Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Eva Högl zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Cosima H. •

Frage an Eva Högl von Cosima H. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Dr. Högl,

wie stehen Sie zu den Forderungen teilweise aggressiv agierender Männer- und Väterverbände? Diese wollen durchsetzen, dass Kinder nach der Trennung der Eltern von Gerichten jeweils "hälftig" im sogenannten Wechselmodell aufgeteilt werden sollen. Dies ganz ohne individuelle Betrachtung der Lebensumstände und des individuellen Kindeswohls. Die Notwendigkeit der Einzelfallbetrachtung wurde bisher auch vom Bundesgerichtshof für wichtig erachtet. Es gibt bis Dato keine Studien und Erfahrungswerte mit dem Wechselmodell, die sich auf mehr als nur einen kleinen Anteil aller getrennten Familien übertragen ließen.

Mit dem Wechselmodell und der noch weiteren Stärkung von Väterrechten einhergehen würden erneute Kompromisse im Gewaltschutz. Bereits jetzt können die Frauenhäuser fast dicht machen, da eine schwer geprügelte Frau über Umgang und Wechselmodell immer wieder ihrem Peiniger ausgesetzt wird und diesem auch immer wieder die gemeinsamen Kinder überlassen muss. Denn nach überwiegender Ansicht der Gerichte ist man kein schlechter Vater, wenn man seine Frau schlägt.

Wie werden Sie sich ganz konkret für die Interessen von 3 Millionen Alleinerziehenden und ihren Kindern einsetzen? Sind Mütterrechte auch wichtig, oder gelten für die Politik derzeit nur Väter etwas?

Viele Grüße und viel Glück im Endspurt.

C. H.

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau H.,

vielen Dank für Ihre Nachricht über das Internetportal abgeordnetenwatch.de zum Thema Alleinerziehende.

Vor 30 Jahren bin ich zur SPD gekommen, weil ich mich für mehr Gleichstellung und die Rechte von Frauen engagieren wollte. Das ist auch heute noch ein ganz wesentliches Ziel meiner politischen Arbeit – nicht zuletzt als Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen Berlin.

Die Rechte von Frauen zu stärken und die Gleichberechtigung von Frauen zu fördern, heißt für mich auch insbesondere Alleinerziehende zu unterstützen.

Alleinerziehende sind längst nicht mehr ein „Randphänomen“, sondern wesentlicher Bestandteil der Familien in Deutschland: 20 Prozent aller Familien mit minderjährigen Kindern sind alleinerziehend – und davon die meisten Frauen.

Viele Alleinerziehende sind selbstbewusste, optimistische und tatkräftige Frauen: Sie kümmern sich liebevoll um ihre Familie, bewältigen die Herausforderungen des Alltags und streben dazu noch, selbstständig ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Auch wenn sie dabei auf ein Netz von Freunden und Verwandten – oder neuen Partnern – bauen können, meistern sie diese Mehrfachbelastungen doch vorwiegend allein. Diese hohen Anforderungen bedeuten auch Risiken. Alleinerziehende und ihre Familien tragen ein besonders hohes Armutsrisiko, fast 40 Prozent aller Haushalte von Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern sind derzeit auf staatliche Grundsicherungsleistungen angewiesen. Alleinerziehende sind deswegen noch stärker als Andere auf eine familienfreundliche Arbeitswelt angewiesen.

Meine Partei die SPD und ich haben ein klares Ziel: Wir wollen Alleinerziehende stärker unterstützen.

In den vergangenen vier Jahren haben wir viele Verbesserungen für Alleinerziehende durchgesetzt: Wir haben den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende kräftig erhöht wird. Nach 11 Jahren Stillstand wurde er von 1.308 auf 1.908 Euro angehoben – ein Plus von 600 Euro. Von dieser Anhebung profitieren rund 1,1 Millionen Haushalte von Alleinerziehenden.

Ebenso haben wir das Elterngeld weiterentwickelt zum ElterngeldPlus. Damit können Mütter oder Väter leichter, Elternzeit und Teilzeitarbeit kombinieren und erhalten anteilig länger Elterngeld. Auch davon profitieren Alleinerziehende: Sie können mit einer Teilzeitbeschäftigung und ElterngeldPlus-Monaten länger für ihre Familie da sein und im Beruf weitermachen. Dadurch werden Familie und Beruf nicht gegeneinander ausgespielt, sondern miteinander vereinbart.

Und wir haben den Unterhaltsvorschuss ausgebaut. Alleinerziehende, die ohne Unterhaltszahlungen vom anderen Elternteil auskommen müssen, erhalten in Zukunft für ihre minderjährigen Kinder länger Unterhaltsvorschuss. Die bisherige Altersgrenze von zwölf Jahren wurde auf achtzehn Jahre angehoben. Die Höchstbezugsdauer von sechs Jahren wurde abgeschafft.

Damit haben wir zwar schon viel für Alleinerziehende erreicht, doch wir müssen ihre Situation noch weiter verbessern und sie noch mehr unterstützen.

So möchte die SPD Alleinerziehende bei Steuern und Abgaben entlasten.

Wir wollen eine Beitragsentlastung für Arbeitnehmer*innen einführen, die zwischen 451 Euro und 1300 Euro verdienen, so dass der Arbeitnehmerbeitrag zu den Sozialversicherungen in dieser Zone nur allmählich ansteigt. Anders als bei der aktuellen Regelung für Beschäftigungsverhältnisse zwischen 451 Euro und 850 Euro, sollen die Arbeitnehmer*innen aber gleichwohl die vollen Rentenansprüche erwerben, die sie bei einem nicht reduzierten Arbeitnehmerbeitrag erwerben würden. Deshalb wird den Sozialversicherungen das entfallende Beitragsaufkommen aus Haushaltsmitteln erstattet, um die vollen Leistungen bei Rente, Gesundheit, Pflege und Arbeitslosigkeit zu garantieren.

Hiervon würden insbesondere Alleinerziehende profitieren, da viele von ihnen Teilzeit arbeiten und nur ein geringes Einkommen haben.

Alle heutigen Eheleute werden auch in Zukunft das Ehegattensplitting nutzen können. Für die Zukunft wollen wir jedoch einen Familientarif mit Kinderbonus einführen. Von dem Kinderbonus des Familientarifs profitieren verheiratete und unverheiratete Eltern mit Kindern, wie auch Alleinerziehende. Jedes Elternteil soll künftig 150 Euro pro Kind von seiner Steuerlast abziehen können.

Viele Alleinerziehende haben ihre Arbeitszeit für die Betreuung ihrer Kinder reduziert und arbeiten Teilzeit. Viele haben den Wunsch, wieder Vollzeit zu arbeiten, was ihnen jedoch der Arbeitgeber verwehrt. Das wollen wir ändern und ein Rückkehrrecht auf Vollzeit einführen. Bundeskanzlerin Merkel hat das verhindert!

Damit Alleinerziehende auch Vollzeit arbeiten können, muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. Hierfür wollen wir allen voran einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen einführen.

All das können wir nur mit einer starken SPD und einer SPD-geführten Bundesregierung umsetzen. Deswegen werbe ich bis zum 24. September um jede Stimme, damit die SPD stärkste Kraft und Martin Schulz unser Bundeskanzler wird.

So bitte ich Sie um Ihre Unterstützung und Ihre beide Stimmen für die SPD.

Ich möchte insbesondere um Ihre Erststimme für mich als Kandidatin der SPD werben. Seit 2009 vertrete ich den Wahlkreis Berlin-Mitte im Deutschen Bundestag. Sehr gerne möchte ich alle Menschen, die in Berlin-Mitte leben und arbeiten, auch die nächsten vier Jahre im Bundestag vertreten und mich dort für die Rechte Alleinerziehender einsetzen.

Zu Ihrer Frage zum Wechselmodell:

In Deutschland haben sich Familiengerichte bisher mehrheitlich für das Residenzmodell ausgesprochen, da die gesetzlichen Bestimmungen nach wie vor auf
den Fall zugeschnitten, dass ein Elternteil das Kind hauptsächlich betreut, während der andere sein Umgangsrecht ausübt. Der Bundesgerichtshof hat jedoch klargestellt: Eine gerichtliche Umgangsregelung nach dem Wechselmodell wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich intensiv mit dem Wechselmodell befasst.
Wir wollen eine Rechtsgrundlage im BGB schaffen, auf deren Basis das Wechselmodell angeordnet werden kann. Wir stimmen Ihnen vollkommen zu, dass das Wechselmodell jedoch nur nach eingehender Einzelfallprüfung und im Sinne des Kindeswohls angeordnet werden sollte.

Das hat die SPD-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier Anfang März 2017 beschlossen, das Sie hier finden: http://www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier_wechselmodell_07032017.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Eva Högl

P.S.: Ich setze mich auch für die Stärkung der Rechte von Kindern ein und freue mich sehr, dass wir im SPD-Wahlprogramm festgeschrieben haben, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Auch hierfür brauchen wir jedoch eine starke SPD!