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Dietmar Nietan
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Frage von Joachim L. •

Frage an Dietmar Nietan von Joachim L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Nietan,

da Sie auf meine Frage vom 06.10.2016 nicht eingegangen sind, möchte ich meine Frage heute konkretisieren: Was hat das eigentlich noch mit Rechtsstaatlichkeit in unserem Land zu tun, wenn die Politik und die Regierenden ein höchstrichterliches Urteil des Bundesarbeitsgericht in Erfurt durch einen Taschenspielertrick aushebeln und umgehen wollen? Wie kann Unrecht der AVEs der Jahre 2008, 2010 und 2014 des BMAS rückwirkend durch ein schnell kreiertes "Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe" zu Recht gemacht werden? Wenn die AVEs des BMAS und die daraus resultierenden Forderungen der Soka-Bau AG nicht rechtens waren, und Firmen dadurch willkürlich und ohne jede Rechtsgrundlage in den Ruin getrieben und Arbeitsplätze vernichtet wurden, warum hat sich hierbei die Politik insbesondere die SPD, die Partei des kleinen Mannes, nicht eingeschaltet? Kann es sein, daß die Verbindung zwischen den Regierenden und den Bauarbeitgeberverbänden (ZDB und HDB), die nunmal Träger dieser "privatwirtschaftlichen" Pseudosozialkasse, der Soka-Bau Aktiengesellschaft, sind, inniger und ausgeprägter ist als die Loyalität der Regierenden zu unserem Rechtsstaat? Sind die Herren Pakleppa, Schröer und Konsorten doch etwas gleicher vor dem Gesetz als ein kleine Handwerksmeister? Wir Betroffene und der IVEB werden dieser korrumpierten Politik Widerstand leisten und wenn die SPD nicht noch mehr Rückhalt bei den Bürgern verlieren will, sollte sie allmählich aufwachen.

J.Loup - Maurermeister

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Loup,

haben Sie vielen Dank für Ihre kritische Nachfrage zur Sicherung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe.

Zunächst muss ich Ihren Vorwurf zurückweisen, dass Sie das „Gesetz zur Sicherung des Sozialkassenverfahren im Baugewerbe“ als „Taschenspielertrick“ bezeichnen, um ein Urteil des Bundesarbeitsgericht auszuhebeln. Das ist natürlich nicht der Fall. Es ist vielmehr ein ganz normaler rechtsstaatlicher Vorgang, dass nach einem höchstrichterlichen Gerichtsurteil der Bundestag als Gesetzgeber schaut, ob sich daraus Handlungsbedarf ergibt. Wenn sich durch ein Urteil Folgen ergeben, die nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, kann er diese natürlich wieder schließen. Nichts anderes passiert mit dem Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz. Das ist ein normaler rechtsstaatlicher Vorgang.

Mit Beschluss vom 21. September 2016 hat das Bundesarbeitsgericht die Unwirksamkeit von verschiedenen Allgemeinverbindlicherklärungen von Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes erkannt. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht entgegen der bisherigen Rechtspraxis unter anderem eine persönliche Ministerbefassung für erforderlich gehalten. Die Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichtes können den weiteren Bestand der Sozialkassen gefährden und Nachteile für Betriebe und Arbeitnehmer mit sich bringen. Die Sozialkassen müssen damit rechnen, mit Beitragsrückforderungen konfrontiert zu werden.

Die Sozialkassen des Baugewerbes erbringen seit Jahrzehnten verlässlich Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren und gewähren Alters-, Erwerbsminderungs- und Unfallrenten. Hiervon profitieren bis zu 700.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mehr als 35.000 Auszubildende sowie mehr als 370.000 Rentnerinnen und Rentner. Die Sozialkassenverfahren des Baugewerbes haben also eine hohe sozialpolitische Bedeutung.

Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass die bislang stets nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge, die dem Sozialkassenverfahren zugrunde liegen, beginnend mit dem 1. Januar 2006 kraft Gesetzes für alle Arbeitgeber verbindlich angeordnet werden. Die Sozialkassen des Baugewerbes können ausstehende Beiträge wieder einziehen. Die Risiken für das Sozialkassenverfahren, die aus etwaig bestehenden Rückforderungsansprüchen folgen können, werden abgewendet. Damit stellt das Gesetz Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für die unterschiedlichen Leistungsbeziehungen zwischen den Sozialkassen des Baugewerbes, den Betrieben, überbetrieblichen Ausbildungsstätten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Auszubildenden sowie Rentnerinnen und Rentnern her.

Ich habe Ihnen auf eine Frage auf diesem Portal aus dem Jahre 2015 bereits geantwortet, dass ich die Entscheidung auch Solo-Selbständige einzubeziehen vor dem Hintergrund der Fachkräftesicherung im Baugewerbe nachvollziehen kann. Durch die demografische Entwicklung wird die Berufsausbildung für die Fachkräftesicherung auch in der Bauwirtschaft immer wichtiger.

Zusammengefasst: Mit dem Gesetz wird Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geschaffen. Die Sozialkassenverfahren des Baugewerbes sind Grundlage für Sozialleistungen für Hunderttausende von Menschen. Deshalb ist es sinnvoll sich für deren Fortbestand einzusetzen. Das sieht im Übrigen auch der der Deutsche Gewerkschaftsbund so: http://handwerk.dgb.de/++co++9038a8ee-cf20-11e0-42b5-00188b4dc422

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar Nietan

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