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Fritz Felgentreu
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Frage von Melanie B. •

Frage an Fritz Felgentreu von Melanie B. bezüglich Energie

Wie werden Sie am 3.7. im Bundestag stimmen, wenn das neue Kohleausstiegsgesetz verabschiedet werden soll? Die Mitglieder der Kohlekommission kritisieren, dass es in seiner jetzigen Version signifikant hinter dem ausgehandelten Mindestkompromiss zurückbleibt. Die nun vorgesehenen Fördermengen liegen deutlich höher als im Entwurf vereinbart.
Zudem zementiert es Kohleverstromung für 18 weitere Jahre, obgleich sie schon jetzt nur durch Subventionen von Steuerzahlenden wirtschaftlich ist. Durch öffentlich-rechtliche Verträge mit RWE und LEAG würde ein früherer Ausstieg (und er wird kommen) die Steuerzahlenden > 4 Milliarden Euro kosten, Geld welches wir dringend für den sozialverträglichen ökologischen Wandel brauchen werden, insbesondere, weil wir schon jetzt die Mittel künftiger Generationen für Konjunkturhilfen ausgeben.
Bitte denken Sie an unsere Kinder und Enkel !

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Bergmann,

vielen Dank, dass Sie die Initiative ergriffen und mit mir Kontakt aufgenommen haben. Ich kann Ihren Unmut gegenüber dem Gesetzentwurf verstehen. Wir haben uns in der Koalition auf einen Kompromiss geeinigt, der wie jeder Kompromiss sicherlich nicht alle Forderungen der SPD abdeckt, aber dennoch eine brauchbare Lösung ist, da sie Klimaschutz und Beschäftigungssicherung vereint.

Wir stehen weiterhin zum Pariser Klimaabkommen und wollen, dass Deutschland bis spätestens 2050 klimaneutral wird. Dafür müssen Treibhausgasemissionen in allen Bereichen reduziert werden. Das Kohleausstiegsgesetz sieht in den Jahren 2022, 2026, 2029 und 2032 Überprüfungen vor, die auch die Einhaltung von Klimaschutzzielen beinhalten.

Im Ergebnis wird Deutschland als erstes hochindustrialisiertes Land in dieser Form gesetzlich fixiert aus der Atomenergie und der Kohle aussteigen. Der Kohleausstieg ist ein hochkomplexes Vorhaben, das sehr viele Interessen berührt. Um dieses Gesetz vorzubereiten, haben wir die Kohlekommission aus Industrieverbänden, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Vertreterinnen und Vertreter der Energiewirtschaft und der Wissenschaft eingesetzt. Wir haben versucht, allen Interessen bestmöglich gerecht zu werden. Dadurch ist es gelungen, einen von einer breiten Mehrheit getragenen gesellschaftlichen Kompromiss zu erzielen. Wir können den Schalter nicht einfach umlegen und die Kraftwerke von heute auf morgen abschalten. Das würde zum einen sehr hohe Entschädigungen für die Betreiber bedeuten, denn diese dürfen sich natürlich auf ihre Genehmigung verlassen. Zum anderen hätten wir die Kapazitäten gar nicht auf dem Markt, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Wir haben lange verhandelt, damit sich dieser Kompromiss auch im Gesetz abbildet.

Ein entschädigungsfreier Ausstieg vor 2038 bleibt weiterhin möglich, wenn dies zur Erreichung der Klimaziele erforderlich wird. Wir helfen den Beschäftigten der Kohlewirtschaft mit dem Anpassungsgeld. Wir unterstützen den Strukturwandel in den betroffenen Regionen. Wir verankern den Ausstieg rechtssicher im Kohleausstiegsgesetz und schaffen belastbare Rahmenbedingungen für die Unternehmen. Mit den Umrüstprogrammen investieren wir in die Zukunft unserer Energieversorgung. Wir müssen erst Alternativen schaffen, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Daher müssen wir auch bei den erneuerbaren Energien sehr schnell vorankommen und direkt nach der Sommerpause die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beschließen.

Schritt für Schritt steigen wir in Deutschland aus der Kohleenergie aus. Dabei reduzieren wir den Kohleanteil in unserer Energie alle zwei Jahre. Spätestens 2038 werden die Werke komplett stillgelegt. Somit werden weder rechtliche Schwierigkeiten eingehandelt, noch verlieren die ca. 30.000 in der Braun- und Steinkohlewerken Beschäftigten von heut auf morgen ihren Arbeitsplatz. Klimaschutzziele können so erreicht werden und wenn nicht, dann wir nachgebessert.

Mit dem Strukturstärkungsgesetz machen wir deutlich, dass der Bund die betroffenen Gegenden nicht allein lässt. Bis 2038 werden bis zu 40 Milliarden Euro in den Aufbau neuer Beschäftigung und neuer Wertschöpfung in die Regionen investiert. Das ermöglicht eine umfassende Modernisierung der Infrastruktur und bedeutet einen Schub für den Ausbau technologischer Zukunftskompetenz in den Bereichen Digitalisierung, Medizin, Logistik und Mobilität. Und wir zeigen, dass wir die regionale Bedeutung des Strukturwandels verstanden haben: Wir achten darauf, dass beim Kohleausstieg und auch bei den anstehenden Veränderungen in vielen anderen Branchen die Menschen in ihrem Lebensumfeld Sicherheit haben, dass es eine Perspektive gibt, weil der Staat sie in dem Wandel unterstützt und nicht allein lässt.

Im Mittel dürften durch den schrittweisen Ausstieg Jahr für Jahr CO² eingespart werden. Insgesamt führt der Kohleausstieg dazu, dass ungefähr ein Viertel der gesamten deutschen CO2- Emissionen eingespart werden. Das entspricht pro Jahr etwa 200 Mio. Tonnen CO2 – ausgehend von den Emissionen des Kohlekraftwerksparks 2018.

Ich möchte mich an dieser Stelle der Erklärung unserer Parteivorsitzenden Saskia Esken anschließen: „Natürlich könnte man all das viel schneller machen, und in Verantwortung für nachfolgende Generationen und für den Planeten müsste man das sogar. Ich kann alle Ungeduld und sogar den Zorn sehr gut verstehen. Doch auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind eine Realität. Manche sagen jetzt: ‚Lieber kein Kohleausstieg als dieser Kohleausstieg‘. Das ist natürlich nicht richtig. Das ist ja wie ‚Lieber nicht regieren als falsch regieren‘. Meine KollegInnen haben hart verhandelt, und ich kann mit Überzeugung sagen: Wir erreichen weit mehr als Nichts. Ohnehin verpflichtet uns das Klimaschutzgesetz, Maßnahmen zu schärfen, wenn sie die gesteckten Ziele nicht erreichen. Deshalb war es uns wichtig, dass der heutige Kompromiss keiner ist, der uns auf ewig die Hände bindet!“ (siehe https://twitter.com/EskenSaskia/status/1277901228257804288).

Mit der Parteivorsitzenden Saskia Esken freue ich mich über das Engagement der Bevölkerung, die lauten und starken Stimmen von FridaysForFuture, Parents4Future, ScientistForFuture und alle weiteren Aktiven. Gemeinsam setzten wir uns für eine bessere Zukunft für die folgenden Generationen ein. Das Kohleausstiegssetz ist dazu nun ein Meilenstein. Es wurde lange verhandelt und es ist ein akzeptables Ergebnis. Würden wir dagegen stimmen, dann wäre das Risiko groß, dass der Kohleausstieg noch viel länger dauert. Wir können uns nicht leisten den Planeten noch länger so zu belasten. Das Gesetz gibt aktuell die Flexibilität alle zwei Jahre zu prüfen, ob die Klimaziele tatsächlich erreicht werden.

Mit freundlichen Grüßen
Fritz Felgentreu