Portrait von Bernhard Kaster
Bernhard Kaster
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Bernhard Kaster zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Kai K. •

Frage an Bernhard Kaster von Kai K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kaster,

soweit ich richtig informiert bin haben Sie am 9. November 2007 (124. Sitzung) in der namentlichen Abstimmung im Bundestag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen zugestimmt. Heute entnehme ich der Presse, daß die auch von Ihnen beschlossenen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung dem Grundgesetz widersprechen, so jedenfalls urteilt das Bundesverfassungsgericht - bitte korrigieren Sie mich, sollte ich mich irren.
Mir ist es unverständlich, wie diese Gesetze in ihrer Verfassungsnonkonformität überhaupt beschlossen werden konnten. Erlauben Sie mir deshalb meine Fragen: Haben Sie im Vorfeld der Abstimmung prüfen lassen, ob die Gesetze dem Grundgesetz widersprechen oder hatten Sie in diesem Punkt keine Zweifel? Haben Sie im Vorfeld die Bedenken der Datenschützer und Experten wahrgenommen und entsprechend hinterfragt? Bedauern Sie nun ihr damaliges Abstimmungsverhalten oder würden Sie den Gesetzesentwürfen heute wieder zustimmen? Und welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Tatsache, daß Gesetze, denen Sie zustimmen, nachträglich als für nicht verfassungskonform beurteilt wurden?

Mit freundlichen Grüßen aus Ihrem Wahlkreis
Kai Kugler

Portrait von Bernhard Kaster
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kugler,

haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Vorratsdatenspeicherung.

Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzgeberische Grundentscheidung, dass in bestimmten Fällen schwerwiegender Straftaten ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG möglich ist, bestätigt. Es hat auch zugestanden, dass die Vorratsdatenspeicherung und der darauf gründende Verkehrsdatenabruf zur Aufklärung solcher Straftaten erforderliche und geeignete Ermittlungsinstrumente sind. Lediglich die konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung hat das Bundesverfassungsgericht für nicht verfassungsgemäß und für nichtig gehalten.

Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, das Urteil sorgfältig zu analysieren. Da das Gericht in seinen Urteilsgründen für die Korrektur der Regelungen klare Vorgaben gemacht hat, kann aus Sicht von CDU und CSU jetzt zügig nachgebessert werden.

Die gegenwärtige Situation, in der die Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr gar nicht mehr eingesetzt werden kann, halte ich für nicht hinnehmbar. Von den kritischen Kommentaren aus Fachkreisen sei hier nur auf die Stellungnahme des Bundes Deutscher Kriminalbeamter vom 02.03.2010 hingewiesen. Dort wird befürchtet, dass das Recht und der Anspruch des Bürgers, nicht Opfer einer Straftat zu werden, erheblich reduziert werden. Das Urteil schütze den Täter, der sich der elektronischen Kommunikation bediene.

Zudem verpflichtet uns auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zur Umsetzung. Diese Richtlinie gilt nach wie vor.

Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.). Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden.

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist ein Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist. In der Diskussion hierüber wird vielfach übersehen, dass bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen. Gesprächsinhalte dürfen insoweit nicht gespeichert werden. Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten geht. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der stetigen Zunahme sogenannter „Flatratetarife“, bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich war, drohte es mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung solcher Flatratetarife, Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen.

Nicht zuletzt diese Erwägungen hatten die Bundesregierung bewogen, der Richtlinie Nr. 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, zuzustimmen. Die Bundesregierung hat dies mit Unterstützung des Deutschen Bundestages getan.

Für die Bekämpfung von schwersten Straftaten im 21. Jahrhundert brauchen die Ermittlungsbehörden zeitgemäße und angemessene Instrumente. Die Pflicht des Staates zur Straftatenaufklärung und Gefahrenabwehr darf nicht schlichtweg zu einer Gefahr für die Öffentlichkeit durch „staatlichen Überwachungsdrang“ umdefiniert werden. Ebenso wie sich die Technik verändert, muss sich auch der Rechtsstaat weiterentwickeln und im Bereich der Strafverfolgung den modernen Gegebenheiten anpassen.

In der Hoffnung, Ihnen mit meinen Informationen weiterhelfen zu könne, verbleibe ich

mit guten Wünschen und freundlichen Grüßen

Bernhard Kaster