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Frage von Thomas P. •

Frage an Brigitte Zypries von Thomas P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Ministerin,

das AGG mit seinen 8 Diskriminierungskriterien ist doch in vielen Lebenssachverhalten praxisfremd. Zum Beispiel sind doch bei Einstellungsgesprächen für einen Job die Kriterien des AGG ziemlich unwirksam. Es ist doch naiv anzunehmen, dass die angegebenen Diskriminierungstatbestände da greifen: Kein gewiefter Personalleiter, der einen Job-Bewerber zB. wegen eines Diskriminierungskriteriums wie "Ethnik" oder "Alter" ausschließen will, wird sich dabei erwischen lassen. Wenn er angezeigt wird, braucht er ja nur andere Merkmale anzugeben, weshalb er den betreffenden Bewerber ausgeschlossen habe: der Bewerber passe nicht in das Team, wegen der Körpergröße oder sonst irgend etwas oder aus willkürlicher Entscheidung. Das Gegenteil wird sich nur mit großem Aufwand nachweisen lassen. Das alles verstößt nicht gegen das AGG.

Außerdem sind doch Verzerrungen des rechtlichen Wertgefüges zu besorgen: Denn für einen Bewerber ist das Ausmaß der Diskriminierung viel entscheidender als die Motiv-Lage. So würde ich gegenüber einem Personalchef, der massiv diskriminiert, aber unmotiviert, gefühlsmäßig und willkürlich, also ohne gegen das AGG zu verstoßen, einen Personalchef vorziehen, der in geringem Maße weltanschauliche oder andere gegen das AGG verstoßende Resentiments hegt, wo sich das aber nur schwach auswirkt.

Fragen: Wäre es nicht intelligenter, anstatt im AGG eine notwendigerweise unvollständige Liste verwerflicher Motive zum Gegenstand der Diskriminierungstatbestände zu machen, vielmehr per AGG für Lebenssachverhalte, in denen Diskriminierung ausgeschlossen werden soll, sachliche und faire Auswahlverfahren nachweispflichtig zu machen, wie sie ja z.B. im Arbeitsrecht durch das Gleichheitsgebot ohnehin schon im Prinzip verlangt werden und die in einem Rechtsstreit auch leichter zu überprüfen sind? Wäre es nicht zielführend, dass AGG in diesem Sinne zu novellieren?

Sollte man sich da nicht andere EU-Länder zum Vorbild machen?

mfG TP

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Peltason,

der Inhalt des AGG ist bestimmt durch die Richtlinien der Europäischen Union, die wir in innerdeutsches Rechts umgesetzt haben. Deshalb kann man andere Kriterien nicht nehmen, ohne zuvor die EU-Richtlinien zu verändern. Im Übrigen frage ich mich, wie man ein faires Auswahlverfahren bei Käufern im Kaufhaus gewährleisten will? Ihr Beispiel für das Arbeitsrecht ist gut und richtig, lässt sich meines Erachtens aber nur sehr schwer auf andere Lebenssachverhalte, die das AGG umfasst, übertragen. Im Übrigen wüsste ich auch nicht, dass andere EU-Länder Regelungen in dem von Ihnen vorgeschlagenen Sinne haben.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries