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Bernhard Kaster
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Frage von Walter E. •

Frage an Bernhard Kaster von Walter E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag, Herr Bernhard Kaster,

am Freitag, dem 10.06.2016 haben Sie die Bemühungen von abgeordnetenwatch um ein Lobbyregister kritisiert und auch die Gruppierung selbst diskreditiert. Sie sei eine anmaßende Einrichtung, weil sie das freie Mandat der Abgeordneten ins Absurde führe.
Ich habe die folgende Frage an Sie:
Fühlen Sie sich dem Wähler (dem eigentlichen Träger des politischen Willens) gegenüber verpflichtet?

Wenn ja:
a) Warum haben Sie dann etwas dagegen, dass der Wähler (der aufgrund der indirekten Demokratie in seinen politischen Möglichkeiten beschränkt ist) erfährt, was in den politischen Entscheidungsgremien geschieht?
b) Warum sollen wir nicht erfahren dürfen, mit wem, resp. mit welchen Interessengrppen die Abgeordneten Gespräche führen und zu welchen Themen?

Wenn nein:
Wie denken Sie über Sinn und Funktion eines Parlamentes und eines einzelnen Abgeordneten?

mit freundlichem Gruß
Walter Erdmann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Erdmann,

auch wenn ich nicht davon ausgehe, Sie überzeugen zu können, möchte ich Ihre E-Mail nicht unbeantwortet lassen. Ich habe die Debatte zu Forderungen nach einer Ausweitung der bisher beim Bundestag bestehenden öffentlichen Verbändeliste dafür genutzt, meine Skepsis gegenüber einer immer stärkeren Einschränkung des freien Mandates der Abgeordneten zum Ausdruck zu bringen. Ich wusste, dass ich mich damit Anfeindungen von Organisationen wie der von Ihnen erwähnten Plattform aussetze. Ich denke aber, dass es die Verantwortung eines frei gewählten Abgeordneten ist, auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen.  
Die Garantie des freien Mandates ist Kernbestandteil unseres Grundgesetzes, vielleicht sogar das wichtigste so genannte grundrechtsgleiche Recht in unserer Verfassung. Ich bin dabei überzeugt: Ein freies Mandat gibt es nicht ohne Vertrauen in die Mandatsträger. Ich entnehme Ihrer Nachricht, dass Sie gegenüber uns Abgeordneten nicht auf Vertrauen, sondern auf Kontrolle setzen. Sie werden hierfür Gründe haben, ich hoffe, dass diese nicht nur aus von Dritten vorgegebenen Bildern über den Bundestag bestehen. Genau in diesem Punkt setzte ein Kernpunkt meiner Kritik an den debattierten Anträgen an: Was für ein Bild geben wir den Menschen, wenn wir beständig selbst öffentlich suggerieren, mangels Lobbyregister gäbe es im Parlament Andeutungen von Korruption und Klüngelwirtschaft. Damit schüren wir Vorurteile und stellen die Unabhängigkeit aller Abgeordneten in Frage, ohne dass es einen Fall gäbe, der dieses Misstrauen rechtfertigen würde.
Ich finde es schlimm, dass wir immer intensiver darüber reden, wie die Abgeordneten noch lückenloser beobachtet werden können. Und ich bleibe dabei: „Abgeordnetenwatch“, dieser Begriff führt die Aufgabe von Abgeordneten ins Absurde. Dabei geht es mir nicht darum, dass Abgeordnete bspw. ihr Abstimmungsverhalten nicht erklären sollen. Ganz im Gegenteil, das Erklären unserer Politik in den Wahlkreisen ist eine wichtige Aufgabe für jeden Mandatsträger. Und: Die Kontaktaufnahme mit Abgeordneten war noch nie so einfach wie heute, Abgeordneten ist heute fast rund um die Uhr erreichbar, denn es gibt längst nicht mehr nur Telefon, Post und E-Mails, zumeist sind Abgeordnete heute auch über die sozialen Netzwerke verfügbar. Persönlich freue ich mich über jeden Bürger, der mir zu meinem Mandat eine Frage stellt.
Das Lobbyregister soll schlussendlich allerdings zu einer institutionalisierten Beobachtung, Kontrolle und Reglementierung des freien Mandates führen. Dabei sollten wir nach meiner Überzeugung nicht so sehr die Abgeordneten in den Blick nehmen, sondern eine der weiteren Kernaufgaben der Abgeordneten unterstützen: die Kontrolle der Regierung. Je mehr wir mittelbar oder unmittelbar das Mandat der Abgeordneten reglementieren, desto mehr tragen wir auch zu einer Schwächung der Legislative gegenüber der Exekutive bei. Ein starkes Parlament und starke, freie Abgeordnete, sind nach meiner Überzeugung die beste Versicherung für unsere Demokratie. Und ein freies Mandat bedeutet, dass der gewählte Abgeordnete sein Mandat im Parlament frei ausübt und dafür zunächst niemandem gegenüber verantwortlich ist. Es ist bedenkenswert, dass dieser Satz heute vermutlich nicht mehr überall auf Zustimmung stößt.
Diesen Kern der repräsentativen Demokratie habe ich in den Mittelpunkt meiner Rede gestellt. Unser Grundgesetz will, dass die Abgeordneten während der Zeit ihrer Wahl, die Entscheidungen frei und ohne Bindung an Umfragen oder ähnlichem durchführen können. Der Bundestag hat in den letzten Jahren das freie Mandat schon sehr weit reguliert. Verhaltensregeln, Nebentätigkeiten, Abgeordnetenbestechung; für alle Einzelmaßnahmen, die wir ergriffen haben, gab es jeweils gute Gründe. Nun müssen wir endlich auch wieder zu einer Kernaufgabe von uns Abgeordneten stehen. Wir sind gewählt, um für die Bürgerinnen und Bürger die Abwägung verschiedenster Interessen vorzunehmen. Interessen, die auf die unterschiedlichste Art und Weise an uns herangetragen werden. Einige Abgeordnete veröffentlichen jedes Gespräch, dass sie dort führen. Verpflichtend – und darauf laufen Anträge wie die jüngst debattierten letztlich irgendwann hinaus – dürfen wir das nach meiner festen Überzeugung nicht machen. Ob im Wahlkreis das Gespräch mit der Kreishandwerkerschaft, einem Unternehmen oder den örtlichen Gewerkschaftsvertretern: Ob ein Abgeordneter solche Gespräche öffentlich macht, muss ihm oder ihr selbst überlassen bleiben. Wer einem Abgeordneten im Vertrauen etwas mitteilen möchte, bspw. auch auf Missstände hinweisen will, sollte das nach meiner Überzeugung auch machen können.
Zumal die Kontaktaufnahme zu Abgeordneten kein noch so ausgefeiltes Lobbyregister unterbinden kann. Die zu dieser Frage durchgeführte Sachverständigenanhörung hat bspw. ergeben, dass man nicht einmal klar und sinnvoll abgrenzen kann, welche Institutionen oder Personen sich in ein Register eintragen müssten. Auch die Kreishandwerkerschaft, regionale Gewerkschaftsvertreter oder der Landesverband der Steuerberater? Und auch ein verpflichtendes Lobbyistenregister kann keinen Aufschluss darüber geben, ob im Einzelfall versucht wird, verdeckten unzulässigen Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse auszuüben. Das Register greift allerdings in vielfältige Grundrechte ein: In das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der Berufsfreiheit und vor allem der für die Gewerkschaften so wichtigen Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG. Und auch wenn von diversen Plattformen ständig behauptet wird, sie hätten eine andere rechtliche Bewertung: Argumentativ widerlegen konnten die in der zu dieser Frage eigens durchgeführten Anhörung erneut vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken niemand.

Mit freundlichen Grüßen

Bernhard Kaster