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Christoph Strässer
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Frage von Thomas K. •

Frage an Christoph Strässer von Thomas K. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Strässer!

Als Mitglied des Menschenrechtsausschusses des Bundestags setzen sie sich intensiv für eine Freilassung des in den USA verurteilten Doppelmörders Jens Söring ein.
Nun gibt es in Deutschland echte Justizopfer wie z.B. Monika de Montgazon http://www.tagesspiegel.de/berlin/justizirrtum-unschuldig-verurteilt-und-zur-kasse-gebeten/6498010.html .
Hier muß also eine Frau, die 2 1/2 Jahre unschuldig im Gefängnis saß, die Gutachten, die sie vor dem Absitzen einer lebenslangen Freiheitsstrafe bewahrten, zu einem Teil selbst bezahlen. Weil die Justiz zynischerweise von ihr verlangt, mit den Gutachtern niedrige Preise auszuhandeln.
Meine Frage: wo bleibt ihr Einsatz für die Menschenrechte einer nachgewiesenermaßen Unschuldigen? Da müßten Sie Sich doch noch stärker engagieren als für einen schuldigen Doppelmörder. Ich bitte um Aufklärung.

Mit freundlichem Gruß Thomas Kurbjuhn

Portrait von Christoph Strässer
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kurbjuhn,

ich setze mich für die Haftüberstellung von Herrn Söring nach Deutschland ein. Ich habe Ihnen zu diesem Fall auch schon bereits persönlich geantwortet.

Im übrigen verweise ich auf
meine Antwort bei Abgeordnetenwatch auf die Frage vom 21. April 2012.

Der Fall von Frau de Montgazon hat zu Recht für Aufsehen gesorgt und ist erschütternd.

Dabei geht es konkret um zwei Fragen. Es geht darum, wie hoch eine Entschädigung auszufallen hat und inwieweit Gutachten zur Entlastung erstattet werden müssen.

Wie gehen wir mit Menschen um, die zu Unrecht inhaftiert waren; die durch ihren Gefängnisaufenthalt erhebliche Nachteile in ihrem beruflichen und persönlichen Umfeld hinnehmen mussten - bis hin zum Arbeitsplatzverlust oder der Beschädigung des familiären Umfeldes?

In Deutschland existiert hierfür ein Gesetz zur Entschädigung von Justizopfern. Die Höhe der Entschädigung, wenn der entstandene Schaden kein Vermögensschaden ist, ist seit vielen Jahrzehnten umstritten. In den Jahren 2008 und 2009 beschäftigte sich die Justizministerkonferenz - auch auf Grundlage dieses Falles - mit diesem Thema und einigte sich letztlich auf eine Erhöhung der Entschädigung auf 25 Euro pro Tag. Davor lag der Betrag bei 11 Euro.

Bundesjustizminister Brigitte Zypries hatte sich stets offen für eine höhere Haftentschädigung gezeigt, ihr weiteres Vorgehen aber von einer Einigung der Länder abhängig gemacht.

Die SPD hat auf Bundesebene diesem Gesetz zugestimmt. Aber die SPD hat bei den Debatten sehr deutlich gesagt, dass dies nur ein erster Schritt ist, dass wir an die Frage der Entschädigung wieder heran- und die Entschädigung weiter erhöhen müssen. Wir haben von einem Zwischenschritt gesprochen.

Eine Haftentschädigung wird gezahlt, wenn jemand zu Unrecht in Untersuchungshaft saß oder zu Unrecht zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Die Entschädigung soll den erlittenen immateriellen Schaden ausgleichen. Justizopfer können zusätzlich Schadenersatz für die zu Unrecht erlittene Haft verlangen, etwa die Erstattung der Anwaltskosten und des Verdienstausfalls. Den Schadenersatz müssen sie gerichtlich einklagen.

25 Euro sind in Europa ein vergleichsweise niedriger Betrag, in einigen Ländern wird kein fester Betrag, sondern eine Einzelfallregelung getroffen.

Nach dem Entschädigungsgesetz werden Opfern von Fehlurteilen alle für die Verteidigung notwendigen Kosten erstattet. Ausgenommen davon sind Kosten, die eine „wirtschaftlich handelnde Person“ nicht verursachen würde. Diese Regelung soll ausschließen, dass unverhältnismäßig hohe Kosten für die Aufklärung von Vorwürfen in Rechnung gestellt werden.

Gleichwohl kann dies im Einzelfall zynisch klingen, wenn es wie in diesem Fall um eine lebenslange Haftstrafe mit besonderer Schwere der Schuld geht.

Kann man tatsächlich verlangen auf ein Gutachten zu verzichten, wenn es entlasten kann, aber überdurchschnittlich teuer ist? Kann man aus dem Gefängnis heraus „wirtschaftlich“ handeln und Gutachtersätze verhandeln?

Ich sehe die Entscheidung des Gerichts zumindest auch kritisch, ähnlich wie der Anwaltsverein Berlin. Ich hoffe, dass Frau de Montgazon ihre gesamten Kosten und Aufwendungen voll umfänglich erstattet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Strässer