sie dem bereits vorhandenen Gestaltungswillen vieler Kommunen überhaupt nicht gerecht. Denn viele Kommunen und Landkreise wollen aktiver als bislang möglich für die Gesundheit der Menschen vor Ort Verantwortung übernehmen. Mit unseren Vorschlägen unterstützen wir dieses Anliegen. Wir sind davon überzeugt, dass ein stärkeres Engagement der Kommunen ein Schlüssel ist, bestehende Probleme in der Gesundheitsversorgung zu beheben.

Der Text lehnt sich an Veröffentlichungen unserer grünen Bundestagsfraktion an.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen eine befriedigende Antwort gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen

Garrelt Agena