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Bettina Lugk
SPD
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Frage von Ana B. •

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die aus dem Coronatopf entnommenen Mittel wieder zurück fließen und für Forschung und Betreuung von Erkrankten an Postcovid, ME/CFS und PostVac eingesetzt werden?

Sehr geehrte Frau Lugk,
Longcovid und co- diese Krankheiten sind in ihrem Ausmaß (mehr als 2 Mio. Betroffene allein in Deutschland) nicht nur persönliche Tragödien sondern auch mit enormen wirtschaftlichen Verlusten für unser Land verbunden. Lassen Sie die Coronatopfgelder zurück fließen!

Wir befinden uns in einer stillen humanitären Katastrophe, ca. 2 Mio. Erkrankte, ohne Therapie, Anlaufstellen und adäquate Versorgung. Viele davon, meist junge, zuvor arbeitende Menschen, sind bettlägerig.

Bisherige Maßnahmen der Ampel - nicht mehr als einen Tropfen auf dem heißen Stein. Dies ist eine DIREKTE Folge der Pandemie. Daher fordern wir Betroffene mindestens 500 Millionen Euro für 5 Jahre für die Forschung und Versorgung (Aufbau Kompetenzzentren im KOA-Vertrag) der Krankheitsbilder VOR der Löschung des "Kredites ZUR BEKÄMPFUG DER PANDEMIEFOLGEN".

Vielen Dank für Ihre Hilfe!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau B., vielen Dank für Ihre Anfrage.

 

Als SPD-Bundestagsfraktion wissen wir, welch langwierigen Leidensweg Menschen und ihre Angehörigen hinter sich haben, bis sie zu dieser niederschmetternden Diagnose gelangen. Sie können sich sicher sein, dass wir Ihre Sorgen und Anliegen sehr ernst nehmen. Das ist auch der Grund, warum die Bundesregierung – das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Bildung & Forschung – in enger Abstimmung mit uns im Parlament unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet hat.

 

Die Erforschung von ME/CFS ist derzeit leider noch unbefriedigend. Die konkreten Ursachen der Erkrankung sind weiter nicht im Detail bekannt, da es sich um ein sehr vielfältiges Krankheitsbild handelt. Grundlagenforschung ist daher das Gebot der Stunde, um Anhaltspunkte für die Entwicklung einheitlicher Diagnosekriterien und wirksamer Therapieansätze zu finden. Das Bundesministerium für Bildung & Forschung fördert deshalb bereits die Etablierung der Nationalen Klinischen Studiengruppe „Post-Covid Syndrom und ME/CFS“ zur Durchführung von klinischen Phase II-Studien mit insgesamt zehn Millionen Euro bis Ende 2023. Hier sollen bereits zugelassene Medikamente identifiziert werden, die bei positiven Studienergebnissen schnell in die Versorgung gelangen können.

 

Das Bundesministerium für Gesundheit wiederum fördert derzeit einen Verbund des Klinikums rechts der Isar der TU München und der Charité Berlin. Ziel ist der Aufbau eines altersübergreifenden klinischen Registers mit einer Biodatenbank. Die durch das Register gewonnenen Daten werden explizit auch Patientinnen und Patienten mit ME/CFS nach einer COVID-19-Infektion erfassen.

 

Die gemeinsamen Anstrengungen der Bundesregierung werden in einem beim Bundesministerium für Gesundheit angesiedelten Arbeitsstab zwischen den beteiligten Ressorts fortlaufend koordiniert. In die Arbeit des Stabes fließen kontinuierlich auch Hinweise und Forschungsanstrengungen aus aller Welt mit ein. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Gesundheit das Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen bereits im März 2021 damit beauftragt, den aktuellen Wissenstand zu ME/CFS bis Juni 2023 systematisch aufzuarbeiten. Das IQWiG hat gemäß gesetzter Frist bereits am 15.05.2023 einen umfassenden vierteiligen Bericht vorgelegt. Darin wird ausführlich auf den Wissensstand zum Krankheitsbild sowie die Studienlage zu etablierten Therapieverfahren und deren Nutzen eingegangen. Der Bericht stellt fest, dass die Evidenzlage zur Behandlung von ME/CFS schwach und die Erkrankung insgesamt noch wenig verstanden ist. Dennoch wurden Empfehlungen zu notwendigen und weitergehenden Gesundheitsinformationen sowie Handlungsoptionen für die Gesundheitspolitik, Ärzteschaft und Wissenschaft formuliert.

 

Im Lichte dieses Berichts werden dann auch die bereits laufenden Aufklärungskampagnen – beispielsweise durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – weiter ausgebaut und auf eine noch validere Grundlage gestellt. Auch dies wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

 

Der Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, hat die Dringlichkeit verstärkter Anstrengungen in Sachen Long-Covid und ME/CFS öffentlichkeitswirksam wiederholt unterstrichen. Der Minister hat daraufhin am 12. Juli 2023 seine Bundesministerium für Gesundheit-Initiative-Long-Covid vorgestellt. Sie besteht aus drei Teilen:

 

  1. Webseite & Hotline des Bundesministeriums für Gesundheit für Betroffene

Es wurde eine Webseite https://www.bmg-longcovid.de/ des Bundesministeriums für Gesundheit eingerichtet. Sie richtet sich zunächst an Erkrankte aber auch an alle anderen vom Thema betroffenen Gruppen. Sie bietet Antworten zu vielfältigen Fragen und steht auch Angehörige sowie ärztlichem und wissenschaftlichem Personal zur Verfügung. Darüber hinaus wurde eine Long-COVID-Hotline des Bundesministeriums für Gesundheit eingerichtet, an die sich Betroffene direkt wenden können, die Hilfestellung bei der Suche nach passenden Beratungs- und Versorgungsangeboten bietet.

 

  1. Verstärkte Versorgungsforschung

Trotz angespannter Haushaltslage wird das Bundesministerium für Gesundheit mit einem Förderschwerpunkt zu Long-/Post-Covid die versorgungsnahe Forschung noch stärker in den Fokus rücken. Im Zentrum der Förderung werden Modellprojekte stehen, in denen innovative Versorgungsformen zur Behandlung von Long-/Post-COVID-Betroffenen entwickelt und erprobt werden. Darüber hinaus wird mit dem Förderschwerpunkt die Versorgungsforschung zu Long-/Post-COVID z.B. zu Fragen der Epidemiologie oder auch zur Inanspruchnahme von Versorgungsangeboten forciert.

 

  1. Runder Tisch zu Long-/Post-COVID

Im Herbst wird der Bundesgesundheitsminister Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen vom Thema betroffenen Gruppen zu einem Runden Tisch einladen. Es wird die Möglichkeit geben, sich über fachliche Fragen und über den Umgang mit Long-/Post-COVID auszutauschen.

 

Die Ampelkoalition hat sich außerdem in ihrem Koalitionsvertrag auf das Ziel der Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long-COVID und ME/CFS-Betroffene verständigt. Nun wird es darauf ankommen, diese Vereinbarung gemeinsam mit Ländern und Kassenärztlichen Vereinigungen auch umzusetzen. Hierzu laufen zwischen den beteiligten Ressorts der Bundesregierung bereits intensive Gespräche.

 

Selbsthilfevereinigungen und die Akteure des Gesundheitswesens sind aber ihrerseits bereits aktiv geworden und haben Anlaufstellen für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen identifiziert und veröffentlicht. Beispiele sind das Fatigue Centrum der Charité — Universitätsmedizin Berlin oder auch das Netz von Long-Covid-Ambulanzen. Um die Versorgungssituation zügig weiter zu verbessern, haben wir im Parlament bereits mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz im Dezember 2022 den Gemeinsamen Bundesausschuss, das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, gesetzlich damit beauftragt, bis zum 31. Dezember 2023 eine Richtlinie für eine berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung für Personen mit Long-/Post-COVID zu beschließen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei den Anwendungsbereich der Richtlinie auch auf die Versorgung von ähnlichen oder hiermit in Verbindung stehenden Krankheitsbildern erstrecken. Hierfür käme auch ME/CFS in Betracht. 

 

Uns ist bewusst, dass trotz aller Anstrengungen die Forschungs- und Versorgungslage für die betroffenen Menschen und Ihre Angehörigen derzeit noch nicht zufriedenstellend ist. Darum werden wir nicht nachlassen, auf Ihr Anliegen auch weiterhin im Rahmen unserer Möglichkeiten bei Wissenschaft, Forschung und Ärzt:Innenverbänden hinzuweisen, Fortschritte anzumahnen und durch finanzielle Mittel zu unterstützen. Wir sind Ihnen deshalb für ihre Fragen und kritischen Anmerkungen sehr dankbar und wünschen Ihnen persönlich eine baldige Besserung Ihrer gesundheitlichen Situation.

 

Mit freundlichem Gruß

Bettina Lugk, MdB

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