Wie begründet die CDU milliardenschwere Steuererlasse für Großvermögen (§ 28a ErbStG), wenn die Unternehmensinvestitionen stagnieren und der gesellschaftliche Ertrag dieser Entlastung ausbleibt?
Sehr geehrter Herr de Vries,
die Stiftung Familienunternehmen verteidigt weitreichende Verschonungen bei der Erbschaftsteuer – teils für Konzerne wie Oetker, Haniel oder Trumpf – mit dem Argument, sie sicherten Arbeitsplätze und Investitionen. Doch laut KfW Research (Fokus Nr. 485/2025) lagen die Unternehmensinvestitionen 2024 6,5 % unter dem Niveau von 2019 und sogar 28 % unter dem früheren Wachstumspfad (2016–2018).
Das bedeutet: Die steuerlich begünstigten Großvermögen investieren nicht proportional zu ihrer Entlastung. Damit wird Kapital angehäuft, aber kaum in produktive Nachfrage überführt – ein Widerspruch zum Sozialprinzip, das christlich-demokratische Politik historisch getragen hat.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass der Staat in Zukunft nicht bloß Privatvermögen konserviert, sondern öffentliche Investitionskraft stärkt, wenn das Kapital in Familienkonzernen stagniert? Machen Sie sich für eine Erbschaftsteuerreform stark?
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die im KfW-Research-Papier (Fokus Nr. 485/2025) genannten Zahlen ohne ihren vollständigen Kontext betrachtet wurden und dadurch der Eindruck einer Abhängigkeit entsteht, die so nicht besteht. Angesichts der derzeit schwierigen Rahmenbedingungen am Wirtschaftsstandort Deutschland ist es nachvollziehbar, dass viele Unternehmen ihre Investitionen zurückhalten.
Die Bedeutung von Familienunternehmen für unsere Wirtschaft darf nicht unterschätzt werden. Sie sichern Millionen Arbeitsplätze, investieren langfristig und leisten einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität. Gerade deshalb sehen wir die derzeit diskutierten Vorschläge wie eine bloße Stundung kritisch. Eine Stundung statt einer Verschonung birgt die Gefahr, dass in der Unternehmensnachfolge Liquiditätsengpässe entstehen, die im schlimmsten Fall zu Arbeitsplatzverlusten führen können. Dies gilt besonders dann, wenn Gewinnerwartungen aufgrund äußerer Faktoren nicht erfüllt werden. Wer ein Familienunternehmen übernimmt, erbt nicht nur Vermögen, sondern übernimmt auch Verantwortung, Haftung und Investitionspflichten. Eine zusätzliche steuerliche Belastung im Erbfall kann einen Betrieb schnell in erhebliche Schwierigkeiten bringen.
Vor diesem Hintergrund ist es für uns von großer Bedeutung, zunächst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Auf dieser Grundlage können wir verantwortungsbewusst prüfen, ob und in welchem Umfang ein Nachbesserungsbedarf besteht. Schnellschüsse oder voreilige Entscheidungen, wie sie derzeit diskutiert werden, halten wir weder rechtsstaatlich noch wirtschaftspolitisch für sinnvoll.
Für die Union steht fest: Wir brauchen eine Steuerpolitik, die gerecht ist, nicht ideologisch motiviert, und das nachhaltige Wachstum sowie generationenübergreifende Verantwortung anerkennt und stärkt.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph de Vries

