Wann ist die SPD von der Arbeiterpartei zur Partei der Rentner geworden?
Sehr geehrte Frau Rump,
der demographische Wandel ist jetzt schon seit Jahrzehnten absehbar. Nichtsdestotrotz werden notwendige Reformen immer weiter aufgeschoben, so wie auch mal wieder in dieser Legislaturperiode. Anstatt notwendige Reformen, wie z.B. von den Wirtschaftsweisen vorgeschlagen, anzugehen, wurde mal wieder eine weitere Kommission eingesetzt.
Können Sie mir mitteilen welche Erkenntnisse - die nicht schon bereits seit Jahren bekannt sind - von dieser erwartet werden?
Um die aktuelle, brandgefährliche Lage noch einmal weiter zu verschärfen hat die SPD sich hingegen dafür eingesetzt das Rentenniveau weiterhin festzuschreiben, so dass das Problem des demographischen Wandels ausschließlich auf die Arbeitnehmer, die unter immer höheren Sozialabgaben leiden müssen, abgewälzt wurde.
Können Sie mir erklären inwiefern dies auch nur ansatzweise dem Konzept der Generationengerechtigkeit entsprechen soll?

Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Rentenpolitik und zur Generationengerechtigkeit, die ich gerne beantworte.
Sie sprechen die Einsetzung der neuen Rentenkommission an. Hier muss deutlich gesagt werden, dass es keine einfache oder einheitliche Antwort darauf gibt, wie unser Rentensystem zukunftsfest aufgestellt werden kann. Die „Wirtschaftsweisen“ schlagen sehr unterschiedliche Wege vor - ein höheres Renteneintrittsalter auf der einen Seite - kapitalgedeckte Elemente auf der anderen Seite. Am Ende ist es eine politische Richtungsentscheidung, welchen Weg wir gemeinsam als Gesellschaft einschlagen wollen. Genau deshalb braucht es aus meiner Sicht eine breit legitimierte Kommission. Nicht als Ersatz für Entscheidungen, sondern als Grundlage für eine gesellschaftlich tragfähige Reform.
Zur Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent:
Ich halte eine Stabilisierung für zentral, um nicht nur heutige Rentnerinnen und Rentner, sondern vor allem auch die künftige arbeitende Generation abzusichern. Ohne diese Stabilisierung droht eine Entkopplung der späteren Renten von der Lohnentwicklung, das wäre aus meiner Sicht ein klarer Bruch mit dem Versprechen lebensstandardsichernder Renten. Ich werde mich deshalb auch über das Jahr 2031 hinaus für eine Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent einsetzen.
Ein Vorwurf, der oft in diesem Zusammenhang erhoben wird, ist, dass diese Stabilisierung auf Kosten der jungen Generation gehe. Dazu gibt es aber neue und sehr fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse: Eine aktuelle Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass die Stabilisierung des Rentenniveaus nicht zu Lasten der Jüngeren geht.
Alle untersuchten Geburtsjahrgänge, von den 1940ern bis 2010, profitieren unter dem Strich. Die sogenannten „internen Renditen“ der gesetzlichen Rente steigen sogar, insbesondere für Menschen, die in den 1960er bis 1980er Jahren geboren wurden Die Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass der dafür notwendige höhere Bundeszuschuss zur Rentenversicherung keine Haushaltskrise auslöst: Selbst im Jahr 2035 würde der Zuschuss mit 2,4 % des BIP noch unter dem Niveau von 2003 liegen (damals: 2,8 %).
Wir müssen das System zukünftig gerechter und solidarischer gestalten.
Dazu gehört aus meiner Sicht auch die sogenannte Erwerbstätigenversicherung, also die Integration von Selbstständigen, Politikerinnen und Politikern und Beamtinnen und Beamten in die Versicherungen. Denn auch das ist Generationengerechtigkeit: Die Lasten auf mehr Schultern zu verteilen.
Mir ist klar, dass die Frage nach der „richtigen“ Rentenpolitik nie nur technisch beantwortet werden kann. Es geht immer auch um das Menschenbild und um das Vertrauen in unsere sozialen Sicherungssysteme.
Ich stehe für ein solidarisches Rentensystem, das allen Menschen Sicherheit gibt. Ziel muss immer sein, dass all diejenigen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, gut von ihrer Rente leben können.
Viele Grüße
Daniela Rump