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Dagmar Wöhrl
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Frage von Josef M. •

Frage an Dagmar Wöhrl von Josef M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Wöhrl,

vielen Dank für Ihre Antwort.

Aufmerksam habe ich am 29.6. die Berichterstattung im Fernsehen verfolgt und muss sagen, dass ich fassungslos bin. Es wurde nur mit Worthülsen argumentiert, der Untergang des Abendlandes an die Wand gemalt (ob das nun unsere Kanzlerin, Herr Schäuble oder Herr Kauder waren, die Herrschaften der Opposition haben sich allerdings nicht besser gezeigt). Sachliche Argumente - Fehlanzeige.

Wo waren Erklärungen zur Solidarität der Vermögenden in den einzelnen Ländern, die Hilfen erwarten, mit ihrem eigenen Land ? - das wäre das erste nötige Zeichen bevor man von anderen Solidarität erbittet. Wie steht es denn um Dinge wie Einführung oder Verbesserung einer effektiven Steuererhebung in diesen Ländern? Solidarität (die ich für absolut richtig und auch geboten halte) ist aber keine Einbahnstraße!

Das immer beschworene Wachstum wird nur in den Raum gestellt, aber nicht erklärt wo das herkommen soll. Was genau sollen die "Hilfskandidaten" denn prodzieren oder leisten um zu wachsen? Welches "Geschäftsmodell" exisitiert denn da?

Ich muss leider feststellen, das die Kritiker des ESM und des Fiskalpakts, im Gegenteil zu den Befürwortern, sehr sachlich und schlüssig argumentiert haben.

An dieser Stelle ist es auch unwürdig, dass sich Kritiker auch noch bedanken müssen, dass sie überhaupt zu Wort kommen dürfen; fragwürdig finde ich die höhe Zahl der leeren Sitze der Abgeordneten während der Aussprache. Kein Interesse ? Wichtigeres zu tun ?

Mit ihren Ausführungen bin ich auch deshalb unzufrieden weil unklar bleibt warum es beim ESM denn ein Vertrag sein muss, der keinerlei Ausstiegsklausel enthält. Den Umfang der Kritikpunkte hat Herr Gauweiler sehr gut dargestellt. Diesem war übrigens anzumerken, dass ihn dieses Thema emotional angreift - echte Leidenschaft. Das war bei vielen Rednern nicht zu bemerken,

Man kann sich alles schönreden, auch den ESM und Fiskalpakt.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Müller

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre erneute Anfrage. Ich kann Ihnen versichern, dass ich Ihre Bedenken verstehe und nachvollziehen kann.

Die Stabilität unserer gemeinsamen Währung ist ein hohes Gut. Die Stabilisierung des Euro liegt im Interesse Deutschlands, trotzdem darf die mit den Euro-Rettungsschirmen verbundene Solidarität mit den anderen Euro-Ländern natürlich nicht zu weit gehen. Vielmehr muss die Eigenverantwortung der in finanzielle Schieflage geratenen Staaten eingefordert werden und es kann nur Hilfen zur Selbsthilfe geben. Die betroffenen Staaten müssen nachhaltig dazu gebracht werden, ihre Haushalts- und Strukturprobleme zügig anzugehen.

Die dauerhafte Stabilisierung der Eurozone kann nur gelingen, wenn die Eurostaaten zu solider Haushaltspolitik zurückkehren und ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit gezielt stärken. Konsolidierung und Wachstum gehören für uns zusammen und solide öffentliche Finanzen sind eine notwendige Grundlage für nachhaltiges Wachstum. Der Europäische Rat (bestehend aus den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union) hat deshalb am 28. und 29. Juni 2012 eine Wachstumsstrategie für Europa beschlossen. Mit dem Abschlussdokument, dem sogenannten „Pakt für Wachstum und Beschäftigung“, beschloss der Europäische Rat Maßnahmen für alle Mitgliedstaaten zur Ankurbelung von Wachstum, Investitionen und Beschäftigung und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Außerdem wurden länderspezifischen Empfehlungen gebilligt, die den Mitgliedstaaten als Richtschnur für ihre politischen und haushaltspolitischen Maßnahmen dienen sollen.

Ein starkes, intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, das auf solide öffentliche Finanzen, Strukturreformen und Investitionen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit gestützt ist, ist vorrangig. So geht beispielsweise aus dem Abschlussdokument folgendes hervor: „Bekämpfung von tiefverwurzelten Ungleichgewichten und durch weiterführende Strukturreformen zur Erschließung des Wachstumspotenzials auf nationaler Ebene, einschließlich der Öffnung des Wettbewerbs in netzgebundenen Wirtschaftszweigen, der Förderung der digitalen Wirtschaft, der Nutzung des Potenzials einer umweltverträglichen Wirtschaft, der Beseitigung ungerechtfertigter Beschränkungen für Dienstleistungserbringer und der Erleichterung von Unternehmensgründungen.“
Da allerdings die Versäumnisse vieler Jahre nicht über Nacht beseitigt werden können, müssen nun in den kommenden Wochen und Monaten diese Beschlüsse konkretisiert und umgesetzt werden, denn jeder der Euro-Staaten steht vor ganz individuellen Herausforderungen. Ein allgemeines „Geschäftsmodell“ einzuführen wäre sicher nicht zielführend. Die Einführung von verbindlichen Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild in allen anderen Euro-Staaten ist allerdings ein entscheidender Bestandteil bei der Weichenstellung für die Stabilisierung unserer Gemeinschaftswährung im gesamten Euro-Raum.

Ich kann Ihnen versichern, dass Leistungen aus dem ESM grundsätzlich nur unter strikten Auflagen gewährt werden. Finanzhilfen werden nur vergeben, wenn ein Euro-Mitgliedstaat schwerwiegende Finanzierungsprobleme hat und eine Unterstützung für die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt unabdingbar ist. Sämtliche Mittel aus den Rettungsschirmen werden nur befristet vergeben und auch nur an diejenigen Länder gewährt, die den Fiskalvertrag ratifiziert und eine verbindliche Schuldenbremse eingeführt haben. Dauerhafte und langfristige Hilfen werden ausgeschlossen.

Zukünftig wird auch der Deutsche Bundestag noch mehr Mitspracherecht erhalten. Mit dem ESM-Finanzierungsgesetz wurde das Vetorecht des deutschen Vertreters im Gouverneursrat des ESM an das Parlament übertragen: Hat also der deutsche Vertreter kein Votum des Bundestags, muss er mit Nein stimmen.

Ich gebe Ihnen recht, Herr Müller, Solidarität darf keine Einbahnstraße sein – wer Finanzhilfen will, muss seine öffentlichen Haushalte konsolidieren, Strukturreformen durchführen und Wachstum ermöglichen. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Grundlagen für eine dauerhafte Stabilisierung – auch zum Wohle Deutschlands – geschaffen haben.

Ich verbleibe mit freundlichen Grüße
Ihre Dagmar G. Wöhrl