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Fabio De Masi
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Frage von Michael B. •

Wie werden Sie sich dafür einsetzen keine Hintertüren in die verschlüsselte Kommunikation einzubauen?

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Antwort von BSW

Sehr geehrter Herr B.,

Selbstverständlich muss Kindesmissbrauch besser und umfassender bekämpft werden. Dazu fehlt es den Strafverfolgern aber vor allem an Ressourcen und nicht an hinreichenden Verdachtsfällen. Zumal sich bereits heute ein Großteil der Darstellungen von Kindesmissbrauch über das Darkweb und Kanäle verbreitet, die von der Chatkontrolle auch weiterhin nicht erfasst wären.

Die Chatkontrolle scheint ein überschießendes Mittel. Wir würden ja auch nicht jeden Brief öffnen und das Briefgeheimnis verletzen und von einer KI durchsuchen lassen, um Straftäter zu ermitteln. In der Vergangenheit hat das Europäische Parlament ähnliche Vorstöße abgelehnt und auch die Bundesregierung hatte das Vorhaben im Europäischen Rat nicht unterstützt. Dies könnte sich aber ändern.

Die Erfahrung lehrt, dass es nicht bei der Begrenzung der Chatkontrolle auf die Erkennung von Kindesmissbrauch bleiben würde und dass das legitime Ziel der Bekämpfung des Kindesmissbrauchs vielmehr genutzt werden soll, um als Türöffner weitergehende staatliche Überwachungsmöglichkeiten zu schaffen.

Die Frankfurter Rundschau schrieb dazu:

„„Kritiker verweisen auf die hohen Fehlerquoten der heutigen Software-Lösungen. Millionen Menschen könnten zu Unrecht des Kindesmissbrauchs beschuldigt werden. Im schlimmsten Fall könnten z.B. persönliche und unproblematische Strandfotos an Mitarbeiter von Behörden gelangen.“

Weiter führt die FR aus:

„Würde es tatsächlich eingeführt, kämen dazu noch Ausweich-Effekte, für die es für Kriminelle immer Möglichkeiten geben wird. An den Überwachungs-Paragraphen nicht vorbeikommen würden dagegen die Plattformen, die Menschen tatsächlich nutzen, um sich auszutauschen – über private, politische und pikante Inhalte. Sie würden mit der Chatkontrolle einem Ausmaß an Überwachung unterliegen, das es bisher zumindest offiziell nie gegeben hat.“

Und weiter:

„Auch ein Unterschied zwischen „nur“ von Computern der Behörden gescannten Nachrichten und solchen, die Ermittler tatsächlich lesen, ist eingebildet – oder vorgegaukelt. Sobald Kommunikation nicht technisch sicher ist und es Zugriffsmöglichkeiten darauf gibt, verschwindet das Vertrauen in Vertraulichkeit des Gesagten – und damit auch demokratische Freiheit.“

https://www.fr.de/politik/ein-land-macht-druck-entscheidung-ueber-eine-massenueberwachung-fuer-whatsapp-co-im-oktober-93881064.html#google_vignette

Sowie:

https://www.fr.de/meinung/kommentare/ohne-vertrauliche-kommunikation-keine-demokratie-93812472.html

Für das BSW gilt:

Die Wahrung der Privatsphäre ist ein zentrales Grundrecht, das auch in der digitalen Welt vollumfänglich geschützt werden muss. Jede Form staatlicher Überwachung bedarf daher einer besonders strengen rechtlichen Grundlage, einer klaren Begrenzung auf konkrete Verdachtsfälle sowie einer wirksamen richterlichen Kontrolle.

Eingriffe in private Kommunikation können – unter strengen Voraussetzungen – bei schwerer organisierter Kriminalität oder Terrorismusbekämpfung in Betracht gezogen werden. Voraussetzung dafür ist, dass solche Maßnahmen gezielt, verhältnismäßig, verfassungskonform und mit einem konkreten Anlass bzw. Verdachtsfall erfolgen.

Umfassende, anlasslose Überwachungsmethoden wie die flächendeckende Durchsuchung privater Nachrichten sind hoch problematisch. Sie bergen erhebliche Risiken für Missbrauch, für die Pressefreiheit und für den Schutz vertraulicher Kommunikation. Denn der Staat sollte grundsätzlich davon ausgehen, dass die Mehrheit der Bürger sich im Großen und Ganzen rechtskonform verhalten.

Aus diesem Grund werden wir die weitere Entwicklung der parlamentarischen Debatte kritisch begleiten.


Mit freundlichen Grüßen

Fabio De Masi

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